Masonic Temple
Deutsche Spuren in Washington
Der Masonic Temple an der 9th und F Street, NW, der oft für deutsche Festveranstaltungen genutzt wurde, wurde zwischen 1868 und 1870 von den deutsch-amerikanischen Architekten Adolf Cluss und Joseph Wildrich von Kammerhueber gebaut. Über viele Jahre wurde die elegante Fassade von einer modernen Möbelhaus-Verkleidung verdeckt. Das Gebäude wurde im Jahre 1990 restauriert und beherbergt nun die Gallup Organization.
Christopher Weeks schreibt in dem AIA Guide to the Architecture of Washington, D.C. (3. Ausgabe, 1994):
“Die mehrfarbigen Furniere aus Stein und Gusseisen, die an der Fassade dieses Palazzos aus Backstein im Stil der italienischen Renaissance angebracht sind, machen diese auffallende Fassade aus. Das Gebäude verkörperte zu Beginn den vielfältigen Gebrauch von Raum, der typisch war für die Vorgaben für städtische Architektur im späten 19. Jahrhundert: Geschäfte drängten sich im Erdgeschoß, und die Masonic Hall nahm den ersten Stock in Anspruch. Präsident Andrew Johnson, der selbst ein loyaler Freimaurer war, legte den Grundstein und führte die Parade an, mit welcher der Baubeginn gefeiert wurde. In ihrer Glanzzeit war die Halle Zeugin der glamourösen Dekadenz des sogenannten „Gilded Age“: Die Washingtoner feierten hier 1876 mit dem Prinzen von Wales bei einem Bankett zum 100jährigen Jubiläum, und jahrzehntelang fochten die Matronen der höheren Gesellschaft um die Ehre, hier den Debütantinnenball ihrer Töchter zu feiern.“
Adolf Cluss, Architect
geboren 1825 in Heilbronngestorben 1905 in Washington DC
Adolf Cluss entstammte einer Heilbronner Baumeisterfamilie. Geboren wurde er im Jahr 1825 in Heilbronn, 1905 verstarb er in Washington DC. Sein Vater errichtete den "Clussbau" in der Wilhelmstraße, der später als Wilhelmsbau bekannt wurde. Cluss verließ Heilbronn in jungen Jahren und ging als Zimmermannsgeselle auf Wanderschaft.
In Brüssel lernte er Karl Marx kennen und schloss sich der beginnenden kommunistischen Bewegung an. Weitere Stationen seiner Wanderschaft waren Paris und Mainz, wo Adolf Cluss seit 1846 als Architekt an der Planung der Eisenbahnstrecke nach Ludwigshafen beteiligt war. Im Frühjahr 1848 war er in Mainz eine zentrale Figur in der Revolutionsbewegung, gehörte zu den Mitbegründern des Arbeitervereins und war dessen Sekretär. Doch schon im Sommer 1848 verließ er Deutschland und landete am 15. September 1848 mit dem Auswanderschiff "Zürich" in New York.
Adolf Cluss arbeitete in den USA zunächst als Ingenieur - unter anderem bei der Marine -, später dann in Washington als Architekt. Seine Verbindung zur kommunistischen Bewegung brach er 1858 ab.
Im Alter von 39 Jahren eroberte Cluss die Architekturszene, als er mit seinem Partner, Josef Wildrich von Kammerhueber, einen Wettbewerb zur Planung einer neuen Grundschule gewann – die erste von acht innovativen Schulen, die die beiden entwarfen. Zwei dieser Gebäude überlebten: Die Franklin und die Sumner Schulen. Der Gebäudetypus, dem das besondere Interesse von Cluss galt, waren die Schulen. Er entwarf viele öffentliche Schulen des District of Columbia, darunter auch für farbige Schüler, Privatschulen und Colleges - insgesamt sind elf Schulgebäude von ihm bekannt, möglicherweise ist ihm ein weiteres zuzuschreiben.
Bald bekam Cluss, allein oder mit anderen in Zusammenarbeit, den Zuschlag für viele der größten öffentlichen Gebäude Washingtons in den Jahren nach dem Bürgerkrieg. Er entwarf Kirchen, Markthallen, Regierungsgebäude, Versammlungs- und Veranstaltungshallen und Museen. Seine Karriere ähnelt in vielem derjenigen der prominenten französischen und deutschen Absolventen Polytechnischer Schulen, die lernten, Gebäude und öffentliche Anlagen zu errichten, deren Schönheit aus ihrer strukturellen Effizienz heraus abgeleitet war.
Den Sozialismus seiner jungen Jahre übertrug Cluss auf seinen Beruf als Architekt und Ingenieur. Seine Gebäude dienten der Gemeinschaft und waren äußerst modern. Er war als Ingenieur und Architekt auf einzigartige Weise dazu qualifiziert, sich mit Fragen der Lebensqualität zu befassen. So erscheint es als Fortsetzung seiner sozialen Ideen, dass er zu Beginn seiner Karriere als Architekt zunächst eine Reihe öffentlicher Gebäude schuf.
In seiner Zeit als selbständiger Architekt arbeitete Cluss mit verschiedenen Partnern zusammen. Nachdem die Verbindung mit Kammerhueber 1868 im Unfrieden auseinander gegangen war, führte Cluss sein Büro zunächst alleine bzw. mit wenigen Angestellten weiter, bis er sich 1877 mit dem Architekten Frederick Daniel zusammentat. Diese Kooperation zerbrach schon im darauffolgenden Jahr. Von 1879 bis 1889 bestand eine berufliche Partnerschaft mit dem Architekten Paul Schulze. 1867 trat Cluss dem amerikanischen Architektenverband AIA bei, von dem er 1890 in den Vorstand gewählt wurde.
Cluss hatte im Jahr 1890 drei der vier Gebäude auf der Südseite der Mall entworfen, einschließlich des Smithsonian Arts and Industries Building (früher das National Museum), das einzige davon, das bis heute existiert.