ANTUUNG
ANTUUNG hat keine Autorenschaft. ANTUUNG misst eine unsichtbare Realität. Es ist ein Instrument, das uns hilft, Orientierung im Spannungsfeld von Natur und Kultur zu finden.
Von Manege Kollektiv
Die rituelle Opferung eines Baumes im Siegener Stadtzentrum am 30.07.2021 während der ANTUUNG – eines Happenings durchgeführt durch das Manege Kollektiv – hat große Wellen geschlagen: Der Bürgermeister bezeichnet das Kollektiv zu allererst als Idioten; der Staatsschutz wird eingeschaltet; dem folgen zahlreiche Berichte in den Printmedien, Diskussionen in den sozialen Medien, Fernseh- und Radiobeiträge bis hin zu u.a. einem Gespräch mit einer Schulklasse und einer Diskussion in einem lokalen Theater.
Bis zum heutigen Tage evoziert die Fällung emotionale Reaktionen der Siegener Bürgerschaft.
Im Zeitalter zunehmender Naturkatastrophen und einer immer greifbarer wahrnehmbaren globalen klimatischen Veränderung stellt sich die Frage nach der Aktualität des Naturbegriffs im neoliberalen Kapitalismus. Dieser sieht im Schutz der Natur lediglich eine weitere wirtschaftliche Ressource, während sich die Frage stellt, ob das ihm inhärente Denken nicht primär Auslöser der gegenwärtigen Problematik ist. Wir pflegen ein paradoxes Verhältnis zur Zerstörung der Ökosysteme: Während wir uns dieses Phänomens bewusst sind, wird es in unserem kulturellen Bewegungsraum doch meist von uns fern gehalten.
Die ANTUUNG konstituiert sich als Fragestellung an die Verhältnismäßigkeit von Mensch, Natur und Kultur.
Das Happening reiht sich so ein in sämtliche engagiert-politische Arbeiten, es verweigert sich jedoch dem Verbleiben in einem symbolischen Raum und zieht die direkte Intervention der Dringlichkeit der Lage entsprechend vor. Das kriminelle Agieren tangiert das allegmeine Rechtsverständnis sowie die Vorstellung von Kunstfreiheit.
Es wurden zahlreiche Techniken der Avantgarden des 20. Jahrhunderts angewandt, die jedoch in einen aktuelleren thematischen Kontext platziert wurden. Zu diesen Techniken gehören die Neucodierung des Rituellen, die Integration des Konzepts der Zerstörung in die Kunst oder auch die interdisziplinäre Kollaboration aus Performance, Musik, Literatur sowie Bühnenbild. Die den Kunstbegriff erweiternde Komponente findet sich doch an anderer Stelle: dem Publikum.
Denn die Kunst hat in ihrer aktuellen Konstitution eine Tendenz zum Echoraum. Innerhalb dieses Echoraums herrscht die Annahme vor, dass diese avantgardistischen Techniken allgemein verstandene sind, was sich in der Nachbearbeitung der ANTUUNG als Trugschluss entpuppt.
Es zeigt sich in diesem Fall also, dass der zweite Teil der Nachbearbeitung einen noch größeren Raum einnimmt, weil er die Rolle von Kunst in den Medien und der Gesellschaft reflektiert. Teil der Arbeit ist also auch die emotionale, technische und theoretische Einbindung in eine vermittelnde Funktion der KünstlerInnen. Trotzdem stellt sich auch die Frage: Muss Kunst einen allgemeinen Konsens über ihre Qualität aufweisen können, um wirkungsvoll zu sein? Video: Adrian Knuppertz
Medienbericht: Sat1 NRW: Illegale Baumfäll-Kunst in Siegen.
Dieser Beitrag ist in der Sendung vom 2.08.21 erschienen. https://www.sat1nrw.de/aktuell/illegale-baumfaell-kunst-in-siegen-215754/
Animation: Melika Chouk
Manege Kollektiv
Lena Hugger (*1997, Ravensburg) hat in Siegen Literatur, Kultur, Medien und Kunst auf Lehramt studiert. Sie gründete 2020 das auf Ausstellungen und Happenings im öffentlichen Raum fokussierte Manege-Konzept. Ihre Arbeit setzt sich mit dem visuellen Auf- und Abbau des Traumatischen auseinander. Aktuell studiert sie an der Kunstakademie Düsseldorf.
“marzannaDrowning is a rogue acoustics experiment in dissociative production, anonymity, voice change, and artificial time-disintegration. It is using Siegen, Germany as a temporary habitat, and 'working' on a machine-gothic unnon-music connecting abstractive tendencies in club music to unidealizably alien intelligence, neosavage cultism, and the viral numeracy emergent from divination systems and video games, among other things".
Hagen Keller (*1992) arbeitet aus einer liebevollen, naiv-revolutionären Haltung heraus. Hagen Keller stellt keinen Anspruch auf das Eigentum seiner künstlerischen Arbeit. Die Formate des Hagen Keller zeichnen sich durch eine exakte Impulsivität und eine humorvolle Grausamkeit aus. Wer in seinem Leben Teil einer Aktion von Hagen Keller war, wird sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit daran erinnern.
Aljoscha Bassenhoff, 1988 geboren in Bergisch Gladbach, ist Studierender der Freien Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf und hat zuvor Evangelische Theologie; Geschichte und Pädagogik in Köln und Wuppertal studiert. Sein künstlerisches Schaffen versucht in enger Anbindung an theoretische Diskurse, individuelle und gesellschaftliche Gewohnheiten zu verstehen und unter ökologisch-feministischen Kriterien performativ umzugestalten.
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