Urbanscreen in den USA
Lichtkunst trifft auf deutsche Architektur
Anlässlich der Deutschlandjahres hat das Künstlerkollektiv URBANSCREEN aus Bremen drei ikonische Gebäude in den USA mit ihrer Lichtkunst bespielt und auf diese Weise verschiedene Aspekte der deutsch-amerikanischen Beziehung angesprochen. Im Interview berichten Majo Ussat und Till Botterweck über dieses Projekt in Washington D.C., Indianapolis und Atlanta.
Von Marcus Hecto
Sie kreieren und konzipieren Lichtinstallationen. Wie machen Sie das und wie entstehen die Ideen?
Till Botterweck: Ein Konzept zu entwickeln, machen wir andauernd. Es ist unser Hauptjob, mit einer Projektion ein Thema bildlich an einer Fassade oder einem Ort umzusetzen. Wenn wir wie bei dem Auftrag des Goethe-Instituts in den USA, schon viele Informationen haben, dann ist es auch relativ leicht, sich etwas zu überlegen, wenn man eine klare Aussage hat. Meistens müssen wir erst einmal recherchieren.
Was war denn im Detail vorgegeben?
Majo Ussat: Die drei Gebäude waren vorgegeben. In Washington DC die Residenz der deutschen Botschafterin, in Atlanta die Public Library und in Indianapolis das Athenaeum. Außerdem sollte es um die deutsch-amerikanischen Beziehungen gehen, idealerweise im Zusammenhang mit der Architektur der Bauwerke.
Drei Orte, drei Gebäude - haben Sie jeweils einzelne Konzepte erarbeitet oder strebten Sie ein Gesamtkonzept an?
Botterweck: Wir haben uns drei verschiedene Ansätze überlegt, um zu erforschen, in welche Richtung es gehen soll. Dabei hat sich herausgestellt, dass alle drei Ideen funktionieren. Dementsprechend haben wir jede Idee an einen anderen Ort platziert und entsprechend angepasst.
Wie genau funktioniert dieser Prozess, Bilder zentimetergenau an eine Fassade zu projizieren und darauf auszurichten?
Ussat: Wir denken immer in einem künstlerisch-inhaltlichen Strang und in einem technischen. Die Grundüberlegung ist, wie wir überhaupt in der Lage sind, ein Gebäude zu illuminieren, sprich wo die Projektoren stehen können, wo das Publikum ist. Auch die Umgebungslichtsituation ist sehr wichtig um die richtigen Projektoren zu bestimmen.
Botterweck: Zuerst haben wir die Gebäude gescannt, damit wir sie in 3D-Modellen darstellen können. In speziellen 3D-Programmen setzen wir dann die Projektoren virtuell ein und überprüfen, ob wir mit vier Projektoren wie in Atlanta und Indianapolis hinkommen oder wie in Washington sechs brauchen, um alle Winkel zu erreichen. Das können wir im 3D-Programm überprüfen und rechnen dann die Quadratmeter und Lichtstärke aus. Darüber hinaus bauen wir Miniaturmodelle für die Art-Direktoren, damit sie proben und sich vorstellen können, wie es nachher auf dem Haus aussieht.
Was sind die Besonderheiten an den jeweiligen Orten?
Ussat: In Washington haben wir ein Gebäude mit stringenter Architektur und Säulen davor, die wir illuminieren wollen ohne das wir Schatten hinten auf das Gebäude werfen. Die technische Herausforderung ist es, auf allen Flächen gleich scharf zu projizieren.
Botterweck: Auf der Residenz der Deutsche Botschaft in Washington DC wird es einen Empfang mit Konzert und geladenen Gästen geben. Dort eröffnen wir unsere Arbeit zusammen mit dem Musikkorps Koblenz, der den Abend live zu unserer Projektion spielt.
Ussat: In Atlanta hatten wir erst eine ganz andere Idee. Doch vor Ort stellten wir das Konzept noch einmal um. Jetzt machen wir eine sehr grafische Arbeit in Zusammenarbeit mit lokalen Jugendgruppen, die zu Hip-Hop tanzen - Bauhaus meets Hip-Hop. Es ist für uns ein spannendes Konzept, was sich da entwickelt. In Atlanta ist die Herausforderung, dass die Public Library in einem Block steht, wo nicht viel Platz drumherum ist - dort müssen wir mit den Projektoren in ein Gebäude und auf der anderen Seite auf das Dach einer Galerie. Und dann stehen da auch noch ein paar Bäume. Das wird nicht so einfach.
Botterweck: In Indianapolis haben wir zum Beispiel ein Backsteinhaus, mit etwas filigraner Architektur. Das heißt, nicht alle Flächen sind rot, sondern auch weiß.
Ussat: Dadurch sind dann die Wirkungen der Farben sehr unterschiedlich.
Botterweck: Ziemlich gut. Ein Ansatz ist es, die deutsche und die amerikanische Sprache zusammenzubringen. Wir benutzen in Deutschland super viele Anglizismen - alles muss „cool“ sein, Wörter wie „Dating“ und „Event“ sind in aller Munde. Aber auch in den USA werden viele deutsche Worte benutzt, von denen die Amerikaner gar nicht wissen, dass sie Deutsch sind - Kindergarten, Sauerkraut, Bratwurst und Zeitgeist zum Beispiel. Wir haben eine riesige Liste an Worten eingebaut. Es war nicht so geplant, aber der Titel „Wunderbar together“ passte da voll drauf.
Ussat: Das wird die Eröffnungsarbeit an der Residenz der deutschen Botschafterin in Washington sein: Eine Ouvertüre, die mit Livemusik des Musikkorps Koblenz sehr farblich auf das Haus projiziert wird. Am Ende steht dann der Slogan.
Botterweck: Wir haben uns gefragt, welche deutschen Marken und Personen die Amerikaner wohl gut und spannend finden. Neben Jürgen Klinsmann sind wir bei der Recherche auf Personen wie Dirk Nowitzki, Albert Einstein, Marlene Dietrich, Max Ernst oder Werner Herzog gestoßen, die in den USA Berühmtheiten sind. Bei Personen wie Henry Kissinger wissen es viele gar nicht, dass er ein Deutscher ist. Das empfanden wir als spannendes Thema und werden diese Menschen auf der Fassade vorstellen.
Wie ist das Arbeiten in den USA?
Ussat: Die Herausforderung ist die Entfernung. Das bedeutet viel Kommunikation und immens viel Planung im Vorfeld. Vor Ort brauchen wir lokale Teams, die technisch alles umsetzen. Glücklicherweise haben wir einen technischen Direktor, der sehr erfahren ist in den USA und die Zusammenarbeit mit Zulieferern oder den Technik-Aufbau koordiniert.
Botterweck: Ein Vorteil war auch, dass das Goethe-Institut vor Ort viel vorbereitet, so kümmern die sich zum Beispiel um die Genehmigungen.
Sie gelten als detailverliebt. Warum kommt es bei den Lichtprojektionen tatsächlich auf Sekundenbruchteile und Millimeter an?
Botterweck: Es ist im Prinzip wie bei einem ausgezeichneten Drei-Gänge-Menü. Es muss an jeder Ecke genau gewürzt sein, die Zeitpunkte müssen stimmen, es muss alles richtig angeordnet sein. Wir erreichen irgendwann einen Schwellenwert, damit die Illusionen funktionieren. Wenn der Projektor nur minimal falsch steht, sind die Perspektiven in der Illusion nicht mehr richtig.
Ussat: Wir müssen sehr genau produzieren. Die Position eines Projektors muss auf den Zentimeter genau passen, wenn nicht, haben wir ein Problem mit den 3D-Filmen. Das Gleiche gilt für den Sound oder die Livemusiker in Washington. Da muss jede Sekunde stimmen.
Wie lange brauchen Sie, um einen dieser Beiträge zu produzieren?
Bottwerweck: Zwischen zwei Monaten und einem halben Jahr. Das ist von vielen Faktoren abhängig - der Story, den Effekten, den Besonderheiten vor Ort.
Ussat: Von der ersten Anfrage bis zur fertigen Installation dauert es schon ein halbes Jahr. Von uns sind etwa zwölf bis 14 Leute involviert, die Konzept umsetzen und technische Planung machen. Dazu kommen noch die Techniker vor Ort. Es ist aber ohne Zweifel aufgrund der Parallelität und es Zusammenhangs der drei Produktionen an unterschiedlichen Orten eine der aufwendigsten und größten Projekte, das wir gemacht haben.
biografien
Majo Ussat (46 Jahre) ist seit 2011 bei Urbanscreen und fungiert seit zwei Jahren als Geschäftsführer. Er arbeitet in dem Bremer Unternehmen als Produzent und Projektmanager.
Till Bottwerweck (44 Jahre) ist Mitbegründer und Geschäftsführer von Urbanscreen. Als Architekt und Bühnenbildner ist er für die Umsetzung der Produktion verantwortlich - sozusagen der Executive Producer.