Flo Maak, geboren 1980, studierte bildende Kunst an der Städelschule, Frankfurt am Main, und der Cooper Union, New York City. Von 2013 bis 2017 unterrichtete als Professor für künstlerische Fotografie an der Chung-Ang Universität, Seoul. Nach einem einjährigen Stipendienaufenthalt an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig lebt er heute in Berlin.
Seine Arbeiten sind thematisch vielfältig, wobei Fragen von Autonomie, Souveränität und gegenseitiger Abhängigkeit, insbesondere in Tier-Mensch Beziehungen, sowie die zerstörrerischen Folgen menschlichen Wirtschaftens wiederkehrende Sujets sind. Von Fotografie ausgehend entwickelt er meist große Installationen, in denen die Bilder durch architektonische Interventionen und skulpturale Elemente in den Raum erweitert werden. Weiterhin spielt Text in den Bilder, als Titel oder begleitenden Wandtext eine wichtige Rolle in seiner Arbeit. Immer betont er dabei den visuellen Aspekt seiner konzeptbasierten Arbeiten.
Seit vielen Jahren kooperiert Maak ausserdem mit dem Filmemacher und Künstler Lasse Lau. Gemeinsam beschäftigen sie sich mit der Geschichte queerer Proteste und dem Verhältnis von Sexualität und Essen, wobei John Harvey Kellogg als Erfinder der Cornflakes, ausgesprochener Gegener der Masturbation und Patentinhaber eines Keuschheitsgürtels breiten Raum in ihren gemeinsamen Arbeiten eingenommen hat.
Während der bangaloREsidency plant Flo Maak sein Projekt seascapes fortzuentwickeln, welches das weltweite Netz der Meere und seine Rolle bei der Übertragung und Transformation von Lebensformen und Lebenswesen untersucht. Hierfür wird er den Hafen und die Strände in Kochi erkunden und mit Expertinnen und Experten vor Ort zusammenarbeiten.
Abschlussbericht
In Bangalore angekommen hat mich der KR Blumenmarkt sehr beeindruckt. Während ich mich mit Massen von Menschen nur langsam zwischen den Marktständen fortbewegen konnte, veränderten die über uns zum Schutz gegen Sonne und Regen aufgespannten Planen ständig ihre Form im Wind und färbten alles unter ihnen rot.
Nach einer intensiven Woche in Bangalore bin ich weiter nach Kochi gereist. Ich hatte schon erwartet dort wegen der tropischen Bedingungen eine große Vielfalt von Tieren und Pflanzen zu finden. Es waren aber nicht, die mir aus Deutschland unbekannten, Flughunde oder bunten Kingfisher, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, sondern vor allem die Krähen, die an den Ufern von Fort Kochi nach Nahrung suchen. Diese auch in Berlin allgegenwärtigen Vögel sind offensichtlich sehr anpassungsfähig. Sie scheinen neben den Menschen, die einzige Art zu sein, die in ganz unterschiedlichen Klimazonen heimisch geworden ist und somit heute rund um die Welt zu finden ist. Während ich mich selber noch mit der schwülen Hitze arrangieren musste, begann ich täglich Bilder von Krähen zu machen, beobachtete wie sie geschickt Nahrung suchten, um Fische, Frösche oder Ratten als Nahrung stritten und einfach überall auftauchten, wo ich hinkam. Sie begleiteten mich über meinen gesamten Aufenthalt in Kochi und so entstand neben meiner geplanten Arbeit noch eine eigenständige Serie von Bilder mit Krähen, die ich später in diesem Jahr entweder für sich oder zusammen mit Bildern von Krähen an anderen Orten veröffentlichen möchte.
Vor meiner Ankunft in Kochi hatte ich geplant mich dort mit invasiven, marinen Arten zu beschäftigen. Große Containerschiffe transportieren in Ballasttanks Meereswasser entlang ihrer Routen und haben so in der Vergangenheit kleinere Organismen wie etwa Muscheln an Orte gebracht, an denen diese zuvor nicht zu finden waren. Ein kleiner Teil dieser Neuankömmlinge hat sich dann schnell ausgebreitet und andere Arten verdrängt, in diesen Fällen wird von invasiven Arten gesprochen. International nimmt die Diskussion um sogenannte “invasive alien species” seit einigen Jahren zu. Mit wachsendem internationalem Handel und wegen sich verändernder Lebensbedingungen für Tiere, Pflanzen und Menschen in Folge vom Klimawandel verschwinden ortstypische Arten und kommen neue hinzu. In diesen Diskussion spiegelt sich aber nicht nur eine veränderte globale Situation. Die Biologin und Professorin für Women and Gender Studies, Banu Subramaniam, hat beispielsweise gezeigt, dass in den USA nach dem 11. September 2001 die öffentliche Diskussion über invasive Arten an Umfang und Schärfe gewonnen hat. So beeinflussen rassistische Stereotype und Angst vor dem Fremden auch die Wahrnehmung von neu hinzugekommenen Tieren und Pflanzen.
Zu meiner Überraschung gibt es in Kochi wenig Bedenken bezüglich eingeschleppter Lebewesen, vermutlich weil es dort im Meer und an Land weiterhin einen enormen Artenreichtum gibt, möglicherweise aber auch weil der Ort eine lange Geschichte internationalen Handels und häufig wechselnder Kolonialmächte hat und zudem dort schon lange unterschiedliche Glaubensgruppen friedlich mit einander leben. Das Andere und Fremde scheint hier also nicht so sehr als Bedrohung wahrgenommen zu werden.
Bei meinen Recherchen bin ich dann auf eine Pflanze gestoßen, die in Kerala als invasiv gilt und die mich vor allem wegen ihres Namens sofort fasziniert hat. Sie wird in Malayalam, der lokalen Sprache, Communist Pacha genannt, wobei Pacha am ehesten mit Grünzeug zu übersetzen ist. In der biologischen Taxonomie wird sie unter dem Namen Chromolaena odorata verzeichnet. Die lokalen Namen von Pflanzen verweisen häufig auch auf die Bedeutung und den Nutzen, die diese Pflanze für die Bevölkerung hat. So wird Chromolaena odorata in Australien und auf Hawaii beispielsweise Devil‘s Weed genannt, was klar zeigt, wie unerwünscht sie dort ist. Häufig verweisen lokale Namen eingeschleppter Arten auch auf ferne Orte um so ihre Fremdheit zu betonen, so wird eben die gleiche Pflanze in Deutschland Siamkraut und in vielen Englisch-sprachigen Ländern siam weed genannt. Mit Siam wurde bis 1939 ein Land bezeichnete, welches weitestgehend dem heutigen Thailand entspricht. Die Pflanze stammt ursprüngliche aber aus Zentral- und Südamerika; von Europa aus gesehen ist beides – Südostasien und Südamerika – weit entfernt und der koloniale Blick hat bekanntermassen des öfteren schon West und Ost vertauscht.
In Kerala ist die Pflanzen in den 1940er versehentlich eingeführt worden und hat sich dort schnell verbreitet. Erklärt wird ihr Name u.a. damit, dass sich die Pflanze in Kerala genauso schnell verbreitete wie der Kommunismus in den 1940er und 50er Jahren. Was je nach politischem Standpunkt der Betrachter*in als positiv oder negativ Assoziation betrachtet werden kann. In der positiven Lesart wird die Resilienz der Pflanze auch gerne mit der der kommunistischen Partei in Kerala verglichen, die seit ihrem Bestehen wiederholt die lokal Regierung gestellt hat und insbesondere in ihren Anfangstagen geholfen hat krasse Formen gesellschaftlicher Ungleichheit zu überwinden.
Um mehr über die ökologische Bedeutung von Communist Pacha in Kerala zu erfahren, habe ich den den Biologen TV Sajeev vom Kerala Forest Research Institute interviewt. Er beobachtet zusammen mit seinem Team die Ausbreitung invasiver Pflanzenarten in Kerala und entwickelt Empfehlungen und Steuerungsmaßnahmen. Zunächst machte er deutlich, dass das Communist Pacha, wenn dann nur im Wald ein Problem sei, da es in Siedlungsnähe von den Menschen genutzt wird, z.B. als Medizin zur Wundheilung oder eben beseitigt wird, wenn es überhand nimmt. Diese Regulation gibt es im Wald nicht. Panisch ist er bezüglich Chomolaena odorata trotzdem nicht, vielmehr beobachtet er, dass die Pflanzen inzwischen selbst von anderen Neophyten, also eingeschleppten Arten, verdrängt wird. Ich hatte tatsächlich Schwierigkeiten die Pflanze in größeren Populationen zu finden. Am Wegesrand in den Wäldern um Thrissur, wo mir gesagt wurde, dass sie weit verbreitet sei, fand ich sie kaum. Bedeutende Populationen konnte ich nur auf der Kochi vorgelagerten Insel Vypin und auf der Insel Kakkathuruthu finden.
Am Ende meines Gesprächs mit TV Sajeev verwies er darauf, dass illegaler Bergbau in Kerala immer wieder zu Landerrosion und Erdrutschen führt, die Häuser und Lebensräume zerstören und das er und seine Mitarbeiter*innen begonnen haben diese Aktivitäten zu kartographieren. Für die Menschen in Kochi und auf den umliegenden Inseln ist der steigende Meeresspiegel die größte Bedrohung in der Zukunft. Das kommunistische Unkraut am Straßenrand störrt die meisten Menschen also nicht weiter.
Meine Arbeit ist noch nicht abgeschlossen und ich werde die nächsten Monate meine Foto- und Videoaufnahmen editieren, so wie meine Recherchen fortführen, um dann meine fertige Arbeit in der Pepper House Residency Ausstellung im Rahmen der Kochi-Muziris Biennale im Dezember 2020 zu präsentieren. Ich möchte mich ganz herzlich beim Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan, namentlich bei Dr. Claus Heimes, Maureen Gonsalves und Riya Matthew und dem Team der Kochi Biennale Foundation, dort insbesondere bei Jith Joseph und Gautam Das für die tolle Unterstützung bedanken.