Diskussionsforum Frauen in der Elektronikszene / Hertzflimmern + Sonoridad
Die Pionierinnen unserer elektronischen Nächte

Cinta magnética, uso libre recorte

"Wenn man oben keine Vorbilder findet, trifft man sie um sich herum an", ein Satz, der viele der Ideen zusammenfasst, die beim Hertzflimmern + Sonoridad-Gespräch am vergangenen 3. Juli im Goethe-Institut Mexiko zirkulierten. Ebenso ist es ein Statement, welches die Teilnehmerinnen in den Tagen zuvor beunruhigt hatte, als sie den Vorschlag erhielten, ihre Gegenwart mit den Pionierinnen der elektronischen Musik in Deutschland und Mexiko zu verbinden und Bezüge zwischen 1953 und 2021 herzustellen.

Von Karina Cabrera / @karipunk

Wir hatten viele Theorien darüber, was mit dem Vorschlag passieren würde. Das Gespräch mit zwei Pianistinnen und ihren elektroakustischen Experimenten, Johanna M. Beyer (1888-1944) und Alicia Urreta (1930-1986), zu beginnen, schien ein großartiger Ausgangspunkt zu werden. Jedoch stießen die Teilnehmerinnen bald auf Probleme mit diesem Vorschlag: eine zersplitterte Geschichte, das Fehlen schriftlicher Aufzeichnungen, keine offensichtlichen Verbindungen und große Lücken, je näher sie den Daten kamen an denen die Stücke 'Music Of The Spheres' (1938) und 'Ralenti for magnetic tape' (1969) aufgeführt wurden.

Auch die Angabe des Gründungsdatums des Studios für elektronische Musik in Köln sowie der Daten über das Laboratorio de Música Electrónica del Conservatorio Nacional de Música in Mexiko machten die Suche nicht einfacher. Erfreulicherweise regte genau dies die Diskussionen über das Fehlen von Frauen in der Elektroszene an, was die zentrale Idee hinter der ersten Diskussion über Frauen in der elektronischen Musik von Sonoridad innerhalb von Electro-Onda war.
 
"Ich denke, es ist wichtig, diese Einflüsse, diese Informationen, in der Zukunft zu haben, denn wir brauchen ein Vorbild auch für unsere Arbeit", erklärt Piaka Roela, experimentelle Musikerin und Mitglied von Todas las Anteriores und Sexores. "In Mercenarias del fango haben wir versucht, diese Vorbilder zu visualisieren, aber wir haben wenige Aufzeichnungen gefunden. Alicia Urretas erste Arbeit ist aus den 60er Jahren aber wir haben einen Sprung zu ihrem Werk in den 90er Jahren gemacht. Denn sie in dieser Zeit zu kennen, gibt uns die Chance, umfangreicher nachzuforschen. Ich würde gerne wissen, wie Alicia Urreta am Polytechnischen Institut unterrichtet hat, zum Beispiel um herauszufinden, wen sie beeinflusst hat. Ich entdecke auch, dass es im Bereich der Produktion mehr Sounddesignerinnen als vermutet in Mexiko gibt, ich denke, dort zeigt sich Urretas Einfluss; bei denen, die den Lärm machen.”
 

Geschichte kann eine komplizierte Angelegenheit sein, vor allem, wenn man sich entscheidet, jener Regel zu folgen, die besagt, dass das, was nicht genannt wird, nicht existiert, und somit die Linie des Kanons fortzusetzen. Die Aufzeichnungen mögen zwar von Männern geschrieben worden sein, aber Frauen waren bei ihrer Entstehung immer dabei. Zu jeder Zeit. Elektronische Musik ist da keine Ausnahme.
 
"Die Dichotomie Stille-Lärm - warum ist unsere Geschichte als Frauen in der Musik zum Schweigen gebracht worden? Ich denke, das ist etwas, worüber wir nachdenken sollten, es ist interessant, mehr weibliche Namen auf die Listen zu setzen, um sich identifizieren zu können und zu wissen, dass wir auf diesem Weg nicht allein sind. Es gab schon Leute vor uns und wir sollten uns fragen, warum wir in jeder Szene immer wieder von den Pionierinnen sprechen und warum es keine Kontinuität der Frauen in der Geschichte unserer Musik gibt", sagte DJ und Produzentin Hackie im Gespräch.
 
Zu den Lücken, die wir in der Recherche gefunden haben, sagte uns die Journalistin und Rundfunksprecherin Steff Torres: "In dem Buch 'Morir todas las noches' lesen wir ein wenig über diese andere Seite.... Wir schauen uns auch diese Bücher an und stellen fest, dass es keine Frauennamen gibt... sie sprechen von Pionieren, wir entdecken, was nach dem Krieg geschah, wir lesen von der Musique concrète, die der elektroakustischen Musik den Weg bereitete, sie erzählen uns immer von Pierre Schaeffer und Pierre Henry, aber sie erwähnen nie Johanna (M. Beyer) oder Éliane Radigue, die auch Teil dieser Experimente waren".
 

Selbst wenn wir über Musique concrète und elektroakustische Musik sprechen, scheinen die Vorbilder weit weg zu sein oder gar nur Experimente, die in der Akademie stattfanden. Aber wie uns Yonii vom Kollektiv djversity bestätigte, ist dieses Thema sehr aktuell: "Elektroakustische Musik finde ich auch interessant, obwohl ich sie, wenn sie denn bei uns beliebt ist, mehr im experimentellen Bereich sehe. Auch ich habe selbst ein wenig experimentiert und mit Computern und Synthesizern gearbeitet, aber auch mit akustischen Instrumenten wie Ukulelen und Gitarren, und versucht, eigene Dinge zu machen".
 

Die zweiten. Die dritten. Alle, die folgen, zählen auch zu der Schöpfung einer parallelen Musikgeschichte mit Frauen in der Hauptrolle. Natürlich ist es spannend zu sehen, wie viele Namen in Lisa Rovners "Sisters With Transistors" auftauchen. Die Furore, die sie auslösen, war nicht unbegründet, aber wenn der Film endet, ist die Schöpferinnenkette unterbrochen. So entstand das Gespräch Electro-Onda + Sonoridad über Frauen in der elektronischen Musik, als eine Suche in der Zeit, um die Lücken durch zwei lokale Perspektiven zu füllen.

 

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