Türsteher*innen im Porträt
Kiki Gorei, Goldener Reiter (München)
Den Goldenen Reiter gibt es seit 2018, am Rand vom Münchener Gärtnerplatzviertel. Kiki Gorei ist schon seit zehn Jahren als Türsteher dabei – Ende nicht in Sicht.
Von Sascha Ehlert
Sascha Ehlert: Was hat dich vor die Tür geführt?
Kiki Gorei: Ich war so 19, 20 und hab in München immer in so einer Bar abgehangen, wir waren sozusagen Stammkunden. Dann hat ein sehr guter Kumpel von mir angefangen dort zu arbeiten, und der meinte dann zu mir: „Hast du nicht auch Bock?“ Ich fand das lustig, die Belegschaft dort ist cool, also dachte ich mir: „Auf jeden Fall“. Mit 19 einen Nebenjob zu haben, der nochmal so 100, 150 Euro am Abend bringt – zwei, drei Mal die Woche ist das super. Und jetzt bin ich 29 und mach es immer noch jedes Wochenende.
Bist du denn auch jenseits der Arbeit ein Clubgänger?
Ja, schon. Ich arbeite ja auch als DJ für verschiedene Läden. Damit habe ich mit 17, 18 angefangen. Ich kenne also ohnehin schon lange viele Leute, die sich in derselben Ecke bewegen, meine Freunde sind in denselben Läden wie ich. Da ist es gleich, ob ich dort gerade auflege oder selektiere.
Nach welchen Kriterien arbeitest du denn als Selector?
Ich denke, es ist so ein Mittelding zwischen Strenge und entspannt sein. Ich achte vor allem auf diese ganzen Klassiker, also zum Beispiel darauf, dass ich große Männergruppen am Anfang des Abends nicht so reinlasse, damit es nicht für andere Gäste unangenehm wird. Das gleiche gilt natürlich für Leute, die zu besoffen oder high sind. Allgemein unterhalte ich mich aber immer kurz mit den Leuten und wenn die cool sind, dann ist in dem Laden, wo ich gerade arbeite, auch jeder willkommen. Wir machen keine harte Tür.
Ich habe im Zuge der Gespräche für diese Reihe sehr verschiedene Philosophien und Team-Größen bei den verschiedenen Clubs festgestellt. Wie groß ist euer Team?
Wir sind zwischen acht und zehn Türsteher*innen. Wir machen die Schichten immer zu zweit, plus einem Chef vom Dienst. Eigentlich also ein recht kleines Team, da springt jeder mal für den anderen ein.
Welche Rolle spielt der Club für dich als sozialer Ort?
Also ich bin schon auch oft nachts an meinem Arbeitsplatz, wenn ich gerade nicht arbeite. Und meistens häng ich dann tatsächlich auch, wenn ich privat da bin, die meiste Zeit an der Tür mit den anderen.
Wie sehr hat sich dein Verhältnis zum Nachtleben mit den vergangenen Jahren verändert?
Eigentlich überhaupt nicht. Aber das liegt sicher auch daran, dass München natürlich nicht so groß ist wie Berlin. Hier kennen alle alle und sind irgendwie in ähnlichen Freundeskreisen. Irgendwie ist das Nachtleben auch immer noch mein Ausgleich, meine Abwechslung vom 40-Stunden-Job. Ich fahre da einfach ein bisschen runter und vergesse die ganze Woche.
Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass es in der Szene mehr Gemeinschaft gibt.
Also natürlich haben Corona-bedingt teilweise Läden zugemacht. Auf der anderen Seite hat die Pandemie, finde ich, auch dazu beigetragen, dass es in der Szene mehr Gemeinschaft gibt und sich in Clubs die starren Genre-Trennungen dazwischen, was ein Hip-Hop- und was ein Techno-Club ist zum Beispiel, stärker aufgelöst haben. Dafür haben mein Umfeld, die Leute, mit denen ich regelmäßig zusammen auflege, und auch ich selbst einiges getan. Ich persönlich hab irgendwann gemerkt, dass ich als DJ gern alles spielen würde – egal ob das gerade Garage, Trap oder House ist. Und den Leuten, die tanzen, geht es auch so.
Wie alt ist das Publikum eigentlich, mit dem du zu tun hast?
Also, das ist bei mir super gemischt. Wir haben Leute zwischen 18 und 45 bei uns, würde ich sagen.
Würdest du sagen, dass die sogenannte Generation Z, also die letzte nachgewachsene Club-Generation, sich an der Tür und im Club anders verhält als Generationen vor ihr?
Ich finde schon. Die sind einfach viel höflicher. Wenn ich da mal sage: Nein, heute nicht, dann ist das für die eigentlich immer okay, wohingegen mit den Älteren gerne mal dann die Diskussionen losgehen.
Wie sehr hat sich denn auf der anderen Seite die Arbeit an der Tür für dich verändert, seitdem du angefangen hast? Liegt zum Beispiel stärker als früher ein Augenmerk darauf, dass es ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis gibt und dass mit Clubs Räume geschaffen werden, in denen sich weiblich gelesene Personen gleichermaßen wie als männlich gelesene Personen wohlfühlen?
Bei uns im Club hat sich dahingehend nicht so viel verändert, glaube ich. Ich weiß nicht genau, wie wir es machen, aber ich glaube, es gibt in keinem anderen Club in München so wenig Beschwerden von Frauen, die sich unwohl fühlen. Wir schauen einfach, dass die Leute, die wir reinlassen, zu der Musik passen. Wir haben darüber hinaus auch viele Stammgäste, die wir einfach gut einschätzen können.
Wie blickst du in die Zukunft? Denkst du manchmal darüber nach, den Job irgendwann sein zu lassen?
Tatsächlich überhaupt nicht. Ich mag einfach den Laden sehr gerne, ich sehe die Leute hier gerne und bin generell gern unter Leuten.
Die Clubkultur hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ja immer stärker in der Gesellschaft verankert, natürlich werden da auch die Clubgäste mal älter. Und vielleicht auch die Leute, die an der Tür stehen. Kannst du dir also vorstellen, den Job mit 40, 45 noch zu machen?
Voll, also ich kann es mir auf jeden Fall besser vorstellen, mit 45 noch die Tür zu machen, als DJ zu sein.