Im Rahmen der
bangaloREsidency des Goethe-Instituts Bangalore habe ich 10 Wochen im südindischen Bundesstaat Kerala verbracht, um für mein Projekt „Gulfi“ die spezifische Beziehung zwischen Kerala und den Golfstaaten zu recherchieren. Die
Kochi Biennale Foundation unterstütze mein Projekt dabei mit einer Artist Residency im
Pepper House in Fort Kochi.
Während der Zeit in Kerala suche ich nach Referenzen an die Vereinigten Arabischen Emirate bzw. Golfstaaten. In Gesprächen stellt sich schnell heraus, dass im Grunde jede und jeder Verwandte hat, die dort zum Arbeiten leben oder gelebt haben. Die zwei Taxifahrer, mit denen ich am häufigsten fahre, haben beide in Saudi Arabien als family driver gearbeitet, die Ehefrau des einen Fahrers arbeitet zur Zeit noch bei einer Bank in Bahrain. Auf einer unserer Fotofahrten stellt er sie mir kurz auf seinem Telefon per Videochat vor. Auch mein favorisierter Kioskbesitzer zeigt mir auf seinem Telefon Fotos von seiner Tochter und seinem Sohn, die beide verheiratet in Dubai leben. Der Sohn der Homestay-Familie, bei der ich wohne, hat in einem Beach Resort neben Dubais Freihafen Jebel Ali gearbeitet und einer der Gründer der Kochi Biennale Foundation erwähnt, dass zwei seiner Brüder in den Emiraten leben. Arbeiten und Familie in den Golfstaaten zählen zum Alltag der Menschen in Kerala. Während meines Aufenthalts erfahre ich viel über die spezielle gesellschaftliche, politische und kulturelle Konfiguration von Kerala, die auch die Basis dieser spezifischen Arbeitsmigration der letzten Jahrzehnte in die Golfstaaten bildet.
Ein zentrales Motiv im Selbstverständnis und Mythos Keralas ist die Seefahrt: Gewürzhandel, Fischerei, Bootsbau und Religionen, die sich über den Seeweg an der Malabarküste etablierten. Einen ersten Anknüpfungspunkt an meine vorhergehende Arbeit in Dubai finde ich direkt vor dem Fenster der
Pepper House Residency. Mein Arbeitsraum liegt direkt am Wasser mit Blick auf den Containerhafen von Kochi auf der gegenüberliegenden Insel. Der Containerhafen wird von Dubai Ports World betrieben, einer emiratischen Firma, die weltweit Industrie- und Freihäfen betreibt und entwickelt. Ich verbringe in den folgenden Wochen viel Zeit damit, den Containerhafen und den Schiffsverkehr aus Ausflugsbooten, Containerschiffen, Fähren, Öltankern, Kriegsschiffen und Fischerbooten vor meinen Fenstern zu beobachten und zu filmen.
Später folge ich einer Reihe von Empfehlungen, die mich in die Stadt Kozhikode und den Distrikt Malappuram nördlich von Kochi führen, der innerhalb von Kerala als die Gegend mit der höchsten Dichte muslimischer Bevölkerung gilt. In den kleinen Ortschaften von Malappuram dokumentiere ich zahlreiche Geschäfte, Firmenschilder und Werbeplakate mit direktem Golf-Bezug in Wort und Bild, wie zum Beispiel das Juweliersgeschäft „Dubai Gold and Diamonds“, Märkte mit Namen wie „Gulf Bazaar“, Restaurants wie „Sharjah Palace“ oder die Autowerkstatt „Abu Dhabi Motors“.
Im Kontrast zum Mikrokosmos von Malappuram entstehen in Kochi später noch Videoaufnahmen im Umfeld der monolithischen LuLu Mall, die eine viel zitierte Erfolgslegende repräsentiert: Anfang der 1990er begründet ein Geschäftsmann aus Kerala die Supermarktkette LuLu Hypermarket in Abu Dhabi. 20 Jahre später, mittlerweile Milliardär, eröffnet er LuLu Mall in Kochi, die größte, oder, je nach Quelle, eine der größten Malls in Indien. Für den Einzelhandel definitiv nicht rentabel – bis auf den brummenden LuLu Hypermarket im Erdgeschoss herrscht in den Brand Stores gähnende Leere – funktioniert LuLu Mall primär als Sozial-Event für junge Menschen, die in Massen zu Werbeveranstaltungen wie „LuLu Beauty Queen 2017“ strömen. Neben der Mall entstand zeitgleich ein 5-Sterne Marriott Hotel Tower – ohne Alkoholausschank, mit Shisha-Lounge am Pool und Helipad auf dem Dach. Beim Frühstücksbuffet fragt ein junger Mann im Rollstuhl, seiner Kleidung nach eindeutig Khaleeji, für seine Mutter nach Arab food. Durch das Foyer des Hotels zieht ein Schwarm Flugpersonal von Gulf Air.
„Gulfi“ wird im Rahmen der
Pepper House Residency Exhibition präsentiert, die parallel zur
Kochi-Muziris-Biennale im Dezember 2018 in Kochi eröffnet.