Kulinarische Hafenstädte
Monique Fiso und HIAKAI – EINE HOMMAGE AN DIE GESCHMACKSWELT NEUSEELANDS

Sous-Chef Maxime Gnojczak buddelt die Roten Bete aus, die in der Erde gebacken wurden
© Lottie Hedley

Monique Fiso hat nicht viel Zeit zum Schlafen. Wenn man sich ihre Erfolgsgeschichte so anschaut, versteht man auch, warum. Fiso hat schon als 14-Jährige mit dem Kochen angefangen; mit gerade mal 18 Jahren machte sie schon ihren ersten Abstecher in die gehobene Gastronomie und arbeitete für die Wellingtoner Kochikone Martin Bosley. Nach fast zehn Jahren in New York City ist sie vor kurzem mit besten Referenzen im Gepäck, etwa dem Sterne-Restaurant The Musket Room des Neuseeländers Matt Lambert, wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.
 
Nachdem sie in Neuseeland und in anderen Ländern sehr erfolgreich diverse von den Māori inspirierte Pop-Up-Restaurants an den Start gebracht hatte, hat Fiso im November 2018 nun ihr erstes eigenes Restaurant in Wellington eröffnet. Das neuseeländische Gastro-Magazin Cuisine kürte sie in den Cuisine Good Food Awards mit dem Titel "Future Food Legend" zur vielversprechendsten Gastronomin des Jahres, und in der Kochwettbewerbsshow The Final Table auf Netflix tritt sie derzeit für Neuseeland an.
 
Kurz vor einem gemeinsam mit dem Goethe-Institut ausgerichteten Dinner hatte ich Gelegenheit, mit Monique Fiso, Gründerin und Chefin des Hiakai, zu sprechen.
 
Was macht das Hiakai so einzigartig?
 
Wir kochen mit Zutaten, die wohl in diesem Land kein anderer zur Hand nimmt und die wahrscheinlich bisher noch auf keiner Speisekarte der Welt standen. Das macht uns nicht nur hierzulande einzigartig, wir sind damit auch auf der ganzen Welt ein Unikum. Außerdem haben wir auch noch so etwas wie einen Bildungsauftrag. Wir wollen nicht überheblich klingen, aber beim Servieren erklären wir unseren Gästen stets, was es mit dem jeweiligen Gericht auf sich hat und warum es für Neuseeland so bedeutend ist. Auch das unterscheidet uns von anderen Restaurants.
 
Wenn wir an der Theke die Gerichte auf dem Teller anrichten, geben wir immer noch eine heimische Zutat dazu, die das Ganze abrundet. Bei dieser Gelegenheit erzählen die Gäste sehr oft, dass sie diese oder jene Pflanze jeden Tag beim Spazierengehen sehen und sind ganz erstaunt, dass man diese essen kann und sie auch noch derartig gut schmeckt.
 
Da drüben steht etwa ein Glas mit in Gin getränkten Kiekie Blumen. Wenn wir als letzten Gang vor dem Dessert Rhabarbersorbet mit Kiekie Gelee und mit Kiekie gepressten Erdbeeren servieren, holen wir etwa das Glas mit den Blumen hervor, zeigen es dem Gast und lassen ihn mal daran riechen, so dass er diese Zutat besser kennenlernt.
 
Ähnlich ist es bei unserem Rindfleischgericht, dem wir Mamaku hinzufügen. Auf den ersten Blick sieht es gar nicht so einzigartig aus, weil es an Haferwurzel erinnert. Wenn wir aber das echte Mamaku darüber streuen, erinnern sich viele, dass sie dieses Gewächs schon mal im Busch gesehen haben, und wir sagen ihnen dann: „Richtig, und genau das essen Sie gerade!”. Wir geben auch ein wenig Mamaku in unsere Petit Fours. So können unsere Gäste eine Zutat, von der sie gar nicht wussten, dass man sie essen kann, einmal herzhaft und einmal süß erleben.
 
Wir erarbeiten gerade ein Glossar, das wir am Ende unserer Speisekarte einfügen werden. Wenn also jemand bei unseren Erklärungen nicht alles mitbekommen hat oder alles noch einmal nachschlagen möchte, findet man hier alles zum Thema. So wird unsere Menükarte demnächst also noch mit einem interessanten Nachschlagewerk aufgewertet.
 
Was sollen Ihre Gäste von einem Besuch im Hiakai mitnehmen?

 
Ich wünsche mir, dass sie Neuseeland einmal mit anderen Augen betrachten und merken, dass wir ein echt cooles Fleckchen Erde sind. Wenn Sie unser Restaurant verlassen, sollen die Leute überrascht feststellen, dass die neuseeländische Küche mehr zu bieten hat als sie gedacht hätten und dabei das Gefühl haben, dass sich unser Land in Sachen kulinarische Genüsse keineswegs hinter anderen Ländern verstecken muss.
 

  • Innenansicht des Hiakai Restaurants in Mt Cook, Wellington © Lottie Hedley

    Innenansicht des Hiakai Restaurants in Mt Cook, Wellington

  • Sous-Chef Maxime Gnojczak buddelt die Roten Bete aus, die in der Erde gebacken wurden © Lottie Hedley

    Sous-Chef Maxime Gnojczak buddelt die Roten Bete aus, die in der Erde gebacken wurden

  • Chefköchin Monique Fiso stellt für den Service einige Zutaten zusammen © Lottie Hedley

    Chefköchin Monique Fiso stellt für den Service einige Zutaten zusammen

  • Monique Fiso richtet mit Sous-Chef Maxime Gnojczak und Chef-Tournant Grainne Kerr ein Dessert an © Lottie Hedley

    Monique Fiso richtet mit Sous-Chef Maxime Gnojczak und Chef-Tournant Grainne Kerr ein Dessert an

  • Service-Kraft Jennifer Anderson deckt die Tische ein © Lottie Hedley

    Service-Kraft Jennifer Anderson deckt die Tische ein

  • Fiso und Gnojczak richten an der Chefkoch-Theke Desserts an © Lottie Hedley

    Fiso und Gnojczak richten an der Chefkoch-Theke Desserts an

  • Das Dessert des mit dem Goethe-Institut ausgerichteten Dinners mit Helge Hagemann © Lottie Hedley

    Das Dessert des mit dem Goethe-Institut ausgerichteten Dinners mit Helge Hagemann

  • Chefköchin Monique Fiso - Portrait © Lottie Hedley

    Chefköchin Monique Fiso - Portrait


Der Ursprung des Hiakai ist eine Reihe von Pop-Up-Restaurants rund um die Küche der Māori , die Sie bei Ihrer Rückkehr nach Neuseeland eröffnet haben. Was haben Sie bei diesen Pop-Ups gelernt und was haben Sie davon mit in Ihr erstes „richtiges“ Restaurant in Wellington genommen?
 
Ich habe das Hiakai eröffnet, weil ich etwas komplexere Gerichte anbieten wollte, die in einer Pop-Up-Location nicht umsetzbar wären. Was ich in den Pop-Ups gelernt habe, war, dass ich weitaus weniger Know-How hatte als ich dachte.
 
Als ich die Pop-Ups eröffnete, dachte ich, die Küche der Māori bestünde nur aus ein paar Zutaten, dazu gibt es noch Hāngi (auf heißen Steinen in einem Erdloch gegarte Speisen) und darin zubereitete Boil-Ups (ein traditionelles Gericht aus Fleisch und Gemüse), dazu frittiertes Brot. Inzwischen sieht unsere Speisekarte allerdings ganz anders aus bzw. diese Dinge bieten wir gar nicht erst an, denn ich habe inzwischen so viel über unsere einheimische Küche gelernt, dass wir jetzt ganz anders kochen. Wir setzen die Zutaten einfach auf eine viel spannendere und coolere Art ein.
 
Die Pop-Ups waren ein idealer Startpunkt, und ich habe in diesen zwei Jahren sehr viel über die Grundzutaten unserer Küche gelernt. Ich glaube nicht, dass ich eine Chance gehabt hätte, wenn ich das Restaurant bereits vor zwei Jahren eröffnet hätte. Ich hatte damals noch nicht das nötige Grundwissen, wie man erfolgreich ein Restaurant führt.
 
Ich habe mir viel Wissen angeeignet, indem ich mich mit Leuten ausgetauscht, viele Bücher gelesen und online und in Archiven nachgeforscht habe. Die Porirua Library hat eine sehr empfehlenswerte Abteilung mit Büchern über die Geschichte der Māori. Ich habe viele Ratgeber gelesen und Reiseberichte von Menschen studiert, die mit den Māori unterwegs waren und beschreiben, was diese gegessen haben und was sie mit ihnen erlebt haben. Auf der Grundlage dieser Beschreibungen und dem Verständnis, wie bestimmte Grundzutaten eingesetzt werden, habe ich dann meinen eigenen Weg entwickelt, ganz ohne Rezepte, denn die gab es nicht. Zum Beispiel habe ich etwas darüber gelesen, wie jemand die Frucht Mamaku benutzt hat und beschreibt, dass diese einem Apfel sehr ähnlich ist und gemeinsam mit Zucker und Wein eine recht leckere Pie ergibt. Auf der Grundlage dieser Erzählungen habe ich dann an eigenen Rezepten herumgetüftelt, auch wenn dann am Ende vielleicht keine Pie, sondern eher eine Art Fruchtpastete herausgekommen ist.
 
Ich weiß noch, wie mein Sous-Chef Max an seinem ersten Arbeitstag den wilden Mix an Zutaten begutachtete, den ich hier zusammengesammelt hatte. „Wie benutzt man das alles?“, wollte er wissen, „gibt es da ein Buch oder sowas?“ „Nein“, antwortete ich, „das müssen wir alles selbst rauskriegen. Aber genau das ist ja das Coole an der Sache.“
 
Die Frucht Mamaku kannten wir schon, aber die einzige überlieferte Zubereitungsart, die es gab, war, sie im Feuer zu garen. Also experimentierten wir ein bisschen herum. Von anderen Küchenchefs hörten wir nur „Mamaku, die kannst du nicht benutzen. Glaub mir, die sind zu schleimig.“ Daraufhin meinten wir nur „Wartet’s einfach ab. Nur weil ihr es nicht hingekriegt habt, heißt das nicht, dass es nicht geht. Man muss einfach nur ein bisschen drüber nachdenken.“ Ich liebe es, an etwas herumzutüfteln, an das sich bis jetzt offenbar noch niemand herangetraut hat. Und von solchen Zutaten gibt es auf unserer Speisekarte eine ganze Menge.
 
Sie bieten im Hiakai ein Degustationsmenü an. Ist in jedem Gang eine einzigartige neuseeländische Zutat zu finden?
 
Die wichtigste Zutat, quasi der Held eines jeden Gerichts, ist auf jeden Fall einheimisch. Oder sie sollte zumindest etwas mit der Kiwiana, der neuseeländischen Identität zu tun haben. In unseren Petit Fours findet man etwa Mamaku und Horipito Schokolade, außerdem bieten wir eine Eigeninterpretation des Shrewsbury Biscuit (einem englischen Dessertkeks) an.
 
Wenn wir neue Gerichte kreieren, stellen wir uns immer ein paar Grundsatzfragen: Ist die Hauptzutat einheimisch? Gibt es dieses Gericht schon irgendwo anders? Welche Bedeutung steht dahinter?
 
Ihre Erfahrung mit der französischen, italienischen oder japanischen gehobenen Gastronomie und die Arbeit in den Sterne-Restaurants beeinflussen doch sicher auch Ihre Arbeit im Hiakai, oder?
 
Das alles spielt mit in meine Arbeit hinein, denn alle Zutaten, die ich hier probiere, erinnern mich vom Geschmack an etwas anderes. Es kann auch sein, dass der Hintergrund einer Zutat etwas mit einem anderen Lebensmittel gemeinsam hat, das ich bereits woanders kennengelernt habe. Dann versuche ich, sie genauso einzusetzen, wie ich es in Erinnerung habe und schaue einfach, wo mich das hinführt.
 
Die Leute denken, wir bieten hier nur Māori Küche an, aber ganz so einfach ist das nicht, denn wir sind noch viel mehr. Ich finde eher, dass auf uns die Bezeichnung „neuseeländische Küche“ besser passt, wobei manche Leute das anders sehen, weil wir in ihren Augen nicht europäisch genug sind. Das ist schon merkwürdig, denn wenn man mich fragt, wie ich dieses Restaurant beschreiben würden, würde ich sagen, dass es sich klar an der neuseeländischen Küche orientiert. Kurz: Wenn man uns das Label „Neuseeland“ nicht geben will, dann schreiben wir uns eben Aotearoa auf die Fahne – die Bezeichnung der Māori Bezeichnung für Neuseeland.
 

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