Henrik Schrat bangaloREsident@Srishti School of Art, Design & Technology
Henrik Schrat wurde 1968 geboren. Er studierte Bühnenbild und Malerei in Dresden und schloss einen MA in Fine Art Media in London an der Slade School ab. Von 2006 – 2011 promovierte er an der Essex Business School über Formen visuellen Erzählens im Kontext von Organisationen. Seit 1995 Ausstellungen und Projekte.
Schrat arbeitet mit verschiedenen Formen visuelles Erzählens. Er greift dabei gern auf traditionelle Techniken zurück, wie Intarsien, Schattenrisse oder Bildrollen. Diese Techniken mit ihrer kulturellen Aufladung werden zeitgenössisch interpretiert. Es entstehen narrative Graphiken, illustrationsnahe Formen und großformatige Wandbilder.
Recherchen gehen Schrats Projekten voraus, die soziale, politische und besonders ökonomische Wirkmechanismen erforschen. Diese Konstellationen werden in der künstlerischen Arbeit als tragende Konfiguration in metaphorische, erzählerische Oberflächen eingearbeitet. Gern werden populäre
Geschichten aufgegriffen, von Märchen über Raumschiff Enterprise bis zu Harry Potter. Das geschieht unterhaltsam, fabulierend und gern auch humoristisch. Ein niedrigschwelliger Zugang zu den Arbeiten ist Schrat wichtig.
Zentrale Bücher sind ein Comic über die Börse, der auf 40 Interviews basiert: Die Erscheinung der Phantasie (2000, Verlag der Kunst), myGeld, nach einer Radiosendung mit Stefan Heidenreich bei reboot fm, 2004, die Serie One Day Comics und eine Graphic Novel, die Interviews des amerikanischen Künstlers Dan Graham in eine Bildgeschichte einbaut: Wild Things are Going to Happen (2013, East Side Projects, Birmingham). Im Suhrkamp Verlag erschien 2012 Belinde, drei Märchen von Sophie Tieck mit in den Text eingebauten Zeichnungen (courtesy siebenhaar art projects). 2016 erscheint Bergenroth, eine Kooperation mit der Historikerin Ursula Naumann, über einen Sozialutopisten des 19. Jh.
Einen wichtigen Teil seiner Arbeit machen ausgedehnte narrative Wandbilder in Silhouettenform aus. So im Forum Ludwig in Aachen (2005/06) oder im MOCCA in Toronto (2007) oder im Bethanien Berlin (2014). Eine zentrale Arbeit ist seine Wandmalerei unter den Titel Milch und Honig (2005) für einen Speisesaal (Casino) im Deutschen Bundestag im Paul Löbe Haus (courtesy siebenhaar art projects). In Milch und Honig wird das Märchen vom Schlaraffenland aufgegriffen, und dem Ort entsprechend aufgearbeitet.
Schrats Projekt für Bangalore schließt sich an seine Arbeit mit Intarsien an. Eine Bildtechnik, die in ihrer Materiliät und Herstellung mit ihrer analogen Langsamkeit im Jahr 2016 als subversiv zu bezeichnen ist. Das Aufeinandertreffen von traditionellem Handwerk und HighTech ist in Bangalore exemplarisch wahrzunehmen. Im Spannungsbogen von taktiler Qualität, körperlicher Wahrnehmung und Dimension, räumlicher Umgebung einerseits und technologischen Dimensionen und Herausforderungen andererseits wird sich Schrats Projekt entwickeln.
Abschlussbericht
Da sitze ich unter dem Weihnachtsbaum in Berlin, und lese und benote die Abschlussarbeiten meiner Studenten, die ich bis vor 3 Tagen in Bangalore unterrichtet habe. Nachhall der Unruhe hängt noch schwer im Kopf. Der Lärmteppich, den Bangalore im Hintergrund entfaltet, das permanente Hupen, der Verkehr oder quietschende Vögel fehlen: Ich komme mir mitten in Berlin vor wie auf dem Dorf.
Der Lärm und das Chaos waren es natürlich auch, die mich in den ersten zwei Wochen manchmal an den Rand des Wahnsinns gebracht haben, nachdem der Abenteuer–Modus nach 4 Tagen abgenutzt ist. Aber man gewöhnt sich dran, lernt es lieben, und ich hätte jetzt gut auch noch ein paar Monate bleiben können, und die Projekte realisieren, die im Kopf und im Herz hängen. Freundschaften entstehen, man kennt sich mit Gepflogenheiten und Habits aus, weiß was wo zu finden ist: Ich glaub, ich könnte dort arbeiten. Roggenbrot mit Hausmacher Leberwurst müsste dann allerdings immer mal eingeflogen werden, selbst das so leckere indische Essen kann das Bedürfnis danach nicht aufhalten.
Die bangaloREsidency dauerte 6 Wochen und die Betreuung durch das Goethe-Institut war herausragend, das muss ich ganz klar sagen. Vielen vielen Dank. Die Einführungswoche hat einen guten Überblick über die Kulturszene der Stadt gegeben und das Backup durch die sog. Buddies, wenn es mal Fragen gab, war hilfreich und entspannend.
Was sich außerhalb des Zugriffs des Goethe-Institutes befindet, ist die Zusammenarbeit mit dem Host. Da ist ein komplett anderer, neuer Kooperationspartner, mit dem man selbst klar kommen muss und er wird sich dann als primärer Ansprechpartner entwickeln, Goethe hat lediglich den Rahmen zur Verfügung gestellt.
Ich habe mit dem Srishti Institute for Art Design and Technology gearbeitet. Srishti ist eine sehr gute, relativ junge Universität, die wächst und im Wesentlichen hält, was die Website verspricht. Indische Organisation läuft natürlich etwas kurzfristiger und mit mehr Elastizität, da muss man entspannt bleiben, aber es fanden sich immer Wege. Innerhalb dieser Prämissen ist Srishti sehr gut organisiert, mir wurde ein Member of Faculty zur Seite gestellt, der das gesamte organisatorische Backup machte. Sristhi hat eine beeindruckend breite Aufstellung an Departments, es gibt Dinge wie 'Oral History' und 'Critical Theory'.
Ich war im sogenannten 'Interim' hier, für einen Monat haben Studenten keinen regulären Unterricht, sondern sind vertiefend an einem Projekt full time tätig, das zum Abschluss ausgestellt wird. Ich leitete eines dieser (insgesamt etwa 20) Projekte, in unserem Team waren 18 Studenten.
Hier sind wir auch an den kritischen Aspekten. Das war sicher ein erfüllendes Erlebnis, wir waren zum Schluss wie eine große Familie. Ich werde sie alle vermissen. Aber ein Monat full-time-teaching, jeden Tag von 9.00 – 16.00 plus über eine Stunde an-und Abreise, dann Unterrichtsplanung für den nächsten Tag oder Nacharbeit, das ist allerdings ein Monster. Die anfängliche Idee, ein eigenes Projekt zu realisieren hat sich als utopisch herausgestellt. In einer Zusammenarbeit mit Srishti darf man nicht davon ausgehen, eigene Arbeit zu realisieren, sondern hat viele Freiheitsgrade – aber als Lehrknecht mit extremen Energydrain. In dem Sinne bin ich recht traurig. Ich komme mit vielen Ideen zurück, aber konnte sie nicht realisieren, und jetzt brechen wieder Ausstellungen, Familie, Geld verdienen über mich herein: Da wird kaum Luft sein, daran anzuknüpfen. Wenn ich im Ausland arbeite, gehe ich davon aus, dass ich entweder substantiell Geld mit zurückbringe und/oder ein verwertbares Projekt in der Tasche habe, und beides ist leider diesmal nicht der Fall.
Die Arbeitsweise der indischen Studenten ist nicht so unabhängig, wie man das von Europäischen Universitäten gewohnt sein mag, sondern erfordert mehr strukturierte Aufgabenstellungen, die müssen klar sein und mit Zeitrahmen versehen. Ich irrte dahingehend mehrfach bei der Unterrichtsplanung. Die Idee, nur alle zwei Tage präsent zu sein, und zu sehen wie es läuft, war utopisch. Präsenz ist wichtig. Auch das mir sonst vertraute System des 'Tutorials geben', d.h. Studenten kommen zu mir und wir sprechen über ihre Arbeit hat ebenso wenig funktioniert. Immerhin haben die Studenten in der zweiten Hälfte der Zeit relativ frei eigene Projekte im vorgegebenen Rahmen entwickelt, und das zu erreichen war ich recht stolz.
Alles in allem eine ganz großartige wichtige Erfahrung. Besonders interessant, waren natürlich die Querverbindungen zu anderen Lehrkräften an der Uni, interessante Menschen, und ich hoffe, dass ein paar Kontakte sich erhalten werden. Von der Sache her würde ich an dieser Universität sofort wieder unterrichten, wenn man sich auf einen kleineren Zeitrahmen oder Bezahlung einigen könnte.
Ich werde Bangalore vermissen, danke nochmal an alle, die mir geholfen und Dinge gezeigt haben. Wo es die besten Currys und Dosas zu essen gibt, welcher Supermarkt Kreditkarten nimmt, und wie man mit UBER Taxi fährt. Ich arbeite noch am Kopfwackeln. Hat mir gestern beim Kebabkauf in Berlin allerdings nicht geholfen.... ((-:
Der Angstgegner, der mir zum Glück nichts anhaben konnte, und dafür bin ich dankbar: Die Gehwege, wenn man diese Steinlandschaften mit ihren Treppen, Absätzen, Geröllhalden und Löchern denn so nennen will. Dass ich mir im Dunkeln oder am Tag nie den Fuß gebrochen habe, oder in einem Loch verschwunden bin, rechne ich den indischen Göttern hoch an.
Danke und auf bald mal.