Kulinarische Hafenstädte
Helge Hagemann: „Neugierde ist mein Antrieb“
Helge Hagemann ist ein ungewöhnlicher Koch. Statt fest in einem einzigen Restaurant zu arbeiten, ist er als Freiberufler in der Welt unterwegs und genießt seine Freiheit. Er reiste durch Australien, studierte ein paar Semester Politik, entschied sich dann aber Koch zu werden. Nach seiner Ausbildung in der Sternegastronomie reiste er nicht nur durch verschiedene Restaurants sondern auch durch verschiedene Länder. In Kanada war er Küchenchef in einem italienischen Restaurant, lebte in Japan bei einer Familie, um die japanische Küche kennenzulernen, und war mit einer Kochshow für das deutsche Landwirtschaftsministerium von New York bis Dubai als Botschafter der deutschen Küche unterwegs. Nun bereist er für einen kulinarisch-kulturellen Austausch die Goethe-Institute in Sydney, Jarkarta, Kuala Lumpur, Singapur und Wellington.
Dass sich ein Koch entscheidet, frei zu arbeiten, ist eher selten. Wie kam es dazu?
Eigentlich sollte es nur eine kurze Überbrückung bis zum nächsten Job sein. Doch dann kamen auf einmal diverse Aufträge wie Kochkurse, Rezeptentwicklung oder das temporäre Aushelfen in unterschiedlichen Restaurants. Und das hat durch die Vielfalt so viel Spaß gemacht, dass ich gar nicht mehr fest arbeiten wollte. Jetzt genieße ich die Freiheit, die Abwechslung, die Eigenverantwortung und die Möglichkeit, zu reisen. Und dazu gehört ja auch das spannende Projekt mit dem Goethe-Institut, zu dem mich die Köche-Agentur „WerteKöche“ gebracht hat.
In deinem Steckbrief kann man lesen, dass du um die Sterneküche einen großen Bogen machst. Warum?
Ich habe in der Sternegastronomie gelernt und die Bedingungen dort haben mich zunächst nachhaltig abgeschreckt. Allem voran der unmenschliche Umgang und die Verschwendung von Lebensmitteln. Das war zu einer Zeit, als von einem Fisch oder einem Rinderfilet manchmal nur der Mittelteil genommen wurde und der Rest weggeschmissen oder in Fonds landete. Absoluter Wahnsinn! Danach hatte ich lange das Vorurteil, dass das überall so sei.
Viele Jahre später, Anfang 2018, habe ich dann zwei Praktika in zwei zeitgemäß arbeitenden Sternerestaurants in Berlin (Horvarth und einsunternull, Anm. d. Red.) gemacht. Dort wurde mein Bild teilweise wieder korrigiert: menschlich fair und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Produkten. Eine sehr schöne Erfahrung.
Warum ist dir der Umgang mit den Produkten so wichtig?
Nachhaltigkeit verkommt viel zu oft zu einer Phrase und wird nur selten konsequent umgesetzt. Aber kurze Lieferwege, das zu verarbeiten, was zur jeweiligen Jahreszeit wächst, und nichts zu verschwenden sind einfach in jeder Hinsicht sinnvoll. Für die Qualität unseres Essens und für unseren Planeten. Außerdem kann regional bezogene Ernährung spannend und authentisch zugleich sein. Sie spiegelt die Kultur und Lebensart der jeweiligen Region wieder und bedeutet Vielfalt. Ein weiterer Grund, weshalb mich die Tour zu den Goethe-Instituten der unterschiedlichen Länder so reizt.
Vor der Tour zu den Goethe-Instituten hast du noch in deinem veganen Pop-Restaurant („Flavor Shop“) in Hamburg gekocht. Gehörte das auch zu den unterschiedlichen Herausforderungen, die du suchst?
Absolut. Ich bin zwar selbst kein Veganer aber glaube, dass vor allem überwiegend fleischlose Ernährung nicht nur Trend sondern notwendig werden muss. Die Herausforderung für uns ist es dabei, zu zeigen, dass vegane Küche keine Küche des Verzichts oder der Ersatzprodukte ist.
Fine Dining auf vegan funktioniert wunderbar und ist auch für Allesesser ein Sinnesvergnügen ohne das Gefühl von Fleischverlust. Und obendrein für uns als Köche eine tolle Herausforderung, Gerichte und Menüs völlig neu zu denken.
Wie wird es denn nach der Reise durch die Goethe-Institute weitergehen?
Ich habe noch keinen Plan für die Zukunft, lasse alles auf mich zukommen. Die Neugierde ist mein Antrieb und die Unruhe durch die oft wechselnden Stationen stört mich auch nicht. Ich glaube nicht an vermeintliche Sicherheiten, bin unerschütterlicher Optimist und mein einziger Plan für die Zukunft ist es, keinen Plan zu haben!