In ihrer freien künstlerischen Arbeit setzt sich die Fotografin Laura Fiorio (*1985 Verona, Italien) mit bewohnten Landschaften und ihren Transformationen auseinander.
Besonderen Fokus legt sie auf Themen wie Wohnen, menschliche Geographie und persönliche Archive, in denen private Räume die weiter gefasste öffentliche Umgebung reflektieren. Ihre Herangehensweise wächst aus einem Interesse für Kunst in der Öffentlichkeit und der Rolle der Fotographie als Träger für Veränderung. Ihre Projekte befassen sich mit Umstrukturierung, Gentrifizierung, Zwangsumsiedlung von Menschen und Örtlichkeiten, beide mit lokaler wie globaler Bedeutung. Für Fiorio sind das alltägliche Leben und das Entwickeln von kollektiven und partizipativen Projekten bei welchen sich die Beobachtung in interaktive Performances wandelt zentrale Themen. Mit Zuversicht in die Kraft der Fotographie, in deren Fähigkeit zu kommunizieren und als Werkzeug zur Verbindung, Entdeckung und Reflektion positioniert sie ihre Arbeit oft im Kontext von Sozialen- und Bildungszwecken.
Nach ihrem Studienabschluss 2010 in Performing Arts, Visueller Kommunikation und New Media Arts an der IUAV und der Academy of Fine Arts in Venice mit einem Zwischenjahr 2009 in Film und Interaktiven Medien an der Middlesex University in London begann Fiorios professionelle Karriere in der Film- und Fotographieproduktion zwischen Berlin und Venedig, wo die Künstlerin bis heute lebt und arbeitet. Unter anderem war sie als freischaffende Dokumentar-Fotografin für Museen und kulturelle Institutionen wie das Haus der Kulturen der Welt, ZKU, die Venice Biennale tätig und hat als Produktionsassistentin für renommierte Kunstschaffende und Forschende wie Francesco Jodice, Armin Linke, Elmgreen & Dragset gearbeitet.
2015 erhielt sie den Master in Kunst und sozialer Arbeit der Alice Salomon Hochschule in Berlin, durch welchen sie anfing schulische multimedia-Projekte in Gefängnissen, Geflüchteten- und in Obdachlosen-Unterkünften umzusetzen.
Eines ihrer Langzeit-Forschungsprojekte «La border curios» dreht sich um postkoloniale Städte und setzt sich im speziellen mit Themen wie Grenzen und Migration auseinander. Der Beginn dieses Projektes wurde Fiorio dank eines Studienaufenthaltes in Tijuana 2017 durch das Goethe-Institut und Relaciones Inesperadas ermöglicht. Das Projekt «La border curios» lotet in Zusammenarbeit mit Studierenden und Deportierten die Bedeutung von Grenzen als physische aber auch fiktionale geographische Teilungen zwischen Ländern und Nationen aus und die Auswirkungen dieser menschlichen Erfindung «Grenze», welche auf Teilung statt Gemeinschaft abzielt. Mit dieser fiktiven Vorstellung unterstreicht Fiorio die Mutation und Absurdität und begeht die Gratwanderung zwischen dem Dokumentarischen und der Fiktion.
In Bangalore wird sie sich am MOD Institute mit lokalen Strategien auseinandersetzten und der Wahrnehmung des urbanen und öffentlichen Raumes in einer postkolonialen Stadt, welche sich rasant entwickelt und ausdehnt. In ihrer Recherchearbeit wird sie Bilder aus privaten Archiven sammeln und mit Ortsansässigen einen gemeinsamen Fundus von Bildern des Alltags in einer vor Ort ausgewählten Nachbarschaft aufbauen.
Abschlussbericht
Die BangaloREsidency war eine großartige Erfahrung, die mich mit vielen Eindrücken von Orten und Menschen bereicherte, die ich auf meinem Weg getroffen habe.
Es war ein Wissens- und Kulturaustausch der auf natürliche Weise geschieht, wenn man ein neues Land besucht. Die Art und Weise wie das Team und das Netzwerk der am Projekt beteiligten Personen die Gruppe der Residenten ins lebendige, kulturelle Leben von Bangalore willkommen hießen, verhalf uns zu einem tieferen Einblick in die Stadt.
Es war auch sehr sympathisch, in einer Gruppe von Menschen aus Deutschland zu sein, da neue Kooperationen und Freundschaften, nicht nur mit Einheimischen, sondern auch zwischen den Residenten entstanden und ein transversales, internationales und transmediales Netzwerk zwischen Künstlern aus verschiedenen Disziplinen und Ländern aufgebaut wurde.
In den ersten Tagen begleiteten uns unsere Gastgeber und stellten uns vielen Leuten vor, die in Vereinen, Institutionen, Schulen, Galerien und Theatern in der Stadt arbeiten. Wir waren also gemeinsam in die lokale Szene eingetaucht und haben mit so vielen potentiellen Kooperationspartnern wie möglich Kontakt aufgenommen.
Für mich war es auch sehr wichtig, meine eigenen individuellen Erfahrungen zu machen und ein lokales Netzwerk außerhalb der Kunstszene aufzubauen, da meine Forschung hauptsächlich von der Straße ausgeht. Deshalb bin ich den Rest der Zeit flaniert und herumgelaufen, um nach Inspirationen zu suchen und mich während meines Aufenthalts auf ein Projekt zu konzentrieren.
Die Arbeit an Gentrifizierung und Stadtentwicklung führte mich in die Außenbezirke der Stadt, wo ich Stadtteile und Orte sah, die die meisten Einheimischen überhaupt nicht empfehlen würden und um Gemeinschaften zu treffen, die von Vertreibung bedroht sind oder in informellen Architekturen lebten, mit allen Problematiken, die mit dem Thema verknüpft sind.
Was mich beeindruckte, war die Großzügigkeit und Neugier der Menschen, die ich traf. Alle begrüßten mich in ihren Häusern, obwohl sie mich zum ersten Mal sahen. Alle beobachteten mich aufmerksam, wahrscheinlich fanden sie mich sogar komisch und seltsam, exotisch sozusagen, und stellten Fragen über mich und den Ort woher ich komme.
Dieser gegenseitige Austausch war für mich der beste Weg, um die soziale und urbane Infrastruktur in Indien zu entdecken. Gleichzeitig gab er keine Antworten, sondern provozierte noch mehr Fragen nach dem Widerspruch zwischen den Kulturen und Perspektiven.