Martin Lutz bangaloREsident@Attakkalari Centre for Movement Arts
Martin Lutz hat Klangkunst an der UdK Berlin und Musikwissenschaft an der LMU München studiert. Er arbeitet als Komponist, Musiker und Klangkünstler für Tanz, Performance, Theater, Installationen und Film.
Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die Auseinandersetzung mit Klang und dessen Bedeutung und Beschaffenheit im und für den Raum. Field Recordings und experimentelle Klangerzeugung sind die Basis der Kompositionen, die Klänge und Soundscapes ihrer natürlichen Umgebung entreißen, um sie in einen neuen inhaltlichen und räumlichen Kontext zu bringen.
Martin Lutz wurde von Attakkalari Centre for Movement eingeladen, Klangkonzept und Komposition für die Tanztheater Produktion "Bhinna Vinyasa – Multiple Assemblages" zu erarbeiten und zu realisieren. Uraufgeführt wird die Performance auf der Attakkalari India Biennial 2017.
Im Rahmen der bangaloResindency 2014 Deepa hat er bereits an Teilen der Performance gearbeitet.
Ausgangspunkt des künstlerischen Prozesses ist die Betrachtung orts-spezifischer urbaner Entwicklungen Indiens und deren sozialen und kulturellen Transformationen und Auswirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft. Ziel ist es, eine Klangsprache zu finden, die typische urbane Milieus und deren zugrunde liegende Dynamik charakterisiert. Dies wird in enger Zusammenarbeit mit Musikern aus Bangalore, aber auch mit Video- und Lichtkünstlern aus Europa geschehen, um einen performativen Weg zwischen (Klang-)Installation, (Sound-)Performance und Musik für zeitgenössischen indischen Tanz zu entwickeln.
Abschlussbericht
Für eine Kollaboration mit dem Attakkalari Center for Movement Arts ermöglichte es mir das Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan gleich zwei Mal für längere Zeit nach Bangalore zu kommen. Zunächst von Ende September bis Ende Oktober 2016 und abschließend von Mitte Januar bis Mitte Februar 2017.
Am 6. Februar wurde die Performance Bhinna Vinyasa auf der Attakkalari India Biennial 2017 uraufgeführt. Der Premiere vorausgegangen ist eine sehr intensive Zeit der künstlerischen Auseinandersetzung und Zusammenarbeit mit den Kollaborationspartnern aus Indien, Italien und Spanien.
Unter der Leitung des künstlerischen Direktors des Attakkalari Center for Movement Arts,Jayachandran Palazhy, entstand Bhinna Vinyasa gemeinsam mit sechs Tänzern der Attakkalari Repertory Company, dem spanischen Dramaturgen Andrés Morte, dem italienischen Videokünstler Luca Brinchi, dem indischen Lichtdesigner Shymon Chelad, den indischen Musikern K.R.V Pulkeshi, Balasubramanya Sharma und P. Janardhana und mir, der ich für Komposition und Klangkonzept verantwortlich war.
Bhinna Vinyasa - a 'realm of changing configurations/assemblages', erkundet metaphysische Reisen, die durch innere und äußere Kräfte hervorgerufen werden, was zu tiefgreifenden Veränderungen im Leben von Individuen und Gemeinschaften führt. Das Stück basiert auf der indisch tradierten Idee von ātman (individuelle Seele) and paramātman (universale Meta-Seele), verknüpft mit den postmodernen Gedanken über die rhizomatischen Verflechtungen einer posthumanistischen Zukunft.
Gerade die Verschmelzungen indischer Traditionen (Tanz, Musik und Philosophie) mit einem zeitgenössisch globalen Bewusstsein und ästhetischem Anspruch machten die Komposition zu einer Herausforderung. Musikalisch basiert das Stück auf spezielle traditionelle Musik Indiens, Carnatic Jathis und Alaaps, komponiert und im Studio eingespielt von zwei Sängern und einem Perkussionisten aus Bangalore. Um die gegenwartsrelevante Idee der Performance mit der traditionellen Ästhetik der indischen Musik zu verbinden, versuchte ich Elemente der indischen Musik klanglich zu transformieren, sie im Sinne der Noise-Music zu zerstören oder einzelne
Elemente (z.B. rhythmische Strukturen) in einem komplett anderen klanglichen Kontext zu nutzen.
Die von mir verwendeten Klänge sind, neben der Stimme und der Trommel der indischen Aufnahmen, hauptsächlich field recordings von Transiträumen und akustischen Fundstücken Bangalores, Aufnahmen von Elementen wie Wasser, Holz, Metall und Luft, Aufnahmen elektromagnetischer Wellen des Silicon Valley of India und dekonstruierte und präparierte Musikinstrumente.
Das Resultat ist elektro-akustische Musik zwischen mehrkanaliger Klanginstallation, Soundscape und Noise.
Bhinna Vinyasa wurde co-produziert von Fabbrica Europa (Florenz) und hatte im Juni 2017 die Europapremiere in Florenz mit anschließender Tour durch Italien (Rom, Ancona, Mailand, Verbania).