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Berlinale-Blogger*innen 2024
Das zweite Leben der Systemsprengerin

Saoirse Ronan in „The Outrun” (GB, DE 2024). Regie: Nora Fingscheidt
Saoirse Ronan in „The Outrun” (GB, DE 2024). Regie: Nora Fingscheidt | Foto (Detail): © The Outrun

„The Outrun“ ist Nora Fingscheidts zweite internationale Produktion nach dem Berlinale-Hit „Systemsprenger“. Mit US-Star Saoirse Ronan in der Hauptrolle liefert die deutsche Filmemacherin das packende Drama einer Alkoholikerin.

Von Philipp Bühler

Ein Pub in London, lange nach der Sperrstunde: Schnell noch die letzten Reste gekippt, dann wird Rona aus dem Pub geworfen. Die Betrunkene wehrt sich nach allen Kräften, brüllt und zetert, heftige Reißschwenks vermitteln ihren Kampf um ein bisschen Spaß, harte Schnitte ihren Kontrollverlust am Ende einer durchzechten Nacht. „Ich werde nüchtern nie mehr so glücklich sein,“ wird sie später sagen. Zunächst behält sie ein blaues Auge.

Romanadaption mit fulminanter Bildsprache

Fast glaubt man, wie Rona in manchen Momenten, doppelt zu sehen, als hätte Nora Fingscheidt mit The Outrun ihren Berlinale-Erfolg von 2019 einfach noch einmal gedreht. Und tatsächlich fällt es schwer, in der von Saoirse Ronan so fabelhaft gespielten Alkoholikerin Rona keine biografische Fortsetzung der neunjährigen Bernadette in Systemsprenger zu sehen. Die erneut fulminante – um nicht zu sagen rauschhafte – Bildsprache kann aber nur funktionieren, weil sich hier zwei gefunden haben. Der irisch-amerikanische Hollywood-Star Ronan selbst soll Fingscheidt um diese Buchadaption gebeten haben. Nun weiß man warum. Nach dem gefloppten Sozialdrama The Unforgivable (USA/D 2021) zeigt die deutsche Filmemacherin – vor vielen Jahren übrigens Teilnehmerin im Programm Berlinale-Talents – in dieser zweiten internationalen Produktion all ihre Stärken.

Ausnüchtern auf den Orkney-Inseln

Dabei hat Ronas traurige Alkoholikerinnen-Karriere durchaus Kitschpotenzial. In London gescheitert, zieht die arbeitslose Biologin zum Entzug zurück auf die Orkney-Inseln vor Schottland, in die Heimat ihrer Eltern. Da gibt es keine wilden Partys, aber die Anonymen Alkoholiker. Und natürlich die herrlich raue Landschaft, leicht zu lesen als Spiegelbild einer von Stürmen umtosten Seele. Aber Fingscheidt und Amy Liptrot, die Buch- und hier auch Co-Autorin, halten die Sache spannend. Analog zu Ronans permanenten Rückfällen verunklart eine dynamische Rückblendenstruktur die schwankenden Stadien der Sucht, der Griff zur Flasche bleibt immer möglich. In einer großartig orchestrierten Szene dirigiert sie das Meer – wie sie es früher, zumindest in ihrer Einbildung, mit den feiernden Massen in den Pubs gemacht hatte. Aber so ein Entzug ist nun mal kein Urlaub, und Fingscheidts Inselromantik von überzeugend herber Natur. Für den Berlinale-Wettbewerb kam The Outrun leider nicht in Frage, seine Weltpremiere hatte der Film bereits im Januar beim US-amerikanischen Sundance Film Festival.

 

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