Gesellschaftliche Teilhabe und Social Entrepreneurship
You(th) can impact – Interkulturelle Jugendbegegnung in Berlin und Kairo
Erinnerungsfoto während eines Stopps auf der Stadtrundfahrt durch Berlin | © Goethe-Institut Italien | Foto: Klaus Dorwarth
Nach einem Jahr Vorbereitung in acht Ländern hat das PASCH-Projekt „You(th) Can Impact“ seinen Höhepunkt erreicht: Vom 21.–31. Oktober 2021 trafen sich 43 Jugendliche in Berlin und elf Jugendliche im Großraum von Kairo, um ihre Projekte zu zivilgesellschaftlichem Engagement vorzustellen und nach länderübergreifenden Synergien zu suchen.
Von Klaus Dorwarth
Gesellschaft mitgestalten – Eine Chance für die Zukunft
Eine Welt schneller Veränderungen stellt unsere Gesellschaften vor neue Herausforderungen. Schulen stehen zunehmend in der Verantwortung, innovatives Denken und nachhaltiges Handeln zu fördern. Das Partizipationsprojekt You(th) Can Impact der Goethe-Institute in den Regionen Südwesteuropa und Nordafrika-Nahost sensibilisiert Jugendliche für die Bedeutung sozialen Engagements und die Chancen, die sich daraus für verbesserte Zukunftsperspektiven ergeben können.Ein Jahr lang entwickelten die Jugendlichen in ihren Heimatländern Ideen dazu, wie sie auf ihr gesellschaftliches Umfeld einwirken und ihre Lebenswirklichkeit verbessern können. In diesem Prozess wurden sie durch Trainer*innen des Goethe-Instituts in Online-Workshops begleitet. Das aus Erasmus+ Mitteln teilfinanzierte Projekt involvierte 50 PASCH-Schüler*innen aus Italien, Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, Ägypten und dem Libanon. Von deutscher Seite war eine Schülergruppe des Städtischen Max-Planck-Gymnasiums in Düsseldorf beteiligt.
Die wegen Corona schon einmal verschobene Begegnung bildete den langersehnten Abschluss der Aktivitäten in den teilnehmenden Ländern. Die ägyptische Gruppe, die aufgrund von Corona-Einreisebeschränkungen nicht anreisen konnte, organisierte sich in einem parallelen Treffen vor Ort: Aus der Oasenstadt Fayum südwestlich von Kairo schalteten sich die Schüler*innen aus dem Fayoum Art Center, einer Non-Profit-Organisation, regelmäßig nach Berlin hinzu und übermittelten zusammen mit ihren Projektideen orientalisches Flair in die Bundeshauptstadt.
Die ägyptischen Schüler*innen, zugeschaltet aus der Oasenstadt Fayum | © Goethe-Institut Italien | Foto: Klaus Dorwarth
Kompetenzförderung und social Entrepreneurship
Auf das eigene Lebensumfeld einzuwirken erfordert Kompetenzen. You(th) Can Impact hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendliche mit den Erfordernissen sozialen Unternehmertums vertraut zu machen. Unterschiedliche Soft Skills wie Empathie, Gestaltungswille, Teamarbeit und problemlösendes Denken sind einige der Ingredienzen, die eine erfolgreiche Projektplanung verlangt. Hinzu kommen Medienkompetenz, Instrumente des Projektmanagements sowie ein Grundverständnis dafür, was Social Entrepreneurship in seinem Wesen beinhaltet. Mit diesen Themen beschäftigten sich die Jugendlichen im Vorfeld der Begegnung seit November 2020.In der anfänglichen Umfeld- und Bedarfsanalyse (Profiling-Phase) hatten die Jugendlichen in ihren Heimatländern die Lebenssituation in ihrem sozialen und gesellschaftlichen Kontext untersucht. Ausgehend von den festgestellten Problemen und den daraus abgeleiteten Desiderata erarbeiteten sie ein Projekt, das ihre gemeinsame Lebensrealität verbessern soll. In dieser Game Changing-Phase kam es darauf an, die Instrumente des Projektmanagements zur Anwendung zu bringen: Beschreibung der Ziele und erforderlichen Maßnahmen, Kostenplan und Finanzierungsmöglichkeiten, Einbeziehung lokaler Stakeholder, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Reibungspunkte waren dabei immer wieder die Realisierungsmöglichkeiten der Ideen und deren unternehmerische Umsetzung in zielführende Maßnahmen. Bei alledem erlebten die Jugendlichen, wie wichtig eine gute Kommunikation innerhalb des Projektteams ist. Nicht zuletzt schärfte sich das Bewusstsein für die Frage: Wie kann ich mich mit meinen Charaktereigenschaften und persönlichen Fähigkeiten bestmöglich in das Projekt einbringen?
Junge Projektmanager: Schüler*innen aus dem Libanon | © Goethe-Institut Italien | Foto: Klaus Dorwarth
Berlin – Fayum: zwei Orte, ein Event
Die Corona-Einreisebeschränkungen für die Gruppe aus Kairo erlaubten keine gemeinsame Begegnung in Präsenz, aber ein virtuelles Kennenlernen beider Schülergruppen allemal. Hybrid miteinander verbunden, stand auf beiden Seiten ein abwechslungsreiches Programm, allem voran der Austausch über die entwickelten Projektideen und die Suche nach länderübergreifenden Synergien. Ein besonderer Zufall ermöglichte es einer Schülerin der ägyptischen Gruppe, an der Begegnung in Berlin teilzunehmen, was sie zum physischen Bindeglied zwischen beiden Austragungsorten machte.Für die Jugendlichen aus Kairo bildete das Fayoum Art Center die ideale Tagungsstätte. Als Non-Profit-Organisation widmet sich die Oasen-Werkstatt seit 2006 der Vernetzung lokaler, regionaler und internationaler Künstler. Die Schüler*innen konkretisierten ihre Projektpläne und trafen ägyptische Start-up Unternehmer, die sich zivilgesellschaftlichen Themen wie der Reinigung des Nils verschrieben haben. Eine Kulturpille aus der Oasenstadt erreichte die Schülergruppe in Berlin per Live-Streaming: Mit orientalischen Tänzen und Musik entließ eine Beduinengruppe die „Berliner“ nach einem intensiven Arbeitstag in den wohlverdienten Abend.
Die aus sieben Ländern bestehende Berliner Gruppe fand in einem internationalen Abend schnell zueinander. Auch in der deutschen Hauptstadt luden Expert*innen aus dem Bereich des Social Entrepreneurship die Jugendlichen zu Werkstattgesprächen ein. Design-Thinking-Aktivitäten, ein Workshop zum Youthpass der Europäischen Union und ein PASCH/Erasmus+ Atelier ergänzten das Programm. Neben Deutsch fungierte Englisch als Kommunikationsinstrument, was den Mehrsprachigkeitsgedanken von Erasmus+ stärkte und der Verständnissicherung komplexerer Inhalte entgegenkam.
Breiten Raum nahm der Austausch über die nationalen Projektvorhaben ein, die nun in den jeweiligen Heimatländern weiterverfolgt werden. So wollen sich beispielsweise die fünf Schülerinnen aus Albufeira (Portugal) mit ihrem Projekt „Licht und Dunkelheit“ dafür einsetzen, dass die Fenster in ihren Klassenzimmern mit Jalousien ausgestattet werden, um die lästigen Sonnenspiegelungen an den Tafeln abzustellen und in der warmen Jahreszeit niedrigere Raumtemperaturen zu gewährleisten. Davon sollen nicht nur die gegenwärtige Schulgemeinschaft, sondern auch künftige Schülergenerationen profitieren.
Die portugiesischen Schülerinnen mit ihrer Deutschlehrerin Martina Sousa (re.) | © Goethe-Institut Italien | Foto: Klaus Dorwarth
Aktiv für Italien: das Petrarca-Gymnasium in Triest
Ebenfalls für ihre Schule engagieren sich die Projektgruppen aus Frankreich und Belgien. Die Jugendlichen aus dem belgischen Arlon wollen bei sich Schulclubs einführen, die ein neues Forum für Debatten, journalistische Aktivitäten und Gesellschaftsspiele bilden sollen. Die Jugendlichen aus Blois (Frankreich) kombinieren den schulischen Nutzen mit einem Beitrag zum Umweltschutz: Durch die Installation eines schuleigenen Wasserspeichers soll das aufgefangene Regenwasser für den schuleigenen Wasserbedarf genutzt werden – ein nachhaltiges Projektvorhaben, das gleichzeitig hilft Geld zu sparen.Für Italien ist die PASCH-Schule in Triest, das Alt- und Neusprachliche Gymnasium Francesco Petrarca, aktiv geworden. Wie in den anderen Ländern musste auch dort eine klasseninterne Auswahl getroffen werden, da nur eine Projektgruppe nach Berlin eingeladen werden konnte. In Triest hatte sich die Klasse einvernehmlich für die Gruppe entschieden, die ein Projekt zum Tierschutz ausgearbeitet hatte. Unter dem Motto „Tierschutz ist Erziehung zur Menschlichkeit“ haben sich die fünf Schülerinnen Anna Bettini, Margherita Bevilacqua, Katarina Ilic, Lisa Prodani und Marija Redic vorgenommen, ein oft vergessenes Thema aufzugreifen: Sie wollen ihre heimische Öffentlichkeit dafür sensibilisieren, dass in zoologischen Gärten zahllose Tiere ihrer natürlichen Freiheit beraubt ein Dasein fristen, das mit zivilgesellschaftlichem Bewusstsein nicht zu vereinbaren ist. Traditionelle Zoos sollten deshalb von alternativen Formen wie Tierhologrammen und virtuellen Zoos abgelöst werden. Die Jugendlichen sind dazu bereits im Gespräch mit Gemeindevertretern und versuchen jetzt, einen breiten Konsens für ihre Projektpläne herzustellen.
Die italienischen Schülerinnen mit ihrer Deutschlehrerin Adriana Sulli (re.) | © Goethe-Institut Italien | Foto: Klaus Dorwarth Nach Berlin begleitet wurde die italienische Gruppe von ihrer Deutschlehrerin Adriana Sulli, seit den Anfängen der PASCH-Initiative im Jahr 2008 auch PASCH-Koordinatorin an ihrer Schule. Mit unvergleichbarem Engagement hat Adriana Sulli in ihren Klassen zahlreiche PASCH-Projekte durchgeführt und ging – schweren Herzens – zum Ende des Schuljahres 2020-2021 in den Ruhestand. An dieser Stelle sei ihr für die wunderbare Zusammenarbeit in all den Jahren und ihr gelebtes Engagement für die deutsche Sprache gedankt. Ein Trost für ihre Schule wie für das Goethe-Institut: Sie wird als externe Projektmitarbeiterin auch für künftige Initiativen zur Verfügung stehen. Danke, Adriana!
Länderübergreifende Synergien
Die größte Herausforderung während des achttägigen Jugendaustauschs war möglicherweise die letzte, die das Programm bereithielt: Wie konnte es gelingen, die lokalen Projektpläne der einzelnen Länder zu gemeinsamen überregionalen Projektideen zusammenzuführen? Das Matching der Länder, teil spontan, teils gesteuert, führte zu überraschenden Ergebnissen.Ein gelungenes Beispiel lieferten die Schülerinnen und Schüler aus Italien und Deutschland. Die Gruppe vom Düsseldorfer Max-Planck-Gymnasium warf dazu ihr Kinderbuch-Projekt in den Ring: Die Jugendlichen aus Nordrhein-Westfalen hatten zur Vorbereitung auf die Jugendbegegnung ein behutsam illustriertes Kinderbuch entworfen. Mit „Lea und das Coronavirus“ soll den Kleinsten die allgegenwärtige Pandemie erklärt und verständlich gemacht werden. Nach Abwägen von unterschiedlichen Möglichkeiten der Verknüpfung beider Projekte stand bald fest: Ein Buch für Kinder sollte es bleiben, fein illustriert, aber getragen von der Humanität des Tierschutzgedankens aus Triest.
Die Schülergruppe aus Düsseldorf mit ihrem stellvertretenden Schulleiter Karsten Wiemann und Dorle Dedring, Lehrkraft für Englisch und evangelische Religionslehre (re.) | © Goethe-Institut Italien | Foto: Klaus Dorwarth Ob neben den nationalen auch das eine oder andere länderübergreifende Kooperationsprojekt zur Umsetzung kommen wird, sei dahingestellt. Eines scheint den Jugendlichen aber deutlich geworden zu sein: „You(th) Can Impact!“ – und das wollte das einjährige PASCH-Projekt mit seiner abschließenden Jugendbegegnung den 54 kreativen Schülerinnen und Schülern vor allen Dingen vermitteln.
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