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Musikgeschmack
Music was my first love

„Music was my first love“, sang schon John Miles: Welche Rolle spielt unser Musikgeschmack für unsere Persönlichkeit – und wieso ist Musik gerade in der Pubertät so wichtig?
„Music was my first love“, sang schon John Miles: Welche Rolle spielt unser Musikgeschmack für unsere Persönlichkeit – und wieso ist Musik gerade in der Pubertät so wichtig? | Foto (Detail): © Adobe

Wir lieben Musik. Einige Stücke begleiten uns ein ganzes Leben, andere Songs würden wir uns nie antun. Welche Rolle spielt unser Musikgeschmack für unsere Persönlichkeit, für Identität, gesellschaftliche Zugehörigkeit – und Abgrenzung? Und wieso ist Musik gerade in der Pubertät so wichtig?
 

Von Taren-Ida Ackermann

In kaum einer Lebensphase spielen Musik und der persönliche Musikgeschmack eine so bedeutende Rolle wie in der Pubertät, während des Erwachsenwerdens. Was früher die Musiksammlung in Form von Schallplatten, Kassetten oder CDs war, ist heute die individuelle Musikbibliothek auf dem Handy – die Technik hat sich geändert, doch die Bedeutung bleibt: Nach wie vor sind Lieblingslieder, das Werk von einzelne*n Künstler*innen oder ganze Musikstile so wichtig für Jugendliche, dass sie sie besitzen oder jederzeit auf sie zugreifen können wollen. Weshalb ist das so – gerade in der Zeit, in der Jugendliche ihre Identität und Persönlichkeit suchen?

Für jede Situation ein anderer Song

Ohne geliebte Musik geht oft nichts: Man braucht sie im Alltag, zur Regulation von Gefühlen, als Hintergrundgeräusch gegen die Stille, als Ablenkung und Beschäftigung während der Fahrt zur Schule, Universität oder Arbeit, als Mittel gegen Langeweile und Einsamkeit und zur Untermalung des eigenen Lebens, wie ein ganz individueller Soundtrack. Dabei eignet sich nicht jeder Song oder jeder Musikstil für jede Situation. Manche Stücke geben vielleicht den nötigen Schwung für die Hausarbeit, andere sind ideal zum Tanzen und Feiern, aber eignen sich nicht als Hintergrundmusik beim Lernen.

Es ist also durchaus wichtig, in welchem Kontext Musik gehört wird und wie gut sie sich für eben diesen Einsatz eignet. Deshalb umfasst unsere Lieblingsmusik auch für gewöhnlich nicht nur eine einzige Kategorie: Songs, die auf einem Konzert besonders mitreißen, gehören ebenso dazu, wie Songs, die bei schlechter Laune perfekt sind, um negative Energie rauszulassen. Damit Musik geschätzt wird, muss sie also nicht universell einsetzbar sein, sondern unter bestimmten Umständen besonders gut passen. Was aber macht unsere absoluten Lieblingssongs oder -künstler*innen so besonders, dass wir sie mehr als alle anderen lieben?

Musik drückt aus, wer wir sein wollen

In Umfragen zeigte sich, dass sowohl von Jugendlichen als auch von Erwachsenen jene Musik am stärksten geschätzt wird, die einen Zusammenhang zur eigenen Identität aufweist – die ausdrückt, wer man selbst ist. Besonders in der Pubertät spielt diese Verbindung von Identität und Musik eine große Rolle: Über die Auswahl bestimmter Musikstile und Interpret*innen können Jugendliche einerseits zeigen, welche Interessen und Überzeugungen ihnen etwas wert sind, und andererseits genau damit experimentieren. Das funktioniert, weil Musik neben dem Inhalt des Songtextes auch mit vielen weiteren Eigenschaften assoziiert wird, die etwa mit der Person oder dem Musikstil zusammenhängen können.
 

In Umfragen zeigte sich, dass sowohl von Jugendlichen als auch von Erwachsenen jene Musik am stärksten geschätzt wird, die einen Zusammenhang zur eigenen Identität aufweist.

Über Interviews und Social Media sind beispielsweise politische Einstellung, aber auch der Lebensstil, die Kleidung, möglicherweise die Religion und charakterliche Eigenschaften der Musiker*innen und Sänger bekannt und werden auf ihre Musik (und weiter auch auf ihre Hörer*innen) übertragen. Auch bei ganzen Musikstilen werden mit den Künstler*innen und Fans dieser Musik bestimmte Eigenschaften und Vorlieben verknüpft: Fans von Volksmusik, Country und Schlager gelten eher als heimatverbunden, konservativ, aber auch treu, während Techno-Fans eher als partylustig und experimentierfreudig angesehen werden.

Gerade in der Pubertät ermöglicht es Musik daher, unterschiedliche Rollen auszuprobieren und je nach Situation und Umgebung unterschiedliche Aspekte der eigenen Persönlichkeit hervorzuheben. Auf Konzerten und in Clubs findet man leicht musikalisch Gleichgesinnte, und über Fotos nach solchen Veranstaltungen kann man sich selbst mit dieser Musik auf Social Media präsentieren. Bei anderer Musik hingegen entscheidet man sich vielleicht auch, sie zu verschweigen und nur „heimlich“ zu konsumieren.

Hated Music: Abgrenzung durch Musik

Zum persönlichen Musikgeschmack gehören nämlich nicht nur die Vorlieben, die besonders geliebten Stücke und Künstler*innen – sondern auch die Musik, der man ablehnend gegenübersteht. Und ähnlich wie Musikvorlieben erfüllt auch die Abneigung bestimmte Funktionen hinsichtlich der eigenen Identität, dient dem sozialen Zusammenhalt und der Abgrenzung.

Dies funktioniert auf verschiedenen Ebenen: Als Freundeskreis beispielsweise grenzt man sich gegen bestimmte Musikstile ab, mit denen man Eigenschaften verbindet, die man selbst nicht hat und haben will. Die Ablehnung wirkt dabei als verbindendes, gemeinsames Element. Ein einfaches Beispiel ist hier die Ablehnung politisch anders eingeordneter Musik wie Rechtsrock oder Country in einem eher linksliberal geprägten Umfeld.

Einzelne hingegen können Ablehnungen nutzen, um sich selbst gegenüber den eigenen Freunden abzugrenzen. So mögen vielleicht alle den gleichen Sänger, aber jeder schätzt ein besonderes Album oder einen Song, findet andere Stücke hingegen schlechter oder mag sie gar nicht. Diese speziellen persönlichen Vorlieben und Abneigungen bietet einerseits Gesprächsstoff und unterscheiden andererseits die Mitglieder der gleichen Gruppe oder des Freundeskreises voneinander.

Das bin ich: Lieblingsmusik erzählt die eigene Geschichte

Für Jugendliche in der Pubertät steht diese soziale Positionierung im Vordergrund, sie besprechen ihre Vorlieben und Abneigungen miteinander und präsentieren Kleidung oder Konzertfotos. Im Erwachsenenalter wird der Musikgeschmack hingegen privater. Zwar ist geteiltes Musikinteresse nach wie vor ein Grund, gemeinsame Aktivitäten wie Konzertbesuche zu unternehmen. Unterschiede in den Vorlieben und Abneigungen werden aber weniger thematisiert und stehen in der Regel Freundschaften nicht mehr im Wege.
 

Während für Jugendliche in der Pubertät die soziale Positionierung im Vordergrund steht, wird der Musikgeschmack im Erwachsenenalter privater.

Was jedoch auch im Erwachsenenalter bleibt, ist der enge Bezug des individuellen Musikgeschmacks zum Selbstbild. Mit bestimmten Stücken verknüpft man Erinnerungen, andere Songs vermitteln Inhalte, an die man anknüpfen kann. Die musikalischen Vorlieben spiegeln Eigenschaften, die womöglich auch in anderen Lebensbereichen oder Künsten eine Rolle spielen, zum Beispiel Komplexität oder Schlichtheit, Harmoniebedürfnis, spielerische Leichtigkeit oder klare Ordnung, Authentizität oder Kunstfertigkeit.

Je nach Situation, Umfeld, Stimmung und Zweck bietet die Musik durch die enorme Vielfalt an Stilen und Werken die Möglichkeit, viele oder sogar alle Facetten der eigenen Identität mit ihr zu verbinden, auszuleben oder auch darzustellen. Die Veränderungen des Geschmacks spiegeln dann auch die Veränderungen der Persönlichkeit, das Erwachsenwerden, neue Freunde und ein verändertes Umfeld wider – und alte Musiksammlungen bieten zugleich jederzeit die Möglichkeit, zurückzukehren und einen Blick auf sein früheres Ich zu werfen.

Music was my first love And it will be my last Music of the future And music of the past… (John Miles, “Music”)

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