Grußwort zu Bauhaus Open-End
"Die Welt neu denken"
Das 100-jährige Jubiläum des Bauhauses steht unter dem Motto „Die Welt neu denken“. In seinem Grußwort erläutert Peter Anders, Leiter des Goethe-Instituts Tokyo, dessen Bedeutung für die Feierlichkeiten in Deutschland und in Japan: die Aufforderung zum Experiment und zum radikal Zeitgenössischen.
Von Peter Anders, Leiter des Goethe-Instituts Tokyo
In einer Welt, in der die Krisen zunehmen und Mauern scheinbar wieder leichter errichtet werden als wir, die wir 2019 auch dem 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer gedenken, uns je vorstellen wollten und konnten, scheint die nationale und internationale Aufmerksamkeit, die das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum erhält, geradezu symptomatisch für einen Gegenentwurf zur aktuellen Wirklichkeit.
Neben all den Bauten, Objekten, Möbeln, neben den Zeichnungen und Publikationen, die im Jubiläumsjahr weltweit vielfach präsentiert werden, möchte das Goethe-Institut die Aufmerksamkeit vor allem auf den Umstand lenken, dass das Bauhaus ein weltweiter Impulsgeber war, um bestehende Normen und Formen zu überwinden und eine eigene Handschrift für Neues zu entwickeln.
Dabei waren die internationalen Beziehungen von Beginn an eine entscheidende Grundlage für Kreativität, Gestaltungswillen und Aufbegehren. Ob in der Lehre und Forschung, ob beim Gestalten von Häusern, Landschaft oder Objekten: Das Bauhaus verstand sich als Reformbewegung, als kollektive Avantgarde, die den aufstrebenden Nationalsozialisten in Deutschland früh ein Dorn im Auge war und zu einem frühen Verbot der Bewegung führte. Während der Nationalsozialismus nostalgisch und nationalistisch war, war Bauhaus kosmopolitisch und avantgardistisch.
Bauhaus international: Zwischen Japan und Deutschland
Die Internationalität des Kulturaustauschs, die Diversität der Mitglieder und die unbändige Experimentierfreude waren die Grundlage dafür, dass sich das Bauhaus in die Geschichte der großen Kunstbewegungen eingeschrieben hat. Auch auf Japan war der Einfluss groß: Die Schlüsselfigur ist dafür der Architekt Renchichiro Kawakita, der die pädagogischen Prinzipien des Bauhaus an der von ihm 1931 gegründeten Schule in Tokyo einführte und dabei stets engen Kontakt mit den ehemaligen Bauhaus Studenten Iwao und Michiko Yamawaki sowie Takehiko Mizutani hielt.Zusätzlich sind wir auf dem internationalen Symposium "Transkultureller Austausch - Kunstpädagogik des 20. Jahrhunderts in Indien, Japan und Deutschland" im Goethe-Institut Tokyo der Frage nachgegangen, ob auch in der globalisierten Gegenwart neue institutionelle Strukturen nötig sind. Müssen wir auch heute wieder die Beziehung zwischen Bildung, Kunst und Gestaltung, Kultur und Gesellschaft neu denken?
Die Ergebnisse von Ausstellung und Tagung in Japan fanden Eingang in die große Abschlussveranstaltung zu „bauhaus imaginista“, die bis Juni 2019 im Berliner Haus der Kulturen der Welt zu sehen war. So ist das Bauhaus auch im Jubiläumsjahr Beispiel dafür, dass Kultur Grenzen überschreitet und uns die Möglichkeit bietet, einander besser zu verstehen, indem wir die historischen Kontexte erforschen, präsentieren und in den aktuellen Blick nehmen, um unsere Gegenwart zu bestimmen und zu gestalten.
Aktuelle Diskurse um das Bauhaus in Deutschland
Die Ankündigung lautete: „…die Geschichte des Bauhauses ist eine männlicher Helden und bis heute stehen die Künstlerinnen im Schatten ihrer Kollegen. Dabei wollte Gropius mit seinem Manifest nicht nur radikal neues Design erschaffen, sondern den Aufbau einer offenen, modernen Gesellschaft erproben - mit dem Versprechen auf echte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Doch wie erging es den Frauen am Bauhaus wirklich? Der Film wirft einen ganz neuen Blick auf den Mythos Bauhaus und erzählt dessen Geschichte aus einer anderen Perspektive. Aus der der Frauen, die mit dem Versprechen auf ein neues, befreites Leben und Arbeiten voller Illusionen und Hoffnungen ans Bauhaus kamen - und mit alten Rollenbildern kollidierten“ (ARD).
Das Bauhaus, die Ikone der Moderne, muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen, denn nur so holen wir es in die gelebte Gegenwart zurück. Das Goethe-Institut Tokyo ist mit seinen Aktivitäten vor allem an der Frage interessiert, wie junge Kreative heute Innovation und Experiment entwickeln und welche Impulse das Bauhaus dafür entfalten kann.
Im Vorlauf zu Bauhaus Open-End
„Weniger ist mehr“ war das Motto des Bauhaus-Stils unter Mies van der Rohe. Diese Reduktion auf das Essentielle hat weltweit das Bild des Bauhaus geprägt. So richtig der Einfluss auf die Welt der Gestaltung damit umschrieben ist, so sehr steht sie doch auch in der Gefahr, der Dynamik des Phänomens nicht gerecht zu werden. „Die Welt neu denken“ – diese Aufforderung zum Experiment und zum radikal Zeitgenössischen ist deshalb auch das Leitmotiv der Jubiläumsfeiern zum 100 jährigen Bestehen des Bauhaus, die in Deutschland aktuell begangen werden und die in der Tätigkeit des Goethe-Instituts mit seinen Partnern vor Ort in Tokyo gespiegelt wird.