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Premiere in Rom | 02.11.2021
Abwesenheit: ein Mehrwert für beide Seiten

Premiere in Rom der „Konferenz der Abwesenden“
Premiere in Rom der „Konferenz der Abwesenden“ | © Goethe-Institut Italien | Foto: Giulia Carlei e Gaia Del Bosco

Mit ihrem ganz auf Telepräsenz basierenden Stück transzendieren Rimini Protokoll den Körper und lassen ihn zugleich im Mittelpunkt der gedanklichen Auseinandersetzung. Gestern fand im Kulturzentrum La Pelanda auf dem Gelände des Mattatoio di Roma die Premiere statt.

Von Giulia Carlei und Gaia Del Bosco

Gestern Abend wurde im Kulturzentrum La Pelanda im Mattatoio, dem ehemaligen Schlachthofgelände in Rom, zum ersten Mal die „Konferenz der Abwesenden“ abgehalten. Das Stück erwischte das gesamte Publikum kalt. Kaum hatte die freundliche (aber durchsetzungsstarke) Stimme, die durch die verschiedenen Phasen der Performance führte, angekündigt, dass jemand auf die Bühne steigen müsse, um den Beteiligten der Konferenz, sprich den Abwesenden, eine Stimme zu geben, senkte sich eisern eine verlegene Stille im ganzen Raum herab, gleich darauf brach allgemein aufgeregtes Gelächter los. Offensichtlich war die Verwirrung auf den Gesichtern der Leute, die als erste die Bühne bestiegen.

Doch nach einem schüchternen und zuweilen ungelenken Einstieg, ließen sich nach und nach alle gehen, während sie mit der Geschichte, die sie erzählten, vertraut wurden, also indirekt auch mit der Person, die sie repräsentierten. Es gibt einen genau bestimmbaren Moment, in dem dieser Übergang greifbar wird: Die Person auf der Bühne konzentriert sich, fängt an, ins Publikum zu blicken, manche erregen sich, es wirkt wie eine Fusion zwischen dem Avatar und dem Konferenzgast.

Und doch war es, den Erklärungen derer zufolge, die auf die Bühne gegangen sind, eine entfremdende Erfahrung. Martina, die an der Accademia di Belle Arti studiert, erzählt uns begeistert: „Es war sehr befremdlich: Die Lichter schienen mir ins Gesicht, ich konnte nichts sehen, habe mich aber trotzdem beobachtet gefühlt. Ich war allein, aber in dem Bewusstsein, angeschaut zu werden, ich war mir entfremdet, aber gleichzeitig tief mit mir selbst verbunden: eine Art Selbsterfahrung auf höchstem Niveau.“

Das ist übrigens auch das Ziel, das Rimini Protokoll mit diesem komplett auf der Idee der Telepräsenz basierenden Stück verfolgen. Häufig wird Telepräsenz als „das Gefühl, anwesend zu sein“ gedacht, ermöglicht durch eine Art virtueller Verlängerung unseres Körpers. Das Projekt des deutschen Trios geht weit über diesen Aspekt hinaus: Es transzendiert den Körper, und lässt ihn zugleich im Mittelpunkt der gedanklichen Auseinandersetzung. Die Teilnehmenden der Konferenz spüren dieses Gefühl der Anwesenheit durch einen anderen Körper, der ihnen häufig Erfahrungen erlaubt, die sie mit ihrem eigenen Körper gar nicht machen könnten.

Der „Leihkörper“ ist aber natürlich nicht nur Körper: Während der Avatar seinen eigenen Körper und seine eigene Stimme verleiht, schafft er eine Verbindung mit dem anderen und tritt stärker in Kontakt mit sich selbst. Die Abwesenheit wird zum Mehrwert für beide Seiten.

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