Die
bangaloREsidency 2017 war nicht mein erster Indienaufenthalt, im Gegenteil, ich reise seit über 15 Jahren immer wieder nach Indien und meine Aufenthalte in Mumbai haben großen Einfluss auf meine künstlerische Filmarbeit. Als Filmmetropole ist Mumbai ein extrem kommerzieller Ort, und aus diesem, und auch aus anderen (immer noch) ungeklärten Gründen, ist gerade dort das Filmen und das Filmemachen besonders schwer. Sobald man eine Kamera herausholt, wird man von allen Seiten zur Kasse gebeten, was allerdings nicht davor schützt, im nächsten Moment trotzdem am Drehen gehindert zu werden. Deshalb haben sich bei mir im Laufe der Jahre einige Projekte und Ideen angesammelt, die in Mumbai einfach nicht zu realisieren sind. Bangalore hingegen ist der ideale Ort für solche Projekte, denn es bietet alles, was eine moderne indische Metropole ausmacht, ist aber gleichzeitig liberal und offen für Kunst und Kultur. Deshalb bot es sich an, eines dieser Projekte für die
bangaloREsidency einzureichen.
Das Stadtbild indischer Metropolen ist geprägt durch einen Überfluss vieler, kleiner, mit Produkten und Waren nur so vollgestopfter Läden. Für den kurzen Experimentalfilm "_galore" wollte ich in möglichst vielen verschiedenen vollgestopften Läden eine langsame Kamerafahrt auf 16mm Zelluloid drehen. Da ich leider nur fünf Wochen Zeit zur Verfügung hatte, musste ich mir schon im Vorfeld der Reise eine Crew zusammenstellen. Dabei haben mir Maureen Gonsalves vom
Goethe Institut und Shai Heredia von meiner gastgebenden Institution
Experimenta India tatkräftig zur Seite gestanden. Das
Goethe Institut hat sogar einen Flyer gestalten lassen, und innerhalb von wenigen Tagen hatte ich mein Team beisammen, bestehend aus Siddharth Govindan, Poornabodh Nadavatti und Vishnu Nambiar.
Alle 12 Künstler kamen mit der gleichen Maschine mitten in der Nacht in Bangalore an. Ich war mit zwei anderen Residenten, Felix Deufel und Thomas Heidtmann in einer geräumigen Wohnung mit fünf (!) Balkonen im Stadtteil Malleshwaram untergebracht. Am nächsten Morgen ging's direkt los mit einer ganztägigen Bustour durch die Stadt, bei der wir auch einen Überblick über die Kunst- und Kulturszene bekommen haben. Am zweiten Tag habe ich dann mein Team kennengelernt, und nach ein paar Tagen der Vorbereitung sind wir dann auf Locationsuche gegangen durch die Märkte der Stadt. Auch wenn Bangalore geprägt ist von breiten Straßen, großen Brücken und Unterführungen, Parks, Armeestützpunkten und High-Tech-Campussen, so ist das Stadtzentrum noch immer ein einziger, großer Bazar, durch dessen Straßen und Gassen sich zu Stoßzeiten Millionen von Menschen, Waren, Karren, Tieren, Rickshaws und Fahrzeugen quälen. Von jetzt an mussten wir uns jeden Tag in dieses Getümmel stürzen, anfangs noch mit Schreibblock und Stift, später dann mit Kameras, Stativen und Licht. Ich kann meinem Team nur danken, dass sie bis zum Ende durchgehalten haben, immer mit Gepäck auf dem Rücken, durch Gedränge und Staus, über Stock und Stein, durch Hitze und Regen, und manchmal auch durch Dreck und Müll.
Nach zweiwöchiger Suche hatten wir 68 Läden gefunden, in denen wir drehen durften. Als es allerdings darum ging, konkrete Drehtermine zu vereinbaren, reduzierte sich die Anzahl der Locations rapide. Schließlich und endlich konnten wir aber in 25 Läden drehen, was weit mehr ist, als ich mir jemals erträumt hätte. Da sich der Film am Ende der Residency noch in der Postproduktion befand, kam die Idee auf, aus dem Material einen Trailer für meinen Gastgeber, das Ende November stattfindende Filmfestival
Experimenta zu schneiden, der jeden einzelnen Filmblock einleiten würde. Da ich in meinem zweiten Leben auch als Trailercutter Geld verdiene, war es für mich eine tolle Herausforderung, den Spagat zwischen Kunst und Werbung an meinem eigenen Filmmaterial auszuprobieren. Ich kann mit Stolz behaupten, dass der Trailer bei fast allen Shows Applaus geerntet hat, was für einen Festivaltrailer nicht unbedingt üblich ist.
Abschließend kann ich sagen, dass ich eine wirklich tolle Zeit in Bangalore hatte, es war eine großartige Erfahrung, sich voll und ganz auf die Dreharbeiten konzentrieren zu können, ohne sich über irgendetwas anderes Gedanken machen zu müssen. Das
Goethe Institut hat mein Projekt großzügig bezuschusst, was es mir ermöglicht hat, mit wirklich tollen Leuten zusammen zu arbeiten. Daraus sind großartige Freundschaften und Kontakte entstanden: Siddharth Govindan habe ich direkt als Kameramann für mein nächstes Filmprojekt in Mumbai angeheuert. Beim Filmfestival
Experimenta wurde ich widerum als Filmvorführer für die 16mm Projektion engagiert. Einige Film-Enthusiasten planen, ein selbstverwaltetes do-it-yourself Filmlabor in Bangalore zu gründen, und ich konnte mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich bin mir sicher, dass ich früher oder später wieder hierher zurück kommen werde, um das eine oder andere Projekt umzusetzen.
Am Ende muss ich aber auch selbstkritisch sagen, dass mein Projekt sehr ambitioniert und umfangreich war, und mir deswegen in dem engen Zeitrahmen kaum Gelegenheit gegeben hat, mir andere Ecken der Stadt anzusehen, die Kunstszene kennenzulernen oder die Projekte der anderen elf Künstler zu verfolgen. Wenn ich noch einmal Gelegenheit hätte, eine
bangaloREsidency mitzumachen, dann würde ich definitiv mehr Zeit einplanen für andere Aktivitäten.
Ganz herzlich danken möchte ich dem
Goethe Institut Bangalore, Dr. Claus Heimes und Maureen Gonsalves, für die Einladung und die großartige Unterstützung, Shai Heredia von
Experimenta India, die ein fantastischer Gastgeber und Rückhalt war, meiner Crew, Siddharth Govindan, Poornabodh Nadavatti und Vishnu Nambiar, die mit mir durch dick & dünn gegangen sind, und ohne die kein einziges Frame dieses Films belichtet worden wäre, den Buddies vom
Goethe Institut Nora Duchêne, Agnes Ziegler, Anna Hofer und Sarah Denzinger, sowie Aditi Rajeev, die immer sofort geholfen haben, wenn's mal brannte, Yashas Shetty von der
Indian Sonic Research Organisation, der uns freundlicherweise sein Studio zur Verfügung gestellt hat, und nicht zuletzt Kunal Deshpande und Aliasger Dhariwala, die uns immer wieder beim Filmen gefilmt haben. Ich hatte eine tolle Zeit und komme bestimmt bald wieder!