Literaturhaus Berlin
Zeichnen bedeutet Kommunizieren
Seit 2. November findet unser Frühstück im Literaturhaus Berlin auf etwas andere, kreative Art statt. Wir haben den ganzen Garten für uns, das Kaffeehaus ist vorübergehend geschlossen. Heute treffen wir hier die Illustratorin und Comiczeichnerin Sophia Martineck, die in Italien für ihre Comicadaption des Märchens „Hänsel und Gretel“ bekannt ist („Hansel e Gretel“, Canicola edizioni). Ihr jüngstes Werk ist eine illustrierte Biografie von Hannah Arendt (Text von María Isabel Sánchez Vegara, Insel Verlag).
Ich habe von zu Hause eine Thermoskanne mit italienischem Kaffee und eine Schachtel Mandelkekse mitgebracht. Alles, was man braucht, um in Zeiten des Teil-Lockdowns ein erfrischendes Interview zu führen und in die gezeichnete Welt von Sophia Martineck einzutauchen.
Von Giulia Mirandola
Was isst Sophia Martineck gewöhnlich zum Frühstück?
Ich esse jeden Morgen ein Brötchen mit Käse und trinke eine Tasse Kaffee. Immer. Nur das.
Das Literaturhaus ist nicht nur ein Kulturprojekt, sondern auch ein Haus. Wie zeichnet man ein Haus?
Wir befinden uns hier in einem klassischen Haus, mit einem Erker, Dachfirsten, unterschiedlichen Steinen, einem Treppenaufgang. Durch die Fenster kann man einen Blick ins Innere werfen, aber gleichzeitig auch von drinnen nach draußen sehen. Wir haben also eine dreidimensionale Ansicht. Die Städte, die ich zeichne, zeigen ein Nebeneinander von verschiedenen Häusern aus unterschiedlichen Epochen, einen Mix aus alten und neuen, hässlichen und schönen Gebäuden. Die Optik eines Hauses transportiert immer eine Geschichte.
Was ist für Sie ein Buch?
Ein Buch ist eine Abfolge von Doppelseiten, kann Texte und Bilder enthalten, hat einen Anfang und ein Ende. Gleich, ob die Geschichte kurz oder lang ist, ein Buch beginnt in jedem Fall mit einem Cover und endet mit einer Doppelseite. Ein Buch ist ein Objekt, das man mitnehmen, in der Hand halten, verschenken, ausleihen und verleihen, verkaufen und tauschen kann. Es fasziniert mich, weil es ein zeitloses Format ist.
Was bedeutet Zeichnen für Sie und wie gehen Sie dabei vor?
Was mir am Zeichnen gefällt, ist die Möglichkeit, durch Bilder etwas zu erzählen. Zeichnen bedeutet, zu kommunizieren, und diesen Aspekt finde ich extrem spannend. Meine Zeichnungen entstehen zur Hälfte analog, zur Hälfte digital. Ich zeichne mit Bleistift in Schwarzweiß und Graustufen. In dieser Phase benutze ich unterschiedlich harte Minen, von 6H bis B. Ich zeichne zuerst die Linien, dann die Schattierungen und am Ende scanne ich die Bilder ein und arbeite mit Photoshop an den Farben.
An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?
Ich habe gerade für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen dokumentarischen Comic fertiggestellt. Er erzählt von jungen Menschen mit Familienangehörigen, die an Demenz oder multipler Sklerose erkrankt sind. Ein anderes Projekt umfasst eine Plakatreihe im Comic-Format für eine Informationskampagne der Charité Berlin, die darüber aufklären soll, warum wir in der Notaufnahme warten müssen.
Parallel zu Ihrem Beruf als Illustratorin sind Sie seit 2018 als Dozentin an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Wismar – University of Applied Sciences tätig. Was unterrichten Sie dort?
Im Grundstudium unterrichte ich akademisches Zeichnen und Farbe/Malerei. Dort arbeiten wir an den Techniken und an den physischen Eigenschaften von Farben, sehen uns zum Beispiel an, wie viele Weißtöne existieren, und lernen, Farben bewusst wahrzunehmen und einzusetzen. Im Hauptstudium lehre ich Illustration und behandle jedes Semester ein anderes Thema: Bilderbücher, Comics, Plakate. Meine Aufgabe sehe ich auch darin, den Studierenden verschiedene Arbeiten von anderen Zeichner*innen und was man alles Schönes illustrieren kann zu zeigen. Zufall und Fehler sind auch sehr wichtig für den Gestaltungsprozess. Dadurch bekommt man manchmal erst die richtige Idee.
Wo trifft sich die Illustrator*innen-Szene in Berlin?
Eigentlich gibt es da keinen festen Ort. Es gibt manchmal Ausstellungseröffnungen, offene Ateliers, kleine Buchhandlungen, die unabhängige Veranstaltungen organisieren. Messen sind wichtige Orte für den gemeinsamen Austausch: Leipzig, Frankfurt, Bologna – dort treffen sich dann alle. Oder auf internationalen Festivals. Berlin ist ein Epizentrum, hier leben viele Kollegen und Kolleginnen aus unterschiedlichen Teilen der Welt und die Stadt ist das Element, das uns verbindet.
Sie sind Mitglied der Musikgruppe Mazookas. In welcher Beziehung stehen Illustration und Musik?
Alle Bandmitglieder arbeiten im visuellen Bereich: Illustration, Typographie, Fotografie, Graphikdesign. Wir spielen Lieder von Osteuropa bis Westamerika, kleine Perlen osteuropäischer Volksmusik bis zu Bluegrass und Ragtime. Wenn wir vor Publikum auftreten, arbeiten wir auf der Bühne auch mit Illustrationen, Projektionen, Puppen, Lichtern, Fahnen. Bilder und Musik treffen aufeinander. Die musikalische Erzählung wird zu einer visuellen, wir illustrieren unsere Bilder mit Musik. Zu manchen Liedern gibt es auch illustrierte Hefte. Das Ganze macht einfach Spaß – uns und denen, die uns zuhören.
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