Gesprächsabende zu Kants 300. Jubiläum
Das Goethe-Institut Ljubljana und Cankarjev dom laden Sie herzlich zu den Gesprächsabenden anlässlich des 300. Geburtstages von Immanuel Kant, die vom 6. bis 8. November 2024 in Cankarjev dom stattfinden, ein. Die Gespräche erfolgen als Begleitprogramm zur Lichtinstallation
Kant und die anderen..., die vom 6. bis 20. November an der Hauptfassade des Cankarjev dom zu sehen sein wird.
Kant als Kriegstreiber? Zur Aktualität der Kants Friedenstheorie
6. November, 19:30 Uhr
Gäste: Zdravko Kobe, Otfried Höffe
Gedolmetscht von Dr. Amalija Maček
Klub CD
Das Einleitungsstatement von Zdravko Kobe:
Die Behauptung des Kaliningrader Gouverneurs Alichanow, Kants Moralphilosophie sei eine „Ethik der Verantwortungslosigkeit“ und am derzeitigen Chaos in der Welt mitschuldig, ist schockierend. Dennoch aber stimmt sie erstaunlich gut mit der bekannten Hegelschen Klage über die Gleichgültigkeit der Folgen der moralischen Tat und die bloße Formalität des kategorischen Imperativs überein, der fast jede Tat als ein unbedingtes Gebot sanktionieren kann. Fiat iustitia, et perat mundus! Die Art und Weise, wie heute die rein moralische Maximen im öffentlichen Diskurs verwendet werden, scheint diesem Vorwurf recht zu geben. Dabei wird aber übersehen, dass es gerade Kant war, der sich gegen die Moralisierung des Rechts und der internationalen Beziehungen wandte und in seiner Friedenstheorie eher eine allgemeine Infrastruktur aufstellen wollte, die den Frieden zwischen den Staaten wahrscheinlicher macht. Und dann stellt sich die Frage, was wir getan haben, um dies zu erreichen.
Das Einleitungsstatement von Otfried Höffe:
Die schockierende Behauptung des Kaliningrader Gouverneurs Alichanow, Kants Moralphilosophie sei eine „Ethik der Verantwortungslosigkeit“ und am derzeitigen Chaos in der Welt mitschuldig. In Wahrheit definiert der Kernbegriff von Kants Ethik, der kategorische Imperativ, das Wesen der Moral, ihre uneingeschränkte Gültigkeit, stellt dafür jenes Kriterium der strengen Verallgemeinerung auf, dessen Anerkennung dem globalen Chaos ein Ende bereitete. Kants nähere Friedenstheorie ist u.a. deshalb aktuell, weil sie „das Ende aller (!) Hostilitäten“ fordert, an die Stelle der Macht das Recht setzt und für dessen internationale Anerkennung vorläufig einen Völkerbund, auf Dauer jedoch eine – subsidiäre und föderale – Weltrepublik benötigt.
Zdravko Kobe wurde 1966 geboren und ist ordentlicher Professor an der Abteilung für Philosophie der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana. Sein Fachgebiet ist die deutsche klassische Philosophie. Die meisten seiner Arbeiten sind Kant und Hegel gewidmet. Er hat viele ihrer Werke übersetzt, einzelne Texte herausgegeben und gesammelt und ist Autor verschiedener Werke zur klassischen deutschen Philosophie. Unter anderem hat er vier eigenständige Monographien über Kant verfasst. Seine Übersetzung von Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“ (Gesellschaft für theoretische Psychoanalyse, 2019) wurde mit dem Jerman-Preis 2020 ausgezeichnet, der seit 2015 vom Verband slowenischer Literaturübersetzer für die hervorragendsten Übersetzungen sozial- und geisteswissenschaftlicher Texte aus Fremdsprachen ins Slowenische vergeben wird.
Otfried Höffe studierte von 1964–1970 Philosophie, Geschichte, Theologie und Soziologie in Münster, Tübingen, Saarbrücken und München. 1971 promovierte er mit einer Studie zur praktischen Philosophie des Aristoteles. Seit 1992 ist er ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Tübingen und seit Juni 2009 Präsident der Nationalen Ethikkommission der Schweiz. Sein Forschungsschwerpunkt ist das Gebiet der politischen Philosophie, die die Rolle des Staates und des Rechts untersucht. Höffes angewandte Ethik bezieht sich auf historische Positionen philosophischer Tradition, behandelt aber auch aktuelle Fragen der Technik, Biomedizin, Ökologie, Globalisierung, Demokratie und Freiheit.
Kant in Krieg: Über die Bedeutung der Vernunft
7. November, 19:30 Uhr
Gäste: Goran Vranešević, Maurizio Ferraris
Gedolmetscht von Alenka Milovanović
Alma-Karlin-Saal
In seiner Präsentation wird Maurizio Ferraris Kants Begriff der Vernunft untersuchen, wie er in der „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ dargelegt wird, wo Kant eine Analogie zwischen der Vernunft und einem General zieht, sie über den Verstand stellt, den er mit einem Oberst vergleicht, und die Sinne als Soldaten ansieht. Durch diese militärische Metapher deutet Kant jedoch nicht auf Aggression oder Dominanz hin; vielmehr erhebt er die Vernunft als das Vermögen der Zwecke, als die leitende Kraft für zielgerichtetes Handeln und moralische Orientierung. Ferraris wird darüber sprechen, wie gerade innerhalb dieser hierarchischen Struktur die einzigartige Ausrichtung der Vernunft auf Ziele und Ideale als wesentliches Instrument zur Förderung des Friedens dient – eines Friedens, der, wenngleich vielleicht nicht ewig, doch auf dauerhafte Stabilität abzielt.
Nach Ferraris Reflexion wird ein Gespräch mit Goran Vranešević diese Themen weiterentwickeln. Ferraris und Vranešević werden gemeinsam die Feinheiten von Kants Analogie und deren Implikationen für zeitgenössische Überlegungen zu Rationalität, Autonomie und dem ethischen Streben nach gesellschaftlicher Harmonie erforschen.
Goran Vranešević (geb. 1982) ist Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Belgrad. Seine Hauptforschungsgebiete umfassen den Deutschen Idealismus, politische Philosophie, Linguistik, Strukturalismus und Psychoanalyse. Er hat über Themen geschrieben und gelehrt, die von Ästhetik und Kulturtheorie bis hin zu klassischen Kommentaren zu ontologischen Fragen und Spekulationen über Konzepte reichen. Außerdem ist er Übersetzer philosophischer Werke, u. a. einer der Übersetzer von Hegels „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ ins Slowenische. Er ist Herausgeber des Sammelbands „Idea of the Good in Kant and Hegel“ (Verlag der Universität Ljubljana, 2024), Mitherausgeber von „Between Substance and Subject: The Presence of Spinoza in Hegel“ (Brill, 2025), und bereitet derzeit zwei Monographien über den Begriff der Spekulation und über Fichte vor.
Maurizio Ferraris (geb. 1956) ist Professor für theoretische Philosophie an der Universität Turin und Präsident des Labont (Zentrum für Ontologie). Ferraris studierte Philosophie an der Universität Turin unter der Betreuung von Gianni Vattimo und an der École des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris unter der Betreuung von Jacques Derrida. Er war Gastprofessor an vielen internationalen Universitäten, darunter Harvard, Oxford, München, Paris und Bonn. Er hat mehr als sechzig Bücher veröffentlicht, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Zu seinen ins Englische übersetzten Büchern gehören: „History of Hermeneutics“ (Humanities Press, 1996); „A Taste for the Secret“ (mit Jacques Derrida – Blackwell, 2001); „Documentality or Why it is Necessary to Leave Traces“ (Fordham UP, 2012); „Goodbye Kant!“ (SUNY UP, 2013); „Where Are You? An Ontology of the Cell Phone“ (Fordham UP, 2014); „Manifesto of New Realism“ (SUNY UP, 2014); „Introduction to New Realism“ (Bloomsbury, 2014); „Positive Realism“ (Zer0 Books, 2015); „Learning to Live: Six Essays on Marcel Proust“ (Brill, 2020); „Doc-humanity“ (2022, Mohr Siebeck) und „Hysteresis“ (erscheint demnächst bei University of Edinburgh Press).
Unheimlicher Kant: Über Wahrheit und Subjektivität
8. November, 19:30 Uhr
Gäste: Alenka Zupančič, Dominik Finkelde
Gedolmetscht von Alenka Milovanović
Alma-Karlin-Saal
Alenka Zupančič und Dominik Finkelde diskutieren die beunruhigenden Dimensionen von Kants Philosophie, insbesondere in Bezug auf Fragen von Wahrheit und Subjektivität. Kants Konzept des „Dings an sich“, das als „unmöglich-realer“ Kern seiner Philosophie verstanden wird, wird dabei ebenso thematisiert, da es bis heute teils unversöhnliche Debatten über das kantische Erbe ausgelöst hat. Es berührt sowohl die Verpflichtung zu objektivem Wissen als auch die subjektiven Bedingungen menschlicher Erfahrung.
Alenka Zupančič (1966) ist slowenische Philosophin, Gesellschaftstheoretikerin und prominente Vertreterin der Schule der Psychoanalyse in Ljubljana. Sie ist als wissenschaftliche Beraterin am Institut für Philosophie des Wissenschaftlichen Forschungszentrums der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Ljubljana tätig. Außerdem ist sie Professorin an der European Graduate School in der Schweiz und Gastdozentin an vielen Universitäten weltweit. Sie ist Chefredakteurin der slowenischen Zeitschrift „Problemi“ und der Buchreihe Analecta, die von der Gesellschaft für theoretische Psychoanalyse in Ljubljana herausgegeben wird. Zusammen mit Slavoj Žižek und Mladen Dolar ist sie Herausgeberin der Buchsammlung „Short Circuits“, die bei MIT Press erscheint. Bekannt ist sie vor allem für ihre Arbeit an der Schnittstelle von Philosophie und Psychoanalyse. Sie ist die Autorin zahlreicher Artikel und Bücher, darunter „Etika realnega: Kant, Lacan“ (Die Ethik des Realen: Kant und Lacan) (Društvo za teoretsko psihoanalizo, 1993); „Najkrajša senca: Nietzschejeva teorija dvojega“ (Der kürzeste Schatten: Nietzsches Philosophie von Zweiem) (Društvo za teoretsko psihoanalizo, 2001); „Poetika, druga knjiga“ (Der Geist der Komödie) (Društvo za teoretsko psihoanalizo, 2004); „Seksualno in ontologija“ (Was ist Sex: Psychoanalyse und Ontologie) (Društvo za teoretsko psihoanalizo, 2011) und „Pustila bi jih trohneti: Antigonina paralaksa“ (Lasst sie verrotten: Antigones Parallaxe) (Društvo za teoretsko psihoanalizo, 2022).
Dominik Finkelde, 1970 in Berlin geboren, ist Professor für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuesten Zeit an der Hochschule für Philosophie München. Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Berlin und Paris. Seine Schwerpunkte sind politische Philosophie, Deutscher Idealismus, Strukturalismus, Erkenntnislehre und psychoanalytische Theorie. Für sein erstes Theaterstück „Abendgruß“ wurde er 1996 mit dem Gerhart-Hauptmann-Förderpreis ausgezeichnet. Zu seinen aktuellsten Publikationen gehören „The Remains of Reason“ (Northwestern UP, erscheint 2025); „Žižek-Handbuch“(Hg., Metzler-Verlag, erscheint 2025); „Excessive Subjectivity. Kant, Hegel, and the Foundational Act of Ethics“ (Columbia UP, 2017). Dominik Finkelde ist Jesuit und lebt in München.
Wir freuen uns auf Sie!
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