Jugendserie „Druck“
„Ein bisschen flapsig und unperfekt“
Die Jugendserie „Druck“ setzt auf authentische Darsteller und Dialoge und arbeitet dafür auch mit Laienschauspielern: So wird ein Transgender-Charakter auch mit einem Transgender-Jungen besetzt. Mit großem Erfolg.
Von Lucas Barwenczik
Druck heißt die neue deutsche Erfolgsserie für Jugendliche: Sie erzählt von einer Gruppe von Jugendlichen, die kurz vor dem Abitur stehen. Produziert vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet Druck nicht nur im klassischen Fernsehen und Onlinemediatheken statt – seit ihrem Start im März 2018 wird die Serie auf dem Sender ZDFNeo und dem Online-Medienangebot von ZDF und ARD „funk“ ausgestrahlt –, und vor allem auch auf Youtube. Mit großer Resonanz: Mehr als 60 Millionen Mal wurden die Videos auf dem Youtube-Kanal seitdem angesehen.
Die Fans von Druck schätzen vor allem die große Realitätsnähe der Serie, die mit wenig bekannten, aber umso authentischeren Schauspielern daherkommt. So wird ein Transgender-Charakter auch von einem Trans-Jungen gespielt. Wir sprachen mit Pola Beck, die bei vielen Folgen Regie führte, und Julia Penner, der Headautorin von Staffel 3 und Co-Headautorin von Staffel 4, über die Auswahl der Schauspieler, wie das Feedback der Fans in die Serie einfließt und was andere Produktionen davon lernen können.
„Druck“ hat eine internationale Fangemeinde. Warum wirkt die Serie im Gegensatz zu anderen deutschen Produktionen auch jenseits der Landesgrenzen?
Beck: Die Serie basiert auf einem Original aus Norwegen, Skam, deren Fans neugierig auf die deutsche Adaption waren. Auch die LGBTQ-Gemeinde hat bei der Verbreitung geholfen – es gibt einfach nicht viele Serien mit Jugendlichen, in denen etwa die Geschichte eines Transgender-Charakters erzählt wird. Menschen lechzen danach, Serien zu finden, bei denen sie sich repräsentiert fühlen. Gerade, wenn diese Themen ehrlich und authentisch erzählt werden.
War euch Wahrhaftigkeit bei der Besetzung und Figurenzeichnung besonders wichtig?
Beck: Genau. Die Schauspieler sind zum größten Teil Laien. Wir haben viele von ihnen nah an den Charakteren gecastet.
Penner: Wir haben auch Workshops gemacht, durch die sie ihre Rolle wirklich kennenlernen und verinnerlichen konnten. Es gibt eine Art Typecasting, doch wenn sie nur sich selbst spielen würden, wäre das etwas komplett anderes. Ich glaube nicht, dass sie dann so gut wären.
Beck: Ein Teil des Erfolges ist, dass in der Serie nicht so „handwerklich“ geschauspielert wird. Die Darsteller bringen etwas Eigenes mit, ein bisschen flapsig und unperfekt. Auch ein großer Teil der Sprache ist durch sie in die Serie geflossen. In der dritten Staffel geht es ja um eine Trans-Geschichte, und wir haben bewusst einen Transjungen genommen, der das spielt: Lukas Alexander. Eine meiner Lieblingsszenen in der Staffel ist, wenn seine Figur David sich outet und dann zu seinem Freund Matteo sagt: „Ich bin ein Junge, ich muss mich nur ein bisschen mehr dafür anstrengen.“ Ein herzzerreißender Satz. Der stammt zum Beispiel von Lukas. Das heißt nicht, dass die Schauspieler uns die Sätze diktiert haben, das war ein positives Miteinander.
Sollte die Serienlandschaft insgesamt stärker zu einem kollaborativen Medium werden, um besser von spezifischen Identitäten und Positionen erzählen zu können?
Penner: Aus der Perspektive der Autoren sind die Workshops sehr nützlich. Du kannst genauer auf die Leute hinschreiben. Wir haben uns teilweise Situationen überlegt und sie in der Improvisation ausprobiert. Ich habe das als Geschenk empfunden und würde das auch gerne in anderen Formaten und Stoffen fortsetzen. Aber es kommt natürlich auch auf das Projekt an.
Ihr erhaltet sehr viel Feedback im Internet, gerade aus der LGBTIQ-Community. Wirkt sich das Feedback der Fans auf die Serie in irgendeiner Form aus?
Penner: Wir haben in Staffel 3 aus der Figur David einen Transcharakter gemacht, weil ein Fan eine Petition gestartet hat und gesagt hat, es wäre doch toll, wenn dieser Charakter trans wäre. Insofern: Ja, auf jeden Fall.
Beck: In den sozialen Medien wird der Inhalt der Serie weiter diskutiert. Das fließt in unsere Besprechungen ein. Wenn etwas falsch interpretiert oder negativ aufgenommen wird, fragen wir uns, wie man darauf reagieren kann. Anfangs war das noch etwas Besonderes, irgendwann dann einfach Teil des Prozesses.
Penner: Es ist jetzt natürlich nicht so, dass wir alles machen, was uns vorgeschlagen wird. Es gab auch viele Wünsche für Staffel 4, dass Amira jetzt doch bitte lesbisch sein sollte. Wir haben uns dagegen entschieden.
Die Protagonisten entstammen der Generation Z. Glaubt ihr, dass sie sich von den Generationen vor ihnen unterscheiden, oder sind die Sorgen als Teenager eigentlich universell?
Beck: Natürlich sind gewisse Sachen universell. Ich glaube aber, das Publikum ist offener geworden, zumindest was LGBTQ angeht.
Penner: Aufgeklärtheit und Sichtbarkeit sind definitiv größer. Allgemein habe ich das Gefühl, dass sich diese Generation mehr gegenseitig weiterhilft. Das spiegelt sich auch in so einer Bewegung wie „Fridays for Future“ wider.
Heißt das, dass es eine besonders politische Generation ist?
Beck: Lustig ist, dass die erste Staffel mit einem Monolog beginnt, in dem es heißt, die Generation wäre so unpolitisch. Die ist im März 2018 rausgekommen. Und jetzt, anderthalb Jahre später, hat sich so wahnsinnig viel getan.
Gegenwärtig wird die vierte Staffel ausgestrahlt. Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Serie?
Beck: Ich wünsche mir für die Serie, dass weiter dieser mutige Weg gegangen wird, was immer da kommen mag.