Danza contestuale
"Kontextueller Tanz". Es ist die Einbeziehung der Betrachter*in in die künstlerische Erfahrung, die ich in meinem Werk in den Vordergrund zu stellen versuche. Manchmal indem ich versuche, die Vision nicht mit teilweise nutzlosen und irreführenden verbalen Konstruktionen zu beeinflussen, und andere Male, indem ich die Betrachter*in in das Werk eintauchen lasse.
Von Fabrizio Odori
Das Nachdenken über das Verhältnis zwischen künstlerischer Erfahrung und ihrer gesellschaftlichen Wirkung entspricht dem Versuch, einen wesentlichen Teil des menschlichen Lebens zu definieren. Der künstlerische Ausdruck sollte an sich eine transzendente Einheit sein, die sich von jeder Rollendefinition befreit, die sich von Sender*innen und Empfänger*innen löst und die Kommunikation auf eine intimere und persönlichere Ebene bringt. Diese Transzendenz kollidiert, trifft und verschmilzt unweigerlich mit den Gefühlen jeder Person, die in den Genuss der künstlerischen Wahrnehmung kommt, und führt unweigerlich zu einer einzigartigen Reaktion jeder Betrachter*in auf die Deutung, welche ein grundlegender und notwendiger Bestandteil des Wahrnehmens des Werkes ist.
Die Transzendenz des Kunstwerks bietet dem Subjekt, welches dieses wahrnimmt, die Möglichkeit, seinerseits zu transzendieren, um eine Ebene der Kommunikation, einen Gedanken oder eine Vision zu erlangen, die von den Beziehungs- und Erfahrungsregeln einer Gesellschaft befreit sind, welche dazu neigt, die Handlungen und Gedanken eines allzu persönlichen Gefühls nicht zu begünstigen.
Die Beziehung zwischen dem Kunstwerk und seiner Betrachter*in ist das Element, das die Transzendenz des Kunstwerks vermittelt. Die Künstler*in gibt in dem Moment, in dem sie ihrem Werk als "Kunstproduzent*in" abschließt, diesem die volle Freiheit, welche sich mit der freien Absicht der Betrachter*in überschneidet und bestätigt wird. Diese Emanzipation des Gedankens, die von der Transzendenz der Beziehung zwischen Werk und Betrachter*in geleitet wird, kann zu einer anderen Wahrnehmung der Realität führen, in welcher der Mensch gezwungen ist, zu leben, indem Intuitionen, Enthüllungen oder Enttäuschungen zur Geltung kommen. Die Kunst dringt in die Gefühlswelt der Betrachter*in ein und versucht, neue Visionen zu schaffen oder die aus einer unpersönlichen Haltung stammenden, tief verwurzelten Visionen zu ändern. Lässt sich die Betrachter*in von seinen eigenen Gedanken hinsichtlich der spontanen Wahrnehmung leiten, überschreitet sie den Moment, um den Berührungspunkt von sich und dem Kontext zu erlangen. Die Betrachter*in wird ihrerseits zur Künstler*in, zur Produzent*in dessen, was Beuys "soziale Plastik" nennt. Jene ganzheitliche Dimension unserer Existenz, die uns alle zu Kunstproduzent*innen macht, die fähig sind, die Welt, in der wir leben, ständig neu zu gestalten. Die Aufgabe der Kunst ist es, diesen Gedanken in seiner authentischsten und transzendentesten Form zu begünstigen. Diese Einbeziehung der Betrachters*in in die künstlerische Wahrnehmung versuche ich in meinem Werk hervorzuheben, indem ich ab und zu versuche, die Vision nicht mit teilweise nutzlosen und irreführenden verbalen Konstrukten zu beeinflussen, oder die Betrachter*in in das Werk eintauchen lasse und einen ortsspezifischen Kontext schaffe, in welchem die Betrachter*innen ermutigt werden, das Werk zu durchschreiten und mit dem Werk zu interagieren.
Fabrizio Odori, geboren in Bergamo, lebt in der Provinz Brescia.
Ich betrachte mich selbst gerne als einen, keinen und hunderttausend. Meine vielseitige Neugier hat mich dazu gebracht, mich neben ständiger persönlicher Hinterfragung mit verschiedenen Lebensbereichen zu beschäftigen, von Kunst und Musik bis hin zur Schneiderei und Sozialarbeit. Ich glaube, ein langer roter Faden bestimmt meine Existenz und alles, was ich tue, kann perfekt mit meinem Wesen verwoben sein.
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