Der deutsch/österreichische Medienkünstler Wolfgang Spahn lebt und arbeitet in Berlin. Seine Schwerpunkte liegen auf interaktiven Installationen, Miniatur-Diamalerei und Klang-Licht-Performances. In seiner Kunst untersucht er die Gegensätze von analogen und digitalen Medien sowie deren Erweiterungen bzw. Ergänzungen. Dementsprechend hat sich Spahn nicht nur auf die Anwendung sondern auch auf die Entwicklung, Verfremdung und Modifikation analoger und digitaler Technologien spezialisiert.
Seine immersiven audio-visuellen Performances zeichnen sich dadurch aus, dass sie ursprünglich distinkte Bilder und Klänge miteinander verschmelzen. So werden die Datenströme eines digitalen Projektors in akustische Signale übersetzt, während die von Spulen und Motoren erzeugten elektromagnetischen Felder Geräusche erzeugen, die visualisiert werden.
Spahn unterrichtet im Auftrag des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK Berlin) und lehrt am Institut für Kunst und visuelle Kultur der Universität Oldenburg sowie am Institut für Medienwissenschaften der Universität Paderborn.
Neben Einzelausstellungen und Performances nahm Spahn an nationalen und internationalen Ausstellungen sowie Medienkunstfestivals teil (Auswahl):
2000 Biennale der jungen Kunst in Genua (Italien), 2003 The Kosovo Art Gallery in Pristina (Kosovo), 2005 Biennale in Prag (Tschechien), 2008 and 2009 Internationales Klangkunstfest in Berlin (Deutschland), 2009 The Art of the Overhead in Malmö (Schweden), PIXEL09 and 10 in Bergen (Norwegen), 2010 Biennial of Miniature Art in Serbia (Serbien), 2010 Media-Scape in Zagreb (Kroatien), Transmediale 2012 und 2014, Berlin (Deutschland), Musrara Mix 2015, Jerusalem (Israel); Bodenlos – Vilem Flusser und die Künste 2015/16, Akademie der Künste, Berlin (Deutschland).
Abschlussbericht
Überblick
Auf Einladung der Indian Sonic Research Organisation war ich vom 8. April bis 16. Mai 2016 bangaloREsident im Art and Science Lab Bangalore der Srishti Universität Bangalore. In dieser Zeit widmete ich mich drei Projekten, die ich z.T. in Kooperation mit WissenschaftlerIinnen und KünstlerInnen aus Bangalore entwickelte und präsentierte: einen modularen Synthesizer, einen analogen Computer (Strange Attractors) und eine Musik-Performance, die u.a. auf den erstgenannten Technologien beruhte. Zudem inspirierte mich der Aufenthalt zu einem Fotoprojekt, das ich nach meiner Rückkehr in Berlin weiter entwickelte und im nächsten Jahr ausstellen werde.
Wichtige Kooperationspartner waren Yashas Shetty (Künstler und Leiter des Art and Science Lab), Shreyasi Kar (Mitarbeiterin des Art and Science Lab), Dr. David Farris (Indian Institute of Science, Bangalore). Ein großes Plus war auch die Kooperation mit den bangaloREsidents Paul Affeld und Tobias Daemgen.
Die Projekte im Einzelnen:
1. modularer Synthesizer
Ursprünglich plante ich, ein Instrument zu entwickeln, mit dem es einerseits möglich ist, analoge Sounds zu erzeugen, und das andererseits auch für den Unterricht (Studierende und Postgraduierte) geeignet ist. Yashas Shetty und Shreyasi Kar 'initiierten' mich daher zunächst in die legendäre SP Road, eine Einkaufsstraße in Bangalore, in der es buchstäblich alle elektronischen Bauteile gibt, die derzeit hergestellt werden – mit der einzigen Schwierigkeit, dass man diese in den Läden und Regalen dann auch finden muss. Ohne die versierte Unterstützung der beiden wäre das Projekt daher schon zu Beginn sehr schwierig zu realisieren gewesen. Zugleich wurde es dank der dort moderaten Preise auch möglich, den Synthesizer sehr kostengünstig zu entwickeln – ein wesentlicher Faktor, da es ein Ziel des Projektes war, indischen Studierenden den Nachbau des Instrumentes zu ermöglichen.
Ich empfand es als ein großes Privileg, das gut ausgestattete Art and Science Lab in vollem Umfang nutzen zu dürfen. So bauten Shreyasi Kar und ich gemeinsam einen ersten Oszillator, und ich erhielt eine Einführung in die Mosi Librarie (d.i. Sound librarie für den Arduino).
Aus der Zusammenarbeit mit Yashas Shetty entwickelte sich schnell ein eigenständiges Musik-Projekt, das zunächst spontan als Jam-Session begann und dann von uns gemeinsam weiter entwickelt und zur Aufführungsreife gebracht wurde. Dabei war der mittlerweile fertiggestellte Synthesizer Paper-Bit eines der Instrumente unserer gemeinsamen Performances, z.B. bei Under the FlyOver.
2. analoger Computer (Strange Attractors)
Seltsame Attraktoren (Strange Attractors) gehören zu den Phänomenen der chaotischen Systeme, die wegen ihrer oft faszinierenden grafischen Darstellbarkeit immer wieder in den Fokus künstlerischer Auseinandersetzung geraten. Das bekannteste Beispiel für einen Strange Attractor ist der Lorenz-Attraktor, den der Meteorologe Edward N. Lorenz 1963 als idealtypisches Modell des Wettergeschehens beschrieb. Chaotische Systeme zeichnen sich dadurch aus, das selbst geringste Änderungen der Anfangswerte zu einem völlig anderen Verhalten führen. In der künstlerischen Darstellung ermöglicht dies unendliche Variationen einander ähnlicher (jedoch nicht identischer) Strukturen.
Das Ziel meines Projektes war, einen analogen Computer zu entwickeln, mit dem Strange Attractors simuliert werden können. Ihre Darstellung sollte jedoch nicht grafisch, sondern akustisch erfolgen. Dabei waren der fachliche Austausch mit dem Mathematiker Dr. David Ferris, der oft zu Gast im Art and Science Lab war, für das Verständnis der mathematischen Grundlagen von unschätzbarem Wert. Das erste Modul des analogen Computers konnte ich noch in Bangalore in Betrieb nehmen, um die Lorenz-Gleichung zu erzeugen und hörbar zu machen. Dies wurde ein wichtiges Element meiner Solo-Performance bei der gemeinsamen Abschlussveranstaltung „On The Rooftop“.
3. Musik und Performance
Die Musik-Performances waren ein Resultat aus der intensiven künstlerischen Kooperation mit Yashas Shetty und insofern eine der ungeplanten wunderbaren Überraschungen meines Aufenthaltes in Bangalore. In mehreren Jam-Sessions nutzten wir unsere jeweiligen künstlerischen Konzepte von Sound/Noise und Lichteffekten, um die Grenzbereiche menschlicher Hörerfahrungen und Sehgewohnheiten auszuloten.
Unsere erste öffentliche Performance Under the FlyOver fand auf Einladung von Jaaga DNA statt und war Teil eines größeren Programms zur künstlerischen Nutzung des öffentlichen Raumes. Shreyasi Kar (Sound), Paul Affeld (Rap) und Tobias Daemgen (Projektionen) kamen als weitere Künstler dazu, so dass letztlich eine größere gemeinsame Performance entstand, von der es mittlerweile eine Videodokumentation gibt. Wir präsentierten unsere Performance außerdem bei der Abschlussparty des Residence-Programmes „On The Rooftop in Bangalore, und am 3. Oktober 2016 in der Akademie Schloß Solitude (Stuttgart), wo Yashas Shetty als Stipendiat des Programms art, science & business weilte. Weitere gemeinsame Auftritte bei internationalen Festivals sind in Planung.
Gefreut habe ich mich auch über die Gelegenheit, mehrfach meine Soloperformance ENTROPIE zu präsentieren, die analoge und digitale Technologien kombiniert, um anhand der Parameter Zufall, Chaos und Ordnung strukturierten Noise und abstrakte Lichteffekte zu generieren: in der Srishti Old Campus Gallery, in der Venkatappa Art Gallery (Art Marathon) und On The Rooftop.
4. Fotografie
Augangspunkt für das Fotoprojekt, das den Gegensatz zwischen historischer Stadt und neuer Technologie fokussiert, war ein vom Goethe-Institut organisierter Ausflug nach Mysore. Bei dem Spaziergang durch das 'old village' entstanden die ersten Digitalaufnahmen von Straßenszenen in den frühen Morgenstunden. Für das Projekt sollen sie mit analogen Farbdias kontrastiert werden, die als Basis für Diamalerei dienen, die von der Miniaturmalerei der Mysore School inspiriert ist. Dank einer vom Goethe ermöglichten Exkursion zur Mysore School, in der ich die Privatsammlung ansehen und sogar fotografieren durfte konnte ich mich eingehend mit den dort verwendeten mythologische Motiven beschäftigen.
Dank
Mein Dank gilt dem Art and Science Lab Bangalore, das mich eingeladen und meinen Arbeit in jeder Hinsicht unterstützt und meinen Aufenthalt sehr angenehm gemacht hat – ganz besonders Yashas Shetty und Shreyasi Kar. Danken möchte ich auch dem Goethe Institut Bangalore, das den gesamten Aufenthalt finanzierte und exzellent organsierte, und vor allem Christoph Bertrams und Maureen Gonsalves, die mich und die anderen bangaloREsidents in die Kunstszene von Bangalore einführten, uns Türen öffneten und viele Gelegenheiten schufen, unsere Kunst in verschiedenen Kontexten zu präsentieren.
Außerdem danke ich Dr. David Ferris für inspirierende Gespräche und fachliches know-how, und freue mich, dass er sich bereits zu einem Gegenbesuch in Berlin einfand.
Dank auch an die anderen bangaloREsidents für eine inspiriende gemeinsame Zeit.