Laura Klatt, geboren 1984, lebt in Berlin. Nach einer Ausbildung als Jugend- und Heimerzieherin und einem längeren Aufenthalt in Mexiko arbeitete Laura Klatt von 2009 bis 2015 am GRIPS Theater. Neben der Betreuung von Produktionen des GRIPS Theaters lag ihr Schwerpunkt in der Stückentwicklung mit Jugendlichen und bei der außerschulischen Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in und um das Theater herum. Das von ihr mitentwickelte und ausgeführte interdisziplinäre Theaterprojekt "Schatzsuche" wurde 2011 mit dem "Kinder zum Olymp"-Preis ausgezeichnet.
Innerhalb ihrer Arbeit am Theater kreierte und entwickelte sie zudem Formate wie BONUSTRACK, eine Open Stage, in der sich Profis und Jugendliche begegnen. In Kooperationsprojekten wie den "kulturhappen" brachte sie Akteure der Stadt, wie beispielsweise SLOW FOOD YOUTH und das Theater zusammen. Sie war Teil des kreativen Leitungsteams des renommierten "berliner kindertheaterpreis 2015" von GRIPS und GASAG. Daneben baute sie die Kampagne MY RIGHT IS YOUR RIGHT mit auf, zur Unterstützung des politischen Protests von Non-Citizens durch Berliner Kulturinstitutionen.
Wie schon in ihrer Abschlussarbeit („Warum wird kein Theaterzwang eingeführt? Wenn jeder Mensch ins Theater gehen muss, wird die Sache gleich anders!“) an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, an der sie während ihrer Tätigkeit am GRIPS Theater "Kultur – und Medienmanagement" studierte und 2014 ihren Abschluss machte, fokussiert sich Laura Klatt auf die Frage, wie Menschen der Weg ins Theater geebnet werden kann und wie sie Theater für sich nutzen und genießen können. Es geht ihr darum, Theater als öffentlichen Raum zu verstehen, in dem durch das Theater-Sehen und Selber-die-Bühne-Betreten Bewußtseinsprozesse im Individuum und in Gruppen initiiert werden.
Seit 2009 arbeitet sie als Workshopleiterin mit zahlreichen Autor*innen im Rahmen des "Internationalen Literaturfestival Berlin" und dem “Poesiefestival” zusammen.
2015 war Laura Klatt Stipendiatin des Internationalen Forum beim Theatertreffen. Im selben Jahr machte sie sich mit dem Künstler*innenkollektiv Mixed Pickles selbstständig. Mixed Pickles konzentriert sich auf die Produktion von Dokumentarfilmen, die Entwicklung von multidisziplinären Formaten und die Organisation von Veranstaltungen die einen interkulturellen Dialog befördern. Mixed Pickles bietet Raum für Zusammenkünfte unterschiedlicher Menschen genauso wie Disziplinen. Es ist Austragungsort für Recherchen, Experimente, Trails & Errors und Utopien. Genauso aber für handfeste Tatsachen und Bilder. Es geht um das Hier und Jetzt, aber auch um das was daraus folgt. Und überhaupt wo kommt das alles her? Was alles möglich ist, ergibt sich durch die Menschen die zusammen kommen. Durch das Offenlegen von Grauzonen und das genauer Betrachten von scheinbar Alltäglichem wird das oft Übersehene in das Zentrum der Beobachtungen gestellt. Darüber wird versucht die Mechanismen von Vorurteilen zu dekonstruieren, genauso wie Stereotype aufzubrechen, indem Menschen und Situationen in ihrem Facettenreichtum dargestellt werden. Es geht darum Risiken einzugehen, sich kritisch zu verhalten ohne dabei zu moralisieren und destruktiv zu erscheinen. Die Diversität genauso wie die Individualität zu feiern ist Antrieb von Laura Klatt und dem Künstler*innenkollektiv Mixed Pickles.
Abschlussbericht
Zweieinhalb Monate Bangalore
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde und hatte auch vorab beschlossen, mich nicht zuviel zu informieren, nicht alle Reiseberichte zu lesen, mir keine Bücher zu besorgen, keine Filme anzuschauen. Ich wollte sehen, wie dieses mir fremde Land auf mich wirkt und insbesondere diese Stadt, die nun zweieinhalb Monate mein Zuhause sein sollte.
Ich hatte längere Zeit in Lateinamerika gelebt, Großstädte wie Mexico City waren für eine Weile mein Zuhause, somit erschrak mich die Vorstellung einer fremden, großen Stadt nicht unbedingt. Doch muss ich eingestehen, trotz allem gereist sein, hatte ich kein Gefühl zu Indien. Trotz aller eigener Zurückhaltung, mich vorab auf Indien zu sehr „vorzubereiten“, wurden ständig Bilder und Informationen an mich herangetragen, auf was ich zu achten hätte, was ich unbedingt zu essen probieren sollte, was mir ganz sicher passieren würde und überhaupt, dass ich als Frau bitte sehr vorsichtig sein sollte. Ich hatte vorab so viele Warnungen, Prophezeiungen (Ja, Christoph, du hattest Recht, am Ende habe ich mir doch noch den Magen verdorben), schöne Erinnerungen zu hören bekommen, doch selbst entstand kein eindeutiges Gefühl.
Und auch nach dieser Zeit ist es wichtig zu erwähnen, dass ich zwar behaupten kann nun einen Teil von Bangalore zu kennen, dies aber noch lange nicht bedeutet, dass ich Indien kenne. Dieses Land ist einfach riesig. So vielfältig und ja, auch so viele Menschen. In Bangalore angekommen, tauchten schnell zwei Gefühle auf; einerseits, „da kommt mir doch vieles bekannt vor“ und andererseits, „das ist unglaublich anders als alles was ich bisher gesehen und erlebt habe“. Bis jetzt fällt es mir schwer, genau zu definieren, was diese zwei Pole ausmacht. Bestimmt ist es einerseits der technologische Fortschritt, den man in dieser Stadt spürt, ausgenommen das immer wieder zusammenbrechende Internet, und andererseits die Armut und das sehr ländliche Leben, das dazu in einem für mich unglaublichen Kontrast steht. Auf der einen Seite, Bars und Restaurants über den Dächern der Stadt, die an Ambiente und Preisen in keiner Weise Orten in Berlin oder anderen Städten ähnelt und dann auf der Straße, die Menschen in Blechhütten lebend, teilweise direkt oder neben riesigen Müllbergen auf offenem Feuer ihr Essen zubereiten. Wahrscheinlich denken sich nun viele „klar, Indien ist ein Land in der Entwicklung, was hat sie erwartet?“ Ich habe nichts erwartet und konnte so nur mit dem Umgehen, was mich empfing und das war für mich viel Neues.
Schon vor Beginn meiner Residenz war mit meinen Hosts vereinbart, dass wir erst nach meiner Ankunft entscheiden würden, wie unsere gemeinsame Arbeit aussehen würde und ich muss sagen, dass diese Entscheidung für mich genau richtig war, da ich auf so die Auswirkungen, die die Stadt auf mich und mein Denken und Fühlen hatte, reagieren konnte. Das Residenzprogramm lässt einem eine unglaubliche Freiheit bezüglich dessen, was produziert werden kann und auch wie es präsentiert wird. Das finde ich in einer Stadt wie Bangalore extrem wichtig, denn ich für mich finde es ist wichtig, das was der Ort in einem Auslöst aufzugreifen, einzuarbeiten in die Arbeit.
Es ist keine Stadt, die übersprudelt vor kulturellen Angeboten, die viel Input durch Ausstellungen, Konzerte und Theater bietet. Es gibt beeindruckende Menschen, die sich um die Kulturlandschaft kümmern, diese gestalten, doch ist diese Gruppe von Menschen, in einer Stadt, die in einem unglaublichen Tempo gewachsen ist und das auch eher im IT Bereich, immer noch sehr überschaubar, die Einflüsse mit denen man konfrontiert wird, eher das alltägliche Leben sind, was ich für meine Arbeit ziemlich beeindruckend fand. Wie seinen Platz finden in einer Stadt, an der es an öffentlichen Plätzen so mangelt, ein unglaubliches Hetzen herrscht, die Stadt bestimmt wird, vom täglichen zur Arbeit und wieder nach Hause kommen. Diese „Reisen“ unglaublich viel der Zeit einnehmen, und dann dazu auch immer der unglaubliche Sound und die Gerüche.
Für mich war die Zeit in Bangalore eine beeindruckende, insbesondere mit Blick darauf wirklich die Stimmung einer Stadt aufzugreifen. Ich bin auf Hochhausdächer gestiegen, um einen Blick über diese Stadt zu gewinnen, die mir oft vorkam wie ein ausuferndes Wesen, in dem ich mich selbst verliere, habe den Sound der Straße zu unterschiedlichen Tageszeiten aufgenommen, um zu verstehen, wie sie klingt, habe den Geruch mit geschlossenen Augen auf der Straße eingesaugt um die Zutaten dieser Stadt zu erfassen.
Das wichtigste innerhalb meiner Zeit in dieser Stadt waren aber die Menschen und ihre Geschichten. Ich bin unter anderem mit dem Fahrrad auf die Straße und habe Kartoffelsalat gegen die Geschichten der Menschen getauscht. Ich habe eine Tischgesellschaft für einen Abend kreiert, habe sich bis dahin fremde Menschen zum gemeinsamen Essen eingeladen, habe mit anderen KünstlerInnen der Residenz ein „pop up Restaurant“ unter einem Flyover für einen Abend eröffnet und die Menschen haben beim gemeinsamen Essen ihre Geschichten erzählt und gemalt. Ich habe mit Menschen der Stadt Walks durch ihre Viertel unternommen und so den Straßenecken, Plätzen und Häusern persönliche Geschichten zugeordnet. So ist nach und nach eine Map aus persönlichen Geschichten von Bangalore entstanden. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen, all meine Fragen, schienen sie auch noch so profan und ja vielleicht naiv, wurden mir mit Ruhe und Ehrlichkeit beantwortet. Meine fragenden Blicke, „Warums“ und oft auch wütende oder verzweifelte Momente über herrschendes Chaos oder das was ich als ungerecht empfand wurden nicht zur Seite geschoben, sondern es wurde diskutiert.
Somit ist für mich Bangalore nun eine Stadt, die in ihrem eigenen Tempo nicht hinterherkommt, scheinbar unter Schock steht über die vielleicht zu schnelle Entwicklung, die hier von statten ging und immer noch geht, beeindruckenden Menschen, die versuchen in diesem quirligen Moloch, etwas zu säen, zu stabilisieren, Orte zu schaffen, an denen gemeinsam Kreatives entstehen kann. Diese Menschen haben für mich die Stadt geprägt und mich tief berührt.
Ich kann jeder/m nur empfehlen, mal in diese Stadt zu reisen, wahrscheinlich nicht zum Urlaub machen, sondern zum Austausch mit diesen Menschen, seien es Nimi und Shiva von Sandbox Collective, die Leute von Jagar, 1 Shanthi Road, genauso wie kleine Kollektive wie Forager.
All diese Menschen, sowie viele andere auch, die hier nun nicht namentlich erwähnt sind, aber genauso tolle Arbeit leisten, stellen sich nicht gegen die Entwicklungen die unumgänglich sind, sondern schaffen Räume an denen „Anderes“, möglich ist, lassen neue Gedanken und Ideen wachsen, bieten diese Orte.
Danke auch an das Goethe Institut, das mit seinen fantastischen MitarbeiterInnen eine tolle Anlaufstelle war und allen Ideen wohlwollend gegenüber stand und ermöglichten, dass ich in diese Stadt eintauchen konnte und immer, wenn ich mal wieder dachte keine Luft mehr zu bekommen, mit einem Schnitzel im Café Max warteten.