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Interview mit Nadja Zwiener
Unser Planet an erster Stelle

Nadja Zwiener
© Antje Kröger

Die Violinistin aus Leipzig schöpft in der Isolation neue Kraft aus der Musik Johann Sebastian Bachs. Im kollektiven Innehalten sieht sie die Chance eines respektvolleren Umgangs mit der Natur und den Mitmenschen und die Erkenntnis wie wertvoll die gemeinsame Erfahrung von Kultur ist.

Von Maria Carmen Morese & Johanna Wand


Welchen Raum nimmt Ihre Arbeit in der Isolation ein?

Für mich ist das tägliche Üben mit der Geige eine wichtige Stütze in dieser Zeit. Ich beschäftige mich nun intensiv mit Repertoire für Solo-Violine, vor allem mit den Werken von Johann Sebastian Bach. Es gab mir sehr viel Inspiration und Freude in der leeren Thomaskirche hier in Leipzig spielen zu dürfen, am Grab von Bach. Es wird mir nun bewusst, wie wertvoll solche Momente sind, wieviel wir wortwörtlich mit den Räumen spielen, welche Dimension ein magischer Ort wie dieser gerade in diesen Zeiten erlangt und wie lange mich solche Momente auch danach noch tragen. Solo - Nadja Zwiener

Wie alle schwierigen Momente eröffnet auch die gegenwärtige Krise neue Möglichkeiten. Was können wir aus dieser Situation lernen?

Für mich persönlich ist es eine Gelegenheit, wertvolle Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Sonst bin ich diejenige, die viel für Konzerte umherreist und ständig an das nächste Projekt denkt, Reisen plant, Probenpläne entwirft, Noten einrichtet. Da beide Kinder nun ständig zu Hause sind, sind wir viel enger verbunden in unserem täglichen Miteinander. Da treten sicher auch Situationen auf, die nicht ganz einfach sind, aber gerade aus solchen können wir alle lernen. Bedürfnisse zu äußern und beim anderen wahrzunehmen sind im Moment Fähigkeiten, die durch solch eine Herausforderung hoffentlich wachsen. 
Durch die musikalisch recht einsame Zeit merke ich aber auch, wie mir meine Kollegen fehlen und wieviel mir das gemeinsame Musizieren bedeutet. An dieses Gefühl werde ich mich sicher danach noch lange erinnern.
 
Die neuen Umstände erschüttern und beunruhigen uns, aber sie ermutigen uns auch zu visionärem Denken. Von welchem Danach träumen Sie?

Ich hoffe vor allem, dass wir die Natur nach der Krise mit mehr Respekt behandeln. Wir lernen nun, dass ein System, was immer als nicht zu stoppen galt, doch zum Innehalten kommen kann. Dieses Zur-Ruhe-kommen zeigt uns hoffentlich, was wichtig ist in unser aller Leben und da steht für mich unser Planet an erster Stelle. Ich wünsche mir, dass es zu weniger Flugreisen kommt, dass wir besser Verzicht üben können im Konsumieren und der Wert des Zwischenmenschlichen höher eingestuft wird. 
Ich träume ganz konkret davon, dass vielen Menschen bewusst wird, was das Miteinander für Wert besitzt und dass wir uns nach gemeinsamen Erlebnissen sehnen, vor allem Kunst und Kultur gemeinsam zu erfahren.
 

Biographie

Das Repertoire der Geigerin Nadja Zwiener reicht vom Barock bis in die Romantik mit seltenen, aber willkommenen Ausflügen in die Neue Musik.
Seit 2007 ist sie Konzertmeisterin bei The English Concert, mit dem sie regelmäßig auch solistisch auftritt und zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen sowie weltweite Tourneen in die großen Konzertsäle wie z.B. Carnegie Hall New York, Concertgebouw Amsterdam, Musikverein Wien und die Elbphilharmonie in Hamburg und zu vielen Festivals unternimmt.
Die Kammermusik in verschiedenen Besetzungen sowie die Arbeit mit Sängern sind ihre beruflichen Leidenschaften, aber auch genreübergreifende Projekte reizen sie.
Bachs Werke haben für die in Leipzig lebende Thüringerin einen besonderen Stellenwert, nicht zuletzt seit Hans-Christoph Rademann sie 2016 für die Bachakademie Stuttgart als Konzertmeisterin der als Originalklangensemble neu formierten Gaechinger Cantorey verpflichtete.

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