Günter Peter Straschek
Mit beharrlichem Blick
Seinem Schaffen als Filmemacher bereiteten die politischen Tumulte der 1960er Jahre ein schnelles Ende. Doch Günter Peter Straschek hatte da bereits eines der Schlüsselwerke der Studentenrevolte geschaffen und sollte schließlich als Filmhistoriker sein Lebenswerk vollbringen.
Von Romy König
Die Legende beginnt mit einer Beschlagnahmung: Mehrere Monate hatte er an diesem Film gearbeitet, hatte das Drehbuch geschrieben, Regie geführt, das Material geschnitten. Ein 23-minütiger Schwarz-Weiß-Film war Ein Western für den SDS geworden, ein „sozialistischer Lehrfilm“, so wird er zumindest heute bezeichnet: Er zeigt die Mobilisierung einer jungen Frau für den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), thematisiert dabei die Rolle und die Rechte von Frauen. Doch zu sehen bekam den Film zunächst kaum jemand – die Filmhochschule nahm die Filmrolle an sich und hielt sie unter Verschluss. Filmstudierende kämpften daraufhin für die Herausgabe und machten in Pressekonferenzen auf die Konfiszierung aufmerksam, die Stimmung war aufgeladen und hochpolitisch. Mittendrin der Filmemacher selbst: Günter Peter Straschek.
Straschek, 1942 in Graz geboren, war bereits mit 19 Jahren durch Europa und Asien gereist und hatte in Israel in einem Kibbuz gearbeitet. Neben seinem ausgeprägten Faible für Literatur entdeckte er dabei sein Interesse am Film und studierte zwei Jahre am Filmseminar der TU Berlin, bevor er sich 1966 für ein Studium der Filmregie an der soeben gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin entschied. Hier entstand sein Kurzfilm Hurra für Frau E., ein Porträt einer von staatlicher Fürsorge abhängigen Mutter, die sich mit Prostitution ein Zubrot verdient. Und hier entstand auch Ein Western für den SDS, dessen Beschlagnahmung nicht nur zu Tumulten, sondern auch zum Rausschmiss mehrerer Filmstudierender und schließlich auch von Straschek selbst führte.
„Scheitern in dieser Branche“
Nach seinem Verweis von der Filmakademie 1968 kehrte Straschek dem aktiven Filmschaffen den Rücken, was er selbst in einem Hörfunk-Feature als „Scheitern in dieser Branche“ beschrieb, und konzentrierte sich auf die Erforschung des Sujets. Besonders in seinem Blick: die Emigration von Filmemacher*innen aus Nazideutschland. Wie erlebten sie das NS-Regime, welchen Einfluss hatte dies auf ihre Arbeit, wann und unter welchen Umständen mussten sie Deutschland verlassen? Dazu recherchierte er in Bibliotheken und Archiven in Europa und Amerika, das erfragte er – gemeinsam mit seiner Ehefrau Karin Rausch – in mehr als 2000 Interviews mit Emigrant*innen, darunter auch mit dem Regisseur Fritz Lang. 1975 entstand so die fünfteilige Fernsehdokumentation Filmemigration aus Nazideutschland – die Lebensleistung des 2009 verstorbenen Filmhistorikers.
„Strascheks Blick ist so präzise wie einfühlsam, ein beharrlicher Blick, der die verleugnete Vergangenheit auf die Tagesordnung setzt“, heißt es in einer Mitteilung des Kölner Museums Ludwig, das sich Strascheks Arbeit 2018 erstmals in einer Ausstellung widmete. Beim Durchkämmen von Strascheks Nachlass war Kuratorin Julia Friedrich dann auch über den Jahrzehnte verschollenen Film Ein Western für den SDS gestolpert. „In der letzten Dose“, wie sie dem Deutschlandfunk gegenüber verriet. In der Ausstellung zeigte sie auch ihn, diesen Kurzfilm, der 1968 zu einem Symbol und Schlüsselwerk der Studentenrevolte geworden war.