Fremdsprachenkenntnisse sind in der Arbeitswelt unumgänglich.
Immer mehr Beschäftigte benötigen mindestens eine Fremdsprache am Arbeitsplatz. Mit steigendem Fremdsprachenbedarf verändern sich Zielgruppen und Lernziele. Das erfordert Unterrichtsformen, die die Kommunikation in der Arbeitswelt von Beginn des Fremdsprachenlernens an berücksichtigen.
Von Christina Kuhn
Globalisierung, Technologisierung und demografischer Wandel haben die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Handelsbeziehungen über nationale und sprachliche Grenzen hinweg und die digitalen Informations- und Kommunikationsmedien intensivieren die ökonomische Zusammenarbeit. Güter werden regional arbeitsteilig produziert. Produktionsschritte, Transport und Logistik müssen aufeinander abgestimmt werden. All dies erfordert fremdsprachliche Kommunikation und Interaktion. Eine Vielzahl von Themen und Textsorten muss nicht nur in allen Bereichen (Einkauf, Marketing, Vertrieb), sondern auch auf allen Hierarchieebenen im Unternehmen bearbeitet werden. Zudem gewinnen flexible und mobile Arbeitsformen wie Tele- oder Projektarbeit an Bedeutung. Für viele Beschäftigte gehört die zeitlich befristete Arbeit in wechselnden internationalen Teams heute ebenso zur Arbeitsbiografie wie der oft (Sprach-)Grenzen überschreitende Wechsel von Arbeitsstellen, Unternehmen oder Berufen. Kein Wunder also, wenn immer mehr Menschen mindestens eine Fremdsprache am Arbeitsplatz benötigen.
Erweiterte kommunikative Anforderungen
Die fremdsprachlichen Anforderungen haben sich auch qualitativ verändert. Betriebliche Mitsprache, die Verantwortung für den eigenen Arbeitsbereich oder (inter-)nationale Qualitätssicherungsverfahren erhöhen die Anforderungen an die rezeptiven und produktiven kommunikativen Kompetenzen in Mutter- und Fremdsprache(n). Neben mündlichen und schriftlichen Texten müssen die Beschäftigten analoge und digitale Medien nutzen, um Informationen auszutauschen oder zu kommunizieren. Die Anforderungen lassen sich nicht mehr ausschließlich mit dem traditionellen fachsprachlichen Ansatz beschreiben, der sich auf strukturelle Merkmale von Fachsprache (Fachlexik und Grammatik) und wenige Fachtextsorten konzentriert. Berufsorientierter Fremdsprachenunterricht (FSU) bereitet die Beschäftigten branchenunabhängig auf die sich ständig verändernden kommunikativen und interkulturellen Anforderungen vor. Indem immer mehr Menschen eine oder mehrere Fremdsprache(n) in der Arbeitswelt benötigen, erweitern sich seine Zielgruppen und Lernziele.
Berufsorientierter Deutschunterricht kann berufsvorbereitend, berufsbegleitend oder berufsqualifizierend sein.
Zielgruppen und Lernziele
Zielgruppen für den berufsorientierten Fremdsprachen- oder Deutschunterricht finden sich im In- und Ausland, an (Hoch-)Schulen, im Übergang von der Schule in den Beruf sowie in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Da der Sprachbedarf individuell und abhängig von bereits erworbenen beruflichen Fachkenntnissen und Erfahrungen am Arbeitsplatz ist, sollte berufsorientierter FSU pragmatisch – also sachbezogen und den beruflichen Anforderungen dienend –, lerner- und bedarfsorientiert sein.
Bezieht man den Ausbildungsstand der Lernenden ein, lassen sich unterschiedliche Formen und Lernziele unterscheiden. So liegt der berufsvorbereitende FSU vor dem Erwerb fachlicher Kenntnisse und führt ab Niveau A1 thematisch breit in allgemeine sprachliche Anforderungen der Arbeitswelt ein. Der berufsbegleitende FSU zielt auf die (bessere) Bewältigung der aktuellen oder zukünftigen Anforderungen im Beruf oder am Arbeitsplatz ab. Er liegt parallel zu oder nach dem Aufbau fachlicher Kenntnisse (wie in Deutschkursen für Pflegekräfte). Der berufsqualifizierende FSU bereitet sprachlich auf einen beruflichen Qualifikationsabschluss vor (vgl. Funk/Kuhn 2010).
Alltagssprache in beruflichen Kontexten + Fachsprache = Deutsch am Arbeitsplatz
Berufliche Sprachhandlungen statt Fachsprache
Die in der Arbeitswelt notwendigen fremdsprachlichen Kompetenzen lassen sich nicht allein der fachlichen Kommunikation zuordnen. Sie dienen auch der Integration in die sozialen Netzwerke rund um den Arbeitsplatz, die – vor allem bei einer wiederholten oder längerfristigen Tätigkeit im deutschsprachigen Raum – bis ins private Lebensumfeld wirken. Arbeitserfolg und -zufriedenheit sind sowohl abhängig von der fachlichen Bewältigung der Aufgaben als auch von der Akzeptanz im Kollegenkreis, die ohne Sprachkenntnisse oft kaum zu erreichen ist. Am Arbeitsplatz sprechen wir nicht nur über Fachliches, sondern auch über das letzte Wochenende, den Urlaub oder die Familie. Der Smalltalk am Kopierer oder zu Beginn eines Arbeitstreffens ist ebenfalls von Bedeutung. Er trägt zur Arbeitsatmosphäre bei und steht dem Gespräch über fachbezogene Inhalte häufig voran. Eine berufsorientierte Unterrichtsplanung sollte also von einem ganzheitlichen, auf Kommunikation bezogenen und an beruflichen Sprachhandlungssituationen orientierten Ansatz ausgehen. Es geht nicht darum, die Lernenden funktionell mit eingegrenzten fachsprachlichen Kenntnissen auszustatten, sondern sie als Personen zu sehen, die Deutsch im Alltag und im Beruf brauchen.
Kommunikationsformen berufsorientiert gestalten
Studien zur Kommunikation am Arbeitsplatz zeigen, dass die berufsinterne Alltagskommunikation zum größten Teil aus Sprachhandlungen besteht, die wenig berufsspezifisch oder fachsprachlich sind (vgl. Grünhage-Monetti/Svet 2013; Kuhn 2014). Es sind vor allem grundlegende Formen der Kommunikation erforderlich, die ohnehin im Fremdsprachenunterricht trainiert werden (vgl. Kuhn/Sass 2018), wie die systematische Verarbeitung von Informationen aus schriftlichen und mündlichen Quellen oder die aktive Teilnahme an Gesprächen (Gespräche einleiten, am Laufen halten, zusammenfassen). Berufsübergreifende Kompetenzen, die mit bestimmten Handlungen und Situationen am (zukünftigen) Arbeitsplatz verbunden sein können, sind oft bereits Bestandteil des Deutschunterrichts und eröffnen (berufsorientierte) Übungsmöglichkeiten. So geht es in fast allen Lebensbereichen darum, zu argumentieren, den eigenen Standpunkt und eigene Interessen zu vertreten oder jemanden zu überzeugen – sei es bei der Diskussion um eine Taschengelderhöhung in der Familie oder zur Arbeitsverteilung im Team kurz vor den Feiertagen. Der Aufbau und das Abwägen der Argumente lassen sich somit auf berufliche Situationen übertragen.
Fremdsprachenunterricht ist potenziell berufsvorbereitend
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fremdsprachen (zukünftig) in beruflichen Kontexten eingesetzt werden, ist jeder Unterricht auch potenziell berufsvorbereitend. Bedenkt man, dass Deutsch häufig im Erwachsenenbereich aus beruflichem Interesse gelernt wird, kann ein Unterricht besonders motivierend für Lernende sein, der von Beginn an auch die Arbeitswelt thematisiert und Sprachhandlungen hier verortet. Die Integration berufsorientierter Sprachhandlungen oder Szenarien (vgl. Eilert-Ebke/Sass 2014) lässt sich oft schon durch kleine Abwandlungen erreichen. So können typische A1/A2-Themen wie „Verabredungen und Termine“ ins Kino, aber auch zu einem Geschäftsessen oder Arbeitstreffen geübt werden. Im Szenario „Beim Arzt“ wird neben der Anamnese die Krankmeldung für den Arbeitgeber thematisiert. Begrüßungen und Vorstellungen, die auf A1-Niveau trainiert werden, können auf höheren Niveaustufen wieder aufgegriffen und durch die Nennung von Tätigkeitsbereichen und Arbeitgebern sowie das Überreichen von Visitenkarten erweitert werden. Im berufsbegleitenden FSU lassen sich die Situationen konkreter an authentischen Situationen ausrichten, etwa an der Betreuung und Pflege von Patientinnen und Patienten in Kursen für Pflegekräfte (vgl. Ransberger 2018). Ein an Interessen, Zielen und Bedarfen der Lernenden orientierter, auf Sprachhandlungen bezogener Unterricht schafft so eine gute Grundlage für die Kommunikation in beruflichen Kontexten im In- und Ausland.