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Konsenschor

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©Jana Jess

Ich lud Personen unterschiedlicher Nationalitäten ein, sich in ihrer jeweiligen Muttersprache miteinander zu unterhalten. Jede Muttersprache war in der Gruppe nur einmal vertreten, keine:r sprach oder verstand die Sprache der jeweils anderen. Ich bat sie darum, sich so lange miteinander zu unterhalten, bis sie zu einem Konsens finden…

 

Von Jana Jess

Als Künstlerin geht es mir nicht um eine „Erweiterung des Kunstbegriffs“, es geht mir um das Herstellen eines selbstbestimmten Sprechens und unerhörtem Zuhörens.
Kunst kann nach meinem Verständnis als Wortgegenstand kein BeGriff sein. Ich möchte die Kunst generieren als eine BeHandlung, als eine BeSprechung. Sie unbegreiflich verstehen und verhältnismäßig verhandelbar machen. Als AufLösung des Bedeutungsumfangs einer Sprache. Durch die Undefiniertheit der Kunst, freies und selbstbestimmtes Denken und Sprechen erfragen. Kunst als fragendes Loch das sich keiner und jeder zu Eigen machen kann, das sich nach Subjektivität ohne Subjekte sehnt.
Als Künstlerin Löcher in die Sprache sprechen. Freiräume schaffen um Begegnungen zu
initiieren, Bewegung und Verhandlung auszulösen dort wo ich Taubheit und Stagnation
erfahre.

Kunst die sich asymptotisch begliedert und auf ein Zwischeneinander zuläuft, das sich
niederlegt in der gesprochenen Sprache. Der Sprache die im Zwischeneinander verstanden wird, der man nicht zuhören kann ohne zu antworten. Ich kann zu jemandem sprechen oder mich ansprechbar machen. Das ist was ich als Künstlerin tue. Doch meine ich hier keine Sprache durch die das Subjekt versucht objektiv zu denken. Die Sprache wird von der Zuhörer:in geboren und von der/dem sprechenden eingegeben, wobei die/der Sprechende sich hören kann und die Zuhörer:in vor jedem Wort schon Antwort gibt.
Meine Kunst ist eine Kontaktaufnahme, die sich in der Verhandlung verformt, erst bei
gewisser Nähe und im gegenseitigen Einverständnis in den Vordergrund rückt. Dann entsteht ein künstlerischer Moment, aus dem Potential der Kunst/ des Zwischeneinanders/ des Freiraums/ der selbstentschiedenen Bereitwilligkeit. Ich als Subjekt alleine kann keine Kunst produzieren, der künstlerische Moment kann nur erzeugt werden in dem ich herausfinde wie ich mich ansprechbar mache oder jemanden unter Zuhörer:innen zur Sprache bringe.
Sich vom kleinsten gemeinsamen Nenner ausgehend festzuhalten und sich so weit wie möglich voneinander zu entfernen ohne loszulassen. Eine Kontaktaufnahme durch die eine selbstbestimmte Sprache hörbar wird. Eine Kontaktaufnahme die die Körper transformiert und Verhaltens gemäß immer anders zu sprechen beginnt, immer anders verstanden wird.
Über den Kunstbegriff sprechen, als einen Akt der Befreiung von Worten. Ein Loch in der Sprache, das sich durch das Sprechen nie verschließen lässt, über das ich mich ausdrücklich aber nur versprechen kann.
Kunst-Begriff erweitern könnte im Sinne eines selbstbestimmten Sprechens und unerhörtem Zuhörens also heißen: Eine Sprache abseits des im Konsenssprechens der Gesellschaft zu artikulieren. Eine wahrnehmbare aber nie unter einem Konsens begriffene Sprache. Mit wem und wie wird im Konsenschor gesprochen? Wie bringt sich ein Kind zur Sprache? Wie spricht ein „Konsenschor“ zum Kind?
Die Idee den Kunst-Begriff erweitern zu wollen hat für mich etwas expansionistisches, es sagt aus dass die Kunst sich Schranken gebaut hat oder zwischen Schranken gewachsen ist und sich abgrenzt – das widerspräche meinem Verständnis von Kunst und der Art und Weise wie und wo ich versuche künstlerische Momente zu generieren. Vielleicht sollte es darum gehen diese Schranken aufzulösen um den „Begriff“ und sein Un/Verständnis dauerhaft und für alle transformierbar zu machen.
Kunst findet nicht nur in Räumen für die Kunst statt, Kunsträume sollten nicht übergriffig werden, aber Kunst kann als Transformationsprozess innerhalb eines beliebigen Kontexts auftreten, ihn inkludieren und eine Situation von sich selbst entfremden.

Ich lud eine Gruppe an Personen unterschiedlicher Nationalitäten ein, sich in Ihrer jeweiligen
Muttersprache mit der Gruppe zu unterhalten. Jede Muttersprache war nur einmal vertreten, keine:r sprach oder verstand die Sprache der jeweils anderen. Ich bat sie darum sich so lange miteinander zu unterhalten bis sie zu einem Konsens finden. Das Gespräch zeichnete ich mit einem Soundrekorder auf.
Danach dokumentierte ich die Unterhaltung indem ich ihr das Wort entnahm und nur die Melodie; den Rhythmus und die Dynamik der gesprochenen Sprache in Noten transkribierte.
Die Musiknoten ließ ich dann in dem multireligiösen Gebetsraum des Köln-Bonner Flughafens von Sänger:innen (Ilona Popova und Thomas Huy) nachsingen.

Der beigefügte Download versteht sich als eine Einladung an jede:n Leser:in die Noten-Partitur "Konsenschor" in multikultutellen Gebetsräumen von Flughäfen gesanglich zu reinterpretieren.

Jana Jess - Porträt ©Jana Jess Jana Jess (*1998) studiert an der Kunstakademie Düsseldorf. In Form von "live intervening treatments" generiert sie performative Momente, die sie in multimediale Dokumentationsformate übersetzt und im Kontext sozialer Räume wieder neu interpretierbar macht. Derzeit lebt und arbeitet sie in Düsseldorf und Wien.

 

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