Knapp acht Wochen Indien, das klingt nach wenig und viel zugleich: Zu kurz um dieses riesige Land gründlich kennenzulernen und dennoch eine Zeit, die sich facettenartig auffächernd eine anwachsende Fülle täglicher Details einem ins Gehirn und in die Seele legt.
Indiranagar war das Viertel in dem ich untergebracht war, und während es eindeutig zu den „besseren Gegenden“ zählte, unterschied es sich wesentlich von dem was man oder frau in Berlin darunter verstehen würde. Aber es unterschieden sich auch die Bäume, die Sounds, die Geschwindigkeit, der Glanz, die Farben, die Wegstrecken, die Düfte und die Sprachen. Eine der größten Überraschungen war, dass Bangalorianer untereinander meist Englisch sprechen. Indien hat über einhundert verschiedene Sprachen, und es ist eben nicht selbstverständlich, dass der nächste Mensch neben Dir auf der Straße aus dem gleichen Sprachraum stammt.
Ich war von dem Media und Arts- Kollektiv Maraa eingeladen worden, zu ihrem Projekt „I Live Here“ beizutragen. “I Live Here“ erforscht Zusammenhänge und Neudefinitionen von Identität, Gender, Sprache und Lokalität im urbanen Raum. Die Mitglieder des Kollektivs arbeiten situativ, als Performer*innen, Radiomacher*innen und als Veranstalter*innen von Konzerten und Happenings.
Ich fühlte mich also sofort sehr wohl mit Ekta und Angarika, Yashu, Ram und Anushi, doch gerade aufgrund der Vielschichtigkeit ihrer und meiner Tätigkeiten (auch: botanische Exkursionen) kam es ab und an auch zu geringfügigen Verwirrungen. Vielleicht ist es eine „typisch deutsche“ Eigenschaft, eine Idee geradewegs in Angriff zu nehmen, vielleicht ist es dies auch nicht. Auf Wunsch von Maraa sollte ich im Rahmen von „I Live Here“ mit einer kleinen Gruppe von Student*innen (von Jura bis Kunst) zum Thema Sound und Identität arbeiten. Die gerade Linie ist jedoch in Indien nicht der kürzeste Weg. So hatte keine der TeilnehmerInnen bislang mit Aufnahmegeräten zu tun gehabt. Gauri Lankeshs Ermordung beschäftigte gerade die Öffentlichkeit, die Medien und auch die Gemüter meiner Student*Innen: Wir besuchten eine der extensiven Kundgebungen im College Park, machten Tonaufnahmen oder schrieben unsere Eindrücke nieder.
„The Megaphone Guerilla“, unsere poetische Straßenperformanceserie, stand im Lichte dieser neuen Texte und auch eines neuen, persönlichen Umgangs mit Öffentlichkeit. Ekta und ich kauften Megafone – eine hochinteressante Einkaufstour, das „Elektro-Viertel“ des Krishna-Markts! –, wir hatten anderthalb Termine für Proben und dann ging es gemeinsam mit unserer kleinen Gruppe auf zur ersten Metrostation (von insgesamt vier), um dort Sang und Klang unter die Leute zu bringen.
Zwischen all dem: Exkursion ins botanische Paradies von Gurukula in den Ghat Mountains der Provinz Kerala, also abenteuerliche Zugreisen, Busreisen und Jeeptransporte. Interviews zur hortikulturellen Szene in Bangalore mit Poonam Bir Kasturi von Daily Dump, Richard Gomes von Workbench-Project in Halasuru und Suresh Jayaram von der Galerie Shanthi Road. Sowie eine Fahrt nach Tirur zu dem ayurvedischen Garten von Kottakal angelegentlich eines Selbstversuchs im Ghandian Health Hygene Home, das großen Wert auf Kokosmilchmassagen, Naturverbundenheit und Pflege des örtlichen Liedguts legt.
In Indien: das Unmögliche wird einfach, das scheinbar Einfache wird sonderbar kompliziert: Über eine Woche dauerte es um einen Termin zu dem Besuch und ein Interview mit dem Direktor der Gärten zu bekommen – um zumindest festzustellen, dass eine Kommunikation über lateinische Pflanzennamen möglich ist: Nicht immer sprechen alle Menschen fließend English.
Noch während meines Aufenthalts im Kokoskuckucksheim begannen die Vorbereitungen für „Resounding Bangalore“, der für Ende Oktober geplanten Abschlussperformance. Komposition, Aktion, und Radio, alles in einem, als Location ein privates Heim (I live here!). Mehr oder weniger zeitgleich arbeitete ich an der Dokumentation unseres Megaphone Guerilla Walks, die dann auch pünktlich auf dem Tisch lag.
Die
bangaloResidency war eine ausgesprochen intensive Zeit... auch anderthalb Monate nach meiner Ankunft in Berlin klingen die Eindrücke noch nach. Die Zusammenarbeit mit maraa hat meine künstlerische Arbeit in großem Umfang bereichert. Von unschätzbaren Wert war da die Tatsache, dass Ekta, Angarika, Yashu, Anushi und Ram über ein Netzwerk an Freundschaften und Kontakten verfügten, das eine einfache Reisende so schnell nie aufbauen könnte. Was immer ich benötigte: Sie hatten eine Idee zur Umsetzung und eine Telefonnummer. Vor allem hatten sie auch eine Registrierung bei den indischen Bus- und Bahngesellschaften, die nötig ist um Tickets online zu kaufen.
Weiterhin bin ich dem Goethe-Institut sehr dankbar für die exzellent organisierten Ausflüge und die Unterstützung durch die Buddies, in meinem Fall Nandita, die bei allen anderen organisatorischen Fragen für mich da war.
Indien ist „augmented reality“, eine erweiterte Realität, die weit über das hinausgeht, was einem, auch als Künstlerin, sich sonst so in Mitteleuropa über die Sinne und Dimensionen einprägt. Ich bin dem Arts und Media Collective maraa und dem Goethe-Institut, darunter vor allem Maureen Gonsalves und Claus Heimes, für ihre Einladung außerordentlich dankbar und kann mir sehr gut noch spätere Kollaborationen vorstellen. Auf meinen Festplatten lagert Material für einige Radiosendungen und Kompositionen, vorerst jedoch kann man die Dokumentation
„The Megaphone Guerilla“ auf academia.edu anschauen bzw herunterladen. Auch im Rahmen meines Berliner/internationalen Projekts
Datscha Radio werden sich Beiträge und Interviews zu den Hortikulturen Indiens abrufen lassen.
Namasté!