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Oma Trude
Solidarisch in Richtung Agrarwende

Solidarisch in Richtung Agrarwende
© Foto (Detail): Andreas Goellner / Pixabay; © Illustration: Celine Buldun

Solawi: Hinter dieser Abkürzung steckt eine Idee mit viel Nachhaltigkeitspotenzial für die Landwirtschaft. Oma Trude ist begeistert – und erklärt, wie es funktioniert.

Von Oma Trude

Ihr Lieben,

eigentlich bin ich sprach- und fassungslos angesichts des Krieges in der Ukraine. Aber mein monatlicher Brief an Euch lenkt mich ab, und ich denke einmal nicht an die vielen Geflüchteten aus der Ukraine, die auch Augsburg längst erreicht haben. Hoffentlich hat dieser Wahnsinn bald ein Ende! Ich wünsche es den Ukrainerinnen und Ukrainern so sehr! Die Welt dreht sich zwar weiter, der Frühling kommt trotzdem, aber es wird eine andere Welt sein.

Meine Freundin, die Solawista

Mit dem Frühling sprießt es überall im Garten und auf den Feldern. Dieser herrliche Anblick bringt mich dazu, Euch heute von dem sehr schönen Gedanken der solidarischen Landwirtschaft, kurz Solawi zu erzählen, der sich hier bei uns im ländlichen Raum in Stadtnähe immer mehr verbreitet. Meine Freundin Inge, die ja in der Stadt wohnt, hat Anteile einer solchen Genossenschaft gekauft und zusätzlich eine Gemüsekiste abonniert. Sie ist jetzt eine Solawista! Klingt schon mal gut, finde ich. Vielleicht gibt es so etwas ja auch bei Euch.

Gemüse aus der Region für die Region – wie funktioniert’s?

Eine Solawi wird auch Landwirtschafts- oder Versorgungsgemeinschaft genannt. Bei unseren österreichischen Nachbar*innen sagt man GeLaWi dazu, Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft, und in der Schweiz heißt es Regionale Vertragslandwirtschaft. Dies sind die Grundgedanken:
  • Die Landwirtschaft der Region wird nachhaltig gestaltet.
  • Man teilt sich die Ernte.
  • Wer Lust hat, arbeitet mit.
Hier kommt für Euch eine kurze Beschreibung, wie das Ganze funktioniert: Man braucht einen Bauern, eine Bäuerin oder jemanden mit einer Gärtnerei sowie eine Gruppe von Mitstreiter*innen, und es kann losgehen. Die Bäuerin oder der Bauer produziert nicht mehr für den Markt, sondern direkt für eine feste Zahl an Verbrauchern, die das Ganze finanziell mit Genossenschaftsanteilen in Höhe von beispielsweise 150 Euro unterstützen. Diese Anteile sind das Startkapital, um den Betrieb aufzubauen oder Zäune, Geräte, Bewässerungsanlagen, eine Scheune und ähnliches kaufen zu können. Außerdem können die Personen, die Anteile erworben haben, „ihren Bauernhof“ tatkräftig unterstützen: beim Bau eines Gewächshauses oder bei der Feldarbeit. Der Aufwand hält sich laut Inge aber in Grenzen, und wer diese Zeit nicht aufbringen kann, der muss in seiner Solawi auch nicht mithelfen.

Der Betrieb kann durch die verkauften Anteile jedenfalls besser planen. Gut für die Umwelt ist dabei, dass es viel kürzere Transportwege gibt – schließlich spielt sich alles in der eigenen Region ab. Und es werden weniger Lebensmittel weggeworfen. Außerdem gibt es schlicht keinen Verpackungsmüll: Inge radelt mit ihrer Einkaufstasche zu ihrer Abholstation, wo sich das Obst und Gemüse in Kisten befindet, aus denen sie sich bedient. NULL Verpackungsmaterial! Das erinnert mich an früher. Eine Abholstation muss nicht zwingend ein Hofladen oder ein klassisches Ladengeschäft sein, auch eine private Garage dient dem guten Zweck.

Umweltschutz, Fairness & Solidarität

Vieles ist toll an einer Solawi: Die Solawistas feiern gemeinsam wunderbare Erntefeste, ein Zuviel an Gemüse wird gemeinsam eingekocht, Kinder lernen, dass ihre Nahrungsmittel nicht aus „Gemüsefabriken“ kommen und krummes Gemüse bekommt eine Chance. Warum nicht mal eine zweibeinige Karotte essen?! Gemeinsame Kochabende stehen in Inges Solawi nach Corona auch wieder auf dem Programm. Je nach Kisteninhalt befindet sich gezielt das eine oder andere Rezept darin – falls jemand einmal nicht weiß, was er zum Beispiel mit Kerbel oder Schwarzkohl anfangen soll. Die saisonal gefüllte Kiste im Abo mit ganz frischem Gemüse bereichert den Speiseplan auf jeden Fall, da sie oft seltene oder unbekannte Sorten enthält. Inge hat mir erzählt, dass in ihrer Solawi fleißige Helfer*innen das Gemüse am Dienstagvormittag ernten. Am Nachmittag landet es in den Kisten – da hat sie auch schon mitgeholfen – und am Abend wird es an die Abholstation geliefert. Frischer geht es wirklich nicht!

Im Winter gibt es dagegen auch Lagergemüse aus Erdkellern und zur Abwechslung einen Saft, Honig oder ein in der Genossenschaft gemeinschaftlich hergestelltes Sugo. Je nachdem, wie die jeweilige Solawi organisiert ist. Der Bauer spart sich die Zeit der Vermarktung seiner Produkte und unterliegt vor allem nicht mehr dem Druck unrealistisch niedriger Preise. Ich finde besonders diesen Gedanken sehr charmant: Solawi verhilft dem Erzeuger zu einem fairen Einkommen.

Und da sind noch mehr Pluspunkte:
  • Kleinbäuerliche Strukturen werden gefördert.
  • Der Zwischenhandel ist entbehrlich.
  • Solawi leistet einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz.
  • Es entsteht eine dringend notwendige Solidarität zu Bio-Bauern oder Bio-Gärtnern.
Und haltet Euch noch diesen schönen Aspekt vor Augen: Wir bekommen wieder ein Gefühl für die saisonale Verfügbarkeit von Obst und Gemüse. Erdbeeren im Winter, das muss doch wirklich nicht sein. Ich kann mir vorstellen, dass diese Art der Landwirtschaft uns hilft, natürliche Zusammenhänge zu verstehen, gesunde Ernährung auf eine ganz neue Art wertzuschätzen und wieder etwas mehr Bodenhaftung zu bekommen.

Es grüßt Euch herzlich
Eure Trude

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