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Bücherkolumne
Auserlesen! Nr.4

„Was kann ich denn mal lesen?“ Ob sprachgewandte Deutschlehrende oder lesehungrige Deutschlernende: die Frage stellt sich allen, die geeignete deutschsprachige Lektüre suchen. Spannend soll das richtige Buch sein, gut geschrieben und interessant. Aber wie findet man sich zurecht im Bücherwald? Auserlesen! hilft mit einer bunten, eben auserlesenen Mischung!

Von Karen-Susan Fessel

Kindisches und Verspieltes

Kinderfragen © Klett Kinderbuch Katharina von der Gathen und Anke Kuhl: Klär mich auf! 101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema  
Warum küsst man sich? Kann ein Kind auch aus dem Po kommen? Was macht man in einem Sex Schop? Ja, das sind drängende Fragen unserer Zeit. 101 davon, anonym in einen Briefkasten geworfen von deutschen Grundschulkindern, finden sich in diesem wunderbar fröhlich gestalteten Aufklärungsbuch der besonderen Art – und jede einzelne Frage wird ernstgenommen und gewissenhaft beantwortet. Der Autorin Katharina von der Gathen ist, gemeinsam mit der kongenialen Illustratorin Anke Kuhl, ein großer Wurf für Jung und Alt gelungen. Viel zu schade nur fürs Bücherregal!

Junge Welten

Keine halben Sachen © Beltz & Gelberg Antje Herden: Keine halben Sachen

Typisch für die achte Klasse: Langeweile kommt auf, die Schule ist nur noch blöd, Mama nervt sowieso … wie cool, dass auf einmal Leo auftaucht, der lässige Leo, der genau so ist, wie Robin gern wäre. Und der tatsächlich sein bester Freund wird. Mit Leo zusammen erlebt Robin nur noch krasse Sachen – Drogen, Abenteuer, der erste Sex … Aber dann stürzt alles in sich zusammen … Antje Herdens erster, gleich mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnete Jugendroman über eine sehr seltsame Jungenfreundschaft ist das wohl beste Jugendbuch über Drogen und Selbstfindung, das ich bislang gelesen habe. Rasch nimmt es an Fahrt auf, um sich in turbulente Höhen aufzuschrauben und dann einem wahrlich erstaunlichen Ende entgegenzutaumeln. Bleibt zu hoffen, dass Herden, die vorher ausschließlich für Kinder schrieb, weiterhin dieser schwierigen Altersgruppe ihre Stimme leiht – nötig wäre es, gerade in diesen Zeiten, in denen die meisten Jugendbuchverlage eher Klischees bedienen und auf Love & Crime setzen.

Deutsche Geschichte(n)

weiter leben © dtv Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend. 
Selten hat mich ein biographisches Werk derart gefesselt wie dieses. Zum Glück hat Ruth Klüger anlässlich des 71. Jahrestages der Befreiung Auschwitz‘ vorm deutschen Bundestag ihre bewegende Rede gehalten, sonst wäre mir dieses Werk womöglich entgangen. In klarer Sprache, berichtet Klüger von ihrer zusehends mehr eingeschränkten Kindheit in Wien, der Deportation nach Theresienstadt, Auschwitz und Groß-Rosen und den Folgen, die diese Zeit auf ihr ganzes Leben hatte. Entstanden während des Aufenthaltes einer Gastprofessur in Göttingen, macht das schmerzlich direkte Werk deutlich, welchen einschneidenden Aderlass an intellektuellen und kreativen Köpfen Deutschland auch noch lange nach Ende der Kriegszeit selbst verschuldet hat. Um es mit Robin Williams zu sagen: „You killed all the funny people.“ Und um die anderen klugen Köpfe zu halten, tat Deutschland später einfach zu wenig.
 

Jetzt und hier – Deutschland heute

Nichts, was uns passiert © Verbrecher Verlag Bettina Wilpert: Nichts, was uns passiert 

Anna fühlt sich vergewaltigt, für Jonas war es einvernehmlicher Sex. Unstrittig ist, dass beide viel zu viel getrunken hatten. Und jetzt? Ob eine Anzeige bei der Polizei da Klarheit verschafft? Bettina Wilperts mehrfach ausgezeichneter Roman kommt wie ein vermeintlich objektiver Bericht daher und erzählt in stakkatohafter Art und Weise von den Folgen einer nächtlichen Begegnung, die nur Verlierer hinterlässt. Wilpert lässt alle auch nur entfernt Beteiligten zu Wort kommen und zeichnet so ganz nebenbei ein detailliertes Bild der aktuellen bundesdeutschen Studentengeneration. Ein Buch, an dem mir besonders gut gefällt, dass es viele Fragen aufwirft – und kaum eine davon beantwortet. Das müssen die Leser*innen schon selbst übernehmen.

Lebenswege

Lauthals leben © Knaur Verlag Julia Latscha: Lauthals Leben. Von Lotte, dem Anderssein und meiner Suche nach einer gemeinsamen Welt 

Lotte, langersehntes Wunschkind, hat einen schweren Start ins Leben. Der Sauerstoffmangel während der Geburt macht aus dem bis dahin gesunden Fötus ein schwerstbehindertes Kind, das seinen Eltern mehr als das Erträgliche abverlangt. Immer wieder stehen sie vor der Überlegung, Lotte in ein Heim zu geben, immer wieder entscheiden sie sich dagegen und für ein gemeinsames Leben. Das aber ist und bleibt Schwerstarbeit, in jeder Hinsicht, und es gelingt nur teilweise. Julia Latscha erzählt von ihrem keineswegs einfachen Familienleben auf eine so spannende Art, dass sich beim Lesen immer wieder neue Blickwinkel auf unsere eigenen Vorurteile und den Umgang unserer Gesellschaft mit Behinderten eröffnen. Eine ganz starke Frau – und ein ganz starkes Buch!
 

Achtung, Hochspannung!

Gefährdet © btb Verlag Meike Dannenberg: Gefährdet

Zwei Kinder, entführt und eingesperrt in einem Container – Nora Klerner, BKA, wird der Hamburger Polizei zur Seite gestellt, die zeitgleich den Mord an einem weißrussischen Ex-Zuhälter aufklären soll. Was haben die beiden Fälle miteinander zu tun? Und hat die wohlhabende Reederfamilie der beiden Kinder nicht doch etwas zu verbergen? Meike Dannenberg erweist sich auch in ihrem zweiten Buch als absoluter Glücksfall für die deutsche Kriminalliteratur. Nicht nur, dass sie rasant und schnörkellos erzählen kann, auch die Figuren weisen eine erstaunliche Tiefenschärfe auf, ohne ins allzu Psychologisierende abzugleiten. Für mich die beste Krimientdeckung der vergangenen Jahre, spannend bis zur letzten Zeile. Mehr davon!
 

Lesetipp des Monats

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben © Bastei Lübbe Kerstin Gier: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben
 
Hier kommt der Lesetipp im Juni von einer Auserlesen!-Leserin aus Portugal.
Luisa kommt aus  Póvoa de Santo Adrião in der Nähe von Lissabon und empfiehlt uns passend zum Sommer die lustigen Urlaubs-Geschichten von Kerstin Gier.
 
Luisa schreibt:
"Die gute Laune der Erzählerin ist das, was mir an dem Buch gefiel.
Es sind kurze Geschichten aber sehr lustig und sehr empfehlenswert für Leser, die Deutsch als fremde Sprache lesen."
 
Diesen gelungenen Tipp gebe ich gerne weiter und natürlich bekommt Luisa dafür auch ein Buchpräsent zugeschickt. Herzlichen Glückwunsch!
 
Das Buch ist neben vielen anderen der Bestseller-Autorin Kerstin Gier auch über die Onleihe des Goethe-Instituts erhältlich.
 

LIEBE LESERINNEN UND LESER...

 
Lesetipp © adobe.stock … an dieser Stelle kann in der nächsten Ausgabe Ihr Buchtipp stehen! Haben Sie ein interessantes, spannendes, lehrreiches oder unterhaltsames Buch auf Deutsch gelesen, das Sie gerne anderen weiterempfehlen möchten?
Dann schreiben Sie eine E-Mail an:
magazin-sprache@goethe.de 
Betreff: Auserlesen!

Nennen Sie den Namen des Autors/der Autorin, den Titel des Buches und vor allem, was Ihnen an dem Buch gefällt.
Wenn Sie Glück haben, gewinnen Sie dabei ein Buchpräsent!

 

Auserlesen! Nr. 4

  • Dannenberg, Meike: Gefährdet. Ein Fall für BKA-Spezialistin Nora Klerner (2019). München: btb Verlag.
  • Gier, Kerstin: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben (2007), Köln: Bastei Lübbe. Diesen Titel finden Sie in der Onleihe
  • Herden, Antje: Keine halben Sachen. (2019). Weinheim: Beltz & Gelberg.
  • Klüger, Ruth: weiter leben. Eine Jugend (2007). München: dtv. Diesen Titel finden Sie in der Onleihe
  • Latscha, Julia: Lauthals Leben. Von Lotte, dem Anderssein und meiner Suche nach einer gemeinsamen Welt (2018). München: Knaur. 
  • Van der Gathen, Katharina u. Kuhl, Anke: Klär mich auf! 101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema (2017). Leipzig: Klett Kinderbuch.
  • Wilpert, Bettina: nichts, was uns passiert (2018). Berlin: Verbrecher Verlag.

 
 

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