Andi Otto ist Komponist, Performer und Forscher elektronischer Musik. Er lebt und arbeitet in Hamburg.
Im Zentrum seiner künstlerischen Arbeit steht das selbstentwickelte Instrument "Fello", eine elektronische Erweiterung des Cellobogens mit Bewegungssensoren. Er war Stipendiat an der "Villa Kamogawa" in Kyoto und tourt international, wobei insbesondere die Musikkulturen Indiens und Japans ihre Spuren in seiner Musik hinterlassen. Er promoviert über das STEIM SensorLab (eine Pionierarbeit für experimentelle Musik-Interfaces aus den 80ern) und unterrichtet an der Hochschule der Künste in Bern sowie der Humboldt Universität Berlin. Andi Otto betreibt das Pingipung Label in Hamburg und ist Mitglied des Flinnworks Kollektivs in Berlin. Er komponiert für Film-, Theater- und Tanzproduktionen. Er hat mehrere Alben als "Springintgut" veröffentlicht, mittlerweile nutzt er seinen richtigen Namen anstatt des Pseudonyms. Als DJ veranstaltet er eine monatliche Reihe im Golden Pudel Club in Hamburg.
In Bangalore wird Andi Otto mit der Sängerin MD Pallavi zusammenarbeiten, eine der zentralen Protagonistinnen der Carnatic Music. Sie haben 2016 eine erste Single veröffentlicht, "Bangalore Whispers" und werden neues Material zusammen einspielen. Bei Abhinaya Taranga werden sie ein gemeinsames Performance Konzept erarbeiten, indem sie Sensoren zur gestischen Steuerung von elektronischen Bearbeitungen von Pallavis Stimme einsetzen.
MD Pallavi und ich hatten uns bereits 2013 als Musiker auf der Theaterbühne ihrer Performance "C Sharp C Blunt" getroffen. Ich war begeistert von ihren Vokal-Kapriolen und ihrer gleichzeitigen Neugier, ihr Wissen über indische Ragas mit zeitgenössischer elektronischer Musik zusammenzubringen.
Im Rahmen dieser bangaloResidency konnten die Ideen und Visionen endlich ausgearbeitet werden, die seitdem in den letzten drei Jahren in Studio-Sessions und Dropbox-Projekten aufgekommen waren. Im Zentrum stand die Idee, dass wir für Pallavis rechte Hand ein Interface entwickeln wollen, mit dem sie den live aufgenommen Klang ihrer Stimme mit Gesten modulieren kann. Das Konzept liegt sehr nah an dem meines eigenen "Fello" Systems, das ich seit 2007 am STEIM entworfen habe. Der Cellobogen wurde darin mit verschiedenen Sensoren erweitert, so dass ich mit elektronischen Klängen spielen kann, indem ich den Bogen im Raum um das Cello herum bewege.
Der Prototyp für dieses neue Instrument für Pallavi nennen wir "Second Voice", und es baut auf der
Technologie des Videospielcontrollers Nintendo Wiimote auf. Die Daten des Accelerometers und der Knöpfe dieses Interfaces (und seiner modifizierten "Nunchuck" Erweiterung) haben wir gemeinsam in musikalische Steuerdaten umprogrammiert. Die grundlegende Idee besteht darin, dass Pallavi ins Mikrofon singt und sich diese Stimme verdoppelt. Sobald ihre Hände die Ruheposition vor ihrem Körper verlassen und zu gestikulieren beginnen, erklingt das zuletzt gesungene als ''Second Voice" und kann anhand elektronischer Klangparameter bearbeitet werden: Tonhöhe, Looplänge, Hallraum und Echo sind die wesentlichen Prinzipien, nach denen ihre Gesten das Stimmmaterial bearbeiten können.
Der Host meiner bangaloResidency war Abhinaya Taranga, ein Theater, in dem dem wir genau richtig waren, was den konzeptionellen Teil des Projekts betraf, denn wir bewegten uns zwischen Konzert, Performance und sogar Tanzelementen. Dennoch benötigten wir zur Entwicklung der Software und der Kompositionen einen geeigneten, schalldichten Raum. Wir hatten das große Glück, das Studio des Popmusikers und Obersympathen Raghu Dixit in Indiranagar nutzen zu dürfen. Ohne diese inspirierende Oase, schallisoliert mitten in der ewig lauten Stadt und technisch bestens ausgerüstet, wären wir mit Sicherheit wesentlich langsamer vorangekommen.
Wir haben in den vier Wochen meines Aufenthalts das Instrument entworfen, gebaut, programmiert und ein kleines Repertoire entwickelt, das wir in einem "test-run of something new" im Max-Mueller-Bhavan am 19. Sept. zum ersten Mal präsentieren konnten. Wir waren uns bewusst, dass diese erste Demonstration unserer beiden musikalischen Interfaces noch keine Show ist, kein Konzert, mit dem man auf Tour gehen kann, weil Pallavi noch keine Gelegenheit hatte, ihr neues Instrument zu lernen. Das Spiel der "Second Voice" besteht im Verbinden ihrer Gestik und ihrer Stimme zu einem Duo mit sich selber entlang der Regeln der traditionellen Ragas sowie den gemeinsam entworfenen Regeln der Software.
Dieser Prozess braucht Zeit. Ich selber habe über ein Jahr geübt, bis ich mit dem "Fello" System zum ersten Mal aufgetreten bin. Dennoch schien das Publikum unsere Suche nach Neuem zu würdigen, an manchen Stellen hatten wir sogar das Gefühl, mit den freien Improvisationen die Zuhörer tatsächlich musikalisch zu erreichen und zu berühren. In den Gesprächen nach dem Konzert zeigten sich euphorische Gesichter und viele Neugier.
In der Mitte des Konzertes hatten wir ins Publikum gefragt, ob es Fragen gäbe - es gab! Es waren zahlreiche Musiker und Künstler gekommen, die die Erweiterung des Traditionellen ins Elektronische als Neuerung mit Potenzial bezeichneten, genaue Fragen zur Choreographie zum Hinterrund und zur ästhetischen Ausrichtung unseres Projektes parat hatten, die uns in der Weiterentwicklung begleiten werden.
Jetzt haben wir ein halbes Jahr Zeit um zu proben, sowohl über Skype als auch in Hamburg, wo wir uns wieder im Studio treffen werden, bevor wir im April 2017 auf Tournee in Japan gehen werden.