Mehr Demokratie am Arbeitsplatz
Ein Weg zur Guten Arbeit?
![Arbeiterinnen in der Maier-Fabrik (qr) Drei arbeitende Frauen in der Maier-Fabrik](/resources/files/jpg1159/trabajadoras-en-la-fabrica-de-maier.-cortesia-de-mondragon-corporation_2300x1000px-formatkey-jpg-w983.jpg)
Unternehmen demokratischer und partizipativer gestalten – das ist eines der größten Anliegen in der gegenwärtigen Arbeitswelt. Wir werfen einen Blick auf die Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland, Europa und Spanien.
Von Víctor Millán
Die sogenannte betriebliche Mitbestimmung in Deutschland hat seit Jahrzehnten die Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen gestärkt. Dabei ist gesetzlich festgelegt, dass Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten über Mechanismen verfügen müssen, die den Arbeitnehmer*innen ein Mitspracherecht bei der Unternehmensführung einräumen. Diese Mechanismen gehen bis auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, bevor sie in den 1950er Jahren in den deutschen Montanunternehmen gesetzlich verankert wurden. Die Mitbestimmung bedeutete einen Paradigmenwechsel für die Arbeitsbeziehungen und die -kultur im Land, mit klaren Vorteilen gegenüber eher autoritären und vertikalen Organisationsstrukturen, weil sie eine viel partizipativere und demokratischere Arbeitsorganisation verfolgt.
Doch wie steht es um die Mitbestimmung und Demokratie in der Arbeitswelt außerhalb Deutschlands? „Das Beispiel Deutschland ist wirklich interessant und anders. Obwohl andere Länder versucht haben, das Modell zu imitieren, besteht der grundlegende Unterschied darin, dass im deutschen Recht alles sehr detailliert geregelt ist. Es gibt Richtlinien und Entscheidungsebenen für die Beschäftigten, die je nach der Gesamtzahl der Mitarbeitenden variieren. All dies trägt dazu bei, dass wichtige Entscheidungen in der Regel im Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer*innen und Geschäftsführung getroffen werden müssen. Allerdings spreche ich, wenn ich den Begriff übersetze, lieber von ‚Mit-Entscheidung‘ als von Mitbestimmung”, erklärt Sara Lafuente, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Europäischen Gewerkschaftsinstitut in Brüssel. In der Praxis sind die Arbeitnehmer*innen im deutschen Mitbestimmungsmodell, vor allem an einem bestimmten Gremium, dem Aufsichtsrat, beteiligt, der Einfluss und in einigen Fällen sogar ein Vetorecht gegenüber dem Vorstand hat und an Entscheidungen wie der Wahl von Führungskräften, der Vergütung oder größeren Veränderungen im Unternehmen mitwirken muss.
Auch in der Europäischen Union gibt es den Wunsch nach mehr Demokratie in der Arbeitswelt. Er wurde im Dezember 2021 in einem vom Europäischen Parlament bereits verabschiedeten Vorschlag, schwarz auf weiß festgehalten. Der Text, der von der deutschen Europaabgeordneten Gabriele Bischoff eingebracht und von der S&D Fraktion unterstützt wurde, fordert die Kommission auf, die Mechanismen für mehr demokratische Mitbestimmung am Arbeitsplatz auf den neuesten Stand zu bringen, zu überprüfen und gemeinsame Faktoren für Unternehmen in den Mitgliedstaaten festzulegen. „Demokratie ist lebendig, wenn Bürgerinnen und Bürger sich in allen Bereichen ihres Lebens beteiligen und Gehör verschaffen können, auch am Arbeitsplatz“ , wie Bischoff in ihrem Bericht vor dem Parlament, der anschließend vom Rat gebilligt werden muss, erläutert. „Es gibt von Seiten der Gesetzgeber noch viel zu tun, bevor das Modell beschlossen und umgesetzt wird, aber es ist ein wichtiger Schritt nach vorn, der auch im Kontext der COVID-19-Pandemie steht. Diese hat viele Arbeitnehmer*innen dazu gebracht, ihr Verhältnis zur Arbeit zu überdenken“, sagt Lafuente. Ob sich Europa nun einem einheitlichen Modell zur Demokratisierung der Arbeit annähert oder nicht: Was ist mit anderen Ländern wie Spanien?
Der Fall Mondragón im Baskenland
In Spanien, so Lafuente, seien Mitbestimmungsmodelle „nie ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Das in Spanien übliche Modell der gewerkschaftlichen Mitbestimmung hat damit nichts zu tun, auch wenn einst versucht wurde, es in ganz oder teilweise staatlichen Unternehmen zu etablieren“, sagt sie. Lafuente verweist auf Unternehmen wie Navantia, Hunosa und Tragsa, wo – seien sie auch in der Minderheit – Gewerkschaftsvertreter*innen in den Verwaltungsräten eine gewissen Präsenz haben. Einem Modell, bei dem die Arbeitnehmer*innen direkt an der Unternehmensführung beteiligt sind, kommen in Spanien die Kooperativen am nächsten. Obwohl das Genossenschaftsmodell hier in der Regel mit kleinen und mittleren Unternehmen in Verbindung gebracht wird, gibt es auch in Spanien mehrere Genossenschaften mit Tausenden von Beschäftigten. Die wichtigste davon ist die Mondragón Corporation, eine Unternehmensgruppe, die sich aus Genossenschaften der Industrie mit mehr als 37.000 Arbeitnehmer*innen zusammensetzt, von denen 80 Prozent Teilhaber sind.![Die Firma Mondragón im Baskenland Logo der Firma vor einer ihrer Niederlassungen.](/resources/files/jpg1158/sede-mondragon-corporation---wikimedia-commons-formatkey-jpg-w983.jpg)
Den Arbeitnehmer*innen eine Stimme geben
Neben den Genossenschaften haben auch andere Unternehmen in Spanien die Arbeitnehmerbeteiligung ausgeweitet, selbst wenn dadurch scheinbar nicht immer den Wünschen „des Chefs“ entsprochen wird. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Software DELSOL, einem Technologieunternehmen mit Sitz in Mengíbar (Jaén), das seinen Mitarbeiter*innen ab Anfang 2020 eine Vier-Tage-Woche angeboten hat.![Angestellte von Software DELSOL Angestellte von Software DELSOL betreten das Unternehmen.](/resources/files/png120/trabajadores-entrando-en-la-sede-de-software-del-sol.-cortesia-de-la-empresa-formatkey-png-default.png)
Ob diese Ausnahmen, die den Arbeitnehmer*innen ein Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht ermöglichen, in den kommenden Monaten oder Jahren zur Regel werden, wird sich zeigen, Aber es scheint offenkundig zu sein, dass uns diese Modelle der partizipativen Entscheidungsfindung dem von vielen ersehnten Ideal eine Guten Arbeit ein Stück näher bringen können.
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