Nora Bibel wurde 1971 in München geboren und lebt seit 1999 in Berlin. Für Ihre Arbeiten ist sie viel und weltweit unterwegs. Sie hat ihr Fotografiestudium in Bielefeld mit dem Diplom abgeschlossen. Neben ihren fotografischen Arbeiten unterrichtet sie als Professorin Fotografie (HMKW Berlin und BESTSabel). Ihre Arbeiten werden weltweit in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.
2009 kam sie für ein Buchprojekt für das Auswärtige Amt nach Vietnam und hat sich seitdem in ihren Arbeiten sehr auf Asien konzentriert. Themenschwerpunkte sind dabei vor allem unterschiedliche Aspekte der privaten und gesellschaftlichen Zeitenwende.
Ihr Ausstellungs- und Buchprojekt Heimat – Que Huong, das neben mehrfachen Solo- und Gruppenausstellungen auch in Hanoi von der Deutschen Botschaft präsentiert wurde, geht der Frage nach, wie sich der Begriff Heimat für vietnamesische Remigranten nach einem längeren Aufenthalt in einem Exilland ändert? Es sind stille, konzentrierte und präzise Bilder, die alltäglich erscheinen, dennoch allesamt arrangiert und dem Zeitfluss enthoben sind.
Mit einem Stipendium der VG Bild-Kunst war sie Anfang 2014 in Myanmar. Ihre Arbeit Myanmars Driving Force untersucht die Zeitenwende im Gesellschaftlichen und ihre Auswirkungen aufs Private anhand von ausgewählten Personengruppen, die aktiv an den Veränderungen in Myanmar beteiligt sind.
2014 war Nora Bibel bengaloREsindentin in 1Shanthi Road und fotografierte Großfamilien in Bangalore, Family Comes First.
Die Großfamilie (Joint Family) ist in Indien eine heilige Institution, die tief im hinduistischen Gedankengut verankert ist. In einer traditionellen indischen Großfamilie leben drei oder mehr Generationen unter einem Dach und alle teilen sich eine Küche. Die entstandene Portraitsammlung ist durchwegs in den Wohnzimmern der Familien arrangiert und inszeniert.
2016 ist Nora Bibel zurück in Trivandrum, Kerala und beschäftigt sich mit dem Innersten des Chala Marktes, Inside Chala. Der Markt wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Raja Kesavadas angelegt. Heutzutage ist der Markt immer noch gut besucht, allerdings verschwinden vor allem die alten Gebäude und auch viele Geschäfte, die seit Generationen in Familienbesitz sind. Nora Bibels Fotografien halten ein bisschen die Zeit an.
Abschlussbericht
„Freezing Frames of Chala“
Eineinhalb Jahre sind vergangen bis ich endlich den Zeitraum freischaufeln konnte, um erneut eine Residency unter der Obhut von Bangalore aber diesmal in Thiruvananthapuram in Kerala anzutreten. Was mich von dem Konzept der bangaloREsidency erwartete, wußte ich also diesmal schon im Voraus, was meine Begeisterung für das Programm absolut nicht geschmälert hat. Ich habe mich gefreut, wieder in „guten“ Händen zu sein.
Mein Projekt „Freezing Frames of Chala“, das ich bei meinem erneuten Aufenthalt umgesetzt habe, ist aus einem Gespräch mit dem Direktor des Goethe Zentrums in Thiruvananthapuram Dr. Syed Ibrahim entstanden, der mir 2014 ans Herz gelegt hat, mich mit dem Stadt- und Marktviertel Chala auseinanderzusetzen.
Chala wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts offiziell von Raja Kesavadas gegründet, dem Dewan von Travancore. Die Idee war, den Chala-Bazar zum Mittelpunkt der Warenlieferung an das Königreich der Travancore zu machen. Die Flüsse Killi und Karamana in der Nähe eigneten sich, um Waren zum Markt zu transportieren. Heutzutage ist der Bazar immer noch ein sehr umtriebiger Ort, der sich über circa 2 km2 erstreckt. Es gibt praktisch nichts, was nicht verfügbar ist in Chala, von Obst und Gemüse über Gold und Silber bis hin zu Farbe und Hardware.
Allerdings kann man seit einigen Jahren feststellen, dass viele der Familienunternehmen in der dritten Generation ihre Geschäfte schließen müssen und vor allem die historischen Gebäude langsam verschwinden. Die Einwohner der Stadt bevorzugen die komfortablen Supermärkte und größeren Shoppingmalls.
Während meiner täglichen Streifzüge durch das Viertel begleitete mich Anjali Gopan eine junge ortsansässige Fotografin, die mir das Goethe Zentrum, was diesmal als mein Host fungierte, vermittelt hatte. Das war für mich eine sehr große Hilfe, ohne die ich das Projekt in seiner jetzigen Form nicht hätte umsetzen können. Gemeinsam besuchten wir die hintersten Winkel und vor allem leerstehenden Räume und Gebäude, die mir alleine verschlossen geblieben wären. Nur wenige Menschen die in dem Viertel leben und arbeiten sprechen Englisch, so dass es für mich alleine nicht möglich gewesen wäre in den Wohnungen der Familienunternehmen zu fotografieren. Mit ihrer einfühlsamen Art hat Anjali fast alle überzeugt, fotografiert zu werden und geduldig den oft langwierigen Prozeß des Fotografierens abgewartet.
Meine Abschlußpräsentation fand in der Hauptstraße des Marktviertels statt, was von Anfang an mein Bestreben war. Die Bilder sollen zuerst an den Ort und zu den Leuten zurückkehren, wo sie entstanden sind. Erst dann können sie weiterziehen in einen künstlerischen Rahmen und dafür eine eigene Form und Größe finden.
Bobby Mohan, der mir auch von meinem Host vermittelt wurde, ist bei der Umsetzung der Streetexhibition eine große Hilfe gewesen, das reichte von Überzeugungsarbeit bis hin zur Produktion der Präsentation.
Die Resonanz nach der Streetexhibition war großartig und angeblich hatte Thiruvananthapuram noch keine derartige künstlerische Präsentation im öffentlichen Raum gesehen. Das freut mich.
Zu jedem Zeitpunkt meines Aufenthalts fühlte ich mich erneut hervorragend von allen Mitarbeitern des Goethe Instituts und meinem Host dem Goethe Zentrum betreut und gut beraten.
Das einzige, was diesmal anders war, war der fehlende Kontakt und der Austausch mit den anderen Teilnehmern der Residency. Bei meinem ersten Aufenthalt in Bangalore habe ich die Künstler der anderen Sparten als sehr bereichernd empfunden. Im Gegenzug gab es nun alleine in Thiruvananthapuram intensiveren Kontakt mit den Menschen vor Ort, so dass sich daraus engere Kontakte entwickelt haben. Ich bin froh, dass ich beides erleben durfte.
Wieder war meine Zeit in Bangalore unglaublich produktiv und ich habe sehr viel gearbeitet, was mir durch das gut durchdachte Programm möglich war.