Maria Eichhorn
Das Kunstsystem kritisch hinterfragen
Maria Eichhorn nimmt seit Jahrzehnten sowohl gesellschaftliche Machtverhältnisse als auch das Kunstsystem selbst kritisch unter die künstlerische Lupe. Nun soll sie im Deutschen Pavillon der Biennale 2022 in Venedig ausstellen.
Von Romy König
Die Nachricht sorgte Anfang 2021 für ein Raunen in der deutschen Kunstwelt: Maria Eichhorn wird 2022 den deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig gestalten – eine Künstlerin, die bekannt dafür ist, in ihren Werken Machtverhältnisse und wirtschaftliche Zusammenhänge zu hinterfragen.
Bei genauem Blick erscheint es derweil eher überraschend, dass Eichhorn den Deutschen Pavillon bislang noch nicht bespielt hat. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit der deutschen Geschichte, so etwa in ihren Forschungsprojekten Restitutionspolitik / Politics of Restitution (2003) im Lenbachhaus in München oder in In den Zelten… (2015) im Haus der Kulturen der Welt in Berlin, für das sie zur Enteignung jüdischer Bürger*innen während der NS-Zeit recherchierte. Zur documenta 14 im Jahr 2017 gründete sie das Rose Valland Institut, das sich ungeklärten Eigentums- und Besitzverhältnissen von 1933 bis heute widmet. Teilgenommen hat sie an der Biennale in Venedig bereits drei Mal, und auch bei den zweijährig stattfindenden Kunstschauen in Istanbul (1995 und 2005), Yokohama (2001), Berlin (2004 und 2008), Łódź (2004), Sevilla (2006) und Guangzhou (2008) wurden ihre Werke ausgestellt.
Analyse des Betriebssystems der Kunst
Die in Bamberg geborene Künstlerin Maria Eichhorn, die von 1984 bis 1990 an der Berliner Hochschule der Künste studierte, setzt sich in ihren Arbeiten mit Entstehungsprozessen von Kunstwerken auseinander und verhandelt unter anderem die Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter*in. Dabei arbeitet sie oft ortsspezifisch: Sie greift lokale Verhältnisse auf und baut sie in ihre Kunstwerke ein. In Berlin strich sie die Wände einer Galerie weiß oder vernagelte die Fenster mit Holz – die Kunstwelt als geschlossenes System –, in Stuttgart zog sie die Kinderwerkstatt des dortigen Künstlerhauses in die Ausstellungsfläche um.
Seit 30 Jahren hinterfrage sie mit ihren Arbeiten und Forschungsprojekten „kritisch und kontinuierlich das Betriebssystem für die Künste an der Schnittstelle zu Geschichte, Politik und Gesellschaft“, urteilten die Juror*innen des Käthe-Kollwitz-Preises, den sie 2021 erhielt. Bereits 2018 wurde Eichhorn, die als Professorin an der Zürcher Hochschule der Künste lehrt, mit dem Paolo Bozzi Prize for Ontology der Universität Turin ausgezeichnet.
Ein Mahnmal auf der Biennale
Nun also der Deutsche Pavillon. Erste Vorstellungen hat sie schon: So hat sie sich für eine Erhaltung des Pavillons als – historisch betrachtet – „Mahnmal“ ausgesprochen. Zudem ließ sie durchblicken, dass sie den Pavillon „nicht isoliert betrachte“, sondern „im Ensemble und Wechselspiel mit anderen Pavillons“ sehe, mit „Länderbeteiligungen in Bezug auf staatlich-territoriale und geopolitische, globale ökonomische und ökologische Entwicklungen“. Auch verspricht sie eine „zugängliche“ Arbeit. Der Pavillon soll „sowohl gedanklich als auch vor Ort körperlich und in Bewegung erfahren werden“.