Ökologische Kunst
„Kunst, die sich in der Welt bewegt“

Mary und Daniel während der Arbeit an einem Projekt in Louisiana.
Foto: Monique Verdin

Zwei kalifornische Künstler erschaffen Skulpturen im öffentlichen Raum, die zur Regeneration geschädigter Ökosysteme beitragen und schließlich eins werden mit der Natur.

Daniel McCormick und Mary O’Brien haben im Lauf der Jahre für ihre Skulpturen im öffentlichen Raum viel Anerkennung erfahren. Doch welches Feedback hat ihnen am besten gefallen? Der Schildkrötenkot, den sie jeden Morgen auf Teilen ihrer Arbeit fanden. „Die Tiere haben sie sofort entdeckt, und darüber waren wir sehr glücklich”, sagt O’Brien und bezieht sich damit auf eine rund 80 Meter lange Installation, die beide im Frühling vergangenen Jahres mithilfe Hunderter Freiwilliger am Carson River in Nevada errichteten.

Die meisten Künstler wären über Tierexkremente wahrscheinlich weniger erbaut, aber McCormick und O’Brien haben sich auf Skulpturen spezialisiert, die der Umwelt helfen sollen, sich zu regenerieren. Ihre „Kunst in Stromgebieten“ existiert in Form von Austernbänken in Oakland, Sturmflutwehren an der Golfküste Louisianas und nun eines Auenhabitats an Abschnitten der Flüsse Truckee und Carson in Nevada.

Umweltschäden lindern

„Als Künstler wollen wir mehr tun, als den in der Natur stattfindenden Wandel lediglich zu dokumentieren“, erklärt McCormick. „Unsere Skulpturen sollen bei der Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichtes in gefährdeten Gebieten tatsächlich eine Rolle spielen.“

Dafür flechten er und O’Brien aus Zweigen von Pflanzen, die sie direkt in den Stromgebieten finden, Gebilde von zwei, drei oder sogar sechs Metern Länge, die sich an die Windungen erodierter Flussufer anpassen sollen. Ihr Aussehen beschreibt McCormick als riesige Erbsenhülsen. Die Gebilde werden später im Stromgebiet im Boden verpfählt mit Stecklingen aus einheimischen, schnellwachsenden Pflanzen, wie Weide und Pappel. Die Skulpturen halten abgetragenen Boden und Abfluss zurück und sorgen dafür, dass saubereres Wasser stromabwärts fließt. Wenn die Stecklinge wachsen, umschlingen sie die Skulptur, bis sie schließlich zu einem Teil der Landschaft wird.

Lebensräume bewahren

Bei ihren jüngsten Projekten an den Flüssen Carson und Truckee in Nevada kooperierten McCormick und O’Brien mit der Naturschutzorganisation The Nature Conservancy (TNC). Im Frühling dieses Jahres beendeten sie die Arbeit am Truckee. Dabei entstanden vier Installationen im McCarran Ranch Preserve, einem stromaufwärts östlich von Reno gelegenen Reservat des TNC.

Beide Flüsse sind schon seit langem menschlichen Eingriffen wie Überweidung, Wasserumleitung, Abtragung oder Begradigung der Flussbette ausgesetzt, die alle das Ökosystem beeinträchtigt haben. So schätzt TNC, dass das Flusseinzugsgebiet des Truckee seit 1900 90 Prozent des Waldgebietes an seinen Ufern und bis zu 70 Prozent seiner Vogelpopulation eingebüßt hat. Die Organisation hat mehrere der wichtigsten Sumpf-, Auen- und Wiesenabschnitte entlang beider Flüsse erworben, um sie für eine Vielzahl einheimischer Fisch-, Vogel-, Reptilien- und Insektenarten zu renaturieren. Gleichzeitig soll eine natürliche und bessere Hochwasserregulierung für flussabwärts gelegene Ortschaften wie Reno erreicht werden.

In diesen wichtigen Lebenswelten verschiedenster Arten befinden sich auch die Skulpturen von McCormick und O’Brien, die mithilfe Hunderter Freiwilliger aus Geschäftswelt und Schulen entstanden. „Weil sie uns bei der Errichtung geholfen haben, fühlen sie sich als stolze Besitzer“, beschreibt O’Brien die Helfer vor Ort. „Und so übernehmen sie letztendlich auch eine Beschützerfunktion.“

Künstler in direkter Interaktion mit der Natur

Die beiden Künstler erörterten mit Elisabeth Ammon, Ornithologin und wissenschaftliche Direktorin des Great Basin Bird Observatory, wie ihre Flussinstallationen beschaffen sein müssen, um Vögel anzuziehen. „Sie zeigten mir Entwürfe und wollten wissen, ob sie für heimische Vogelarten geeignet sind“, berichtet Ammon, die Expertin für die Renaturierung von Auenhabitaten ist. Sie fügt hinzu: „Die Zugvögel kehren gerade zurück, und es wird interessant sein zu beobachten, wie sie die Installationen annehmen. Die Skulpturen bieten hervorragende Sitzgelegenheiten für die Tiere. In Sumpfgebieten gibt es teilweise kaum Äste, auf denen Vögel sich niederlassen können. Doch die Tiere sitzen gern in einiger Höhe, um nach Insekten und Fischen Ausschau zu halten.“ Und tatsächlich begannen ein paar Zaunkönige, um eine Avian Habitat Resource Sculpture [Vogelhabitat-Ressourcenskulptur] genannte Installation am Truckee umherzuschwirren, während die Künstler noch daran bauten. Die Vögel paarten sich und bauten Nester darinnen.

Die Skulpturen von McCormick und O’Brien waren von Dezember 2014 bis April 2015 im Center for Art + Environment des Nevada Museum of Art zu besichtigen. Laut William Fox, dem Direktor des Zentrums, passten ihre Arbeiten ausgezeichnet in das Konzept des Ausstellungsortes, denn das Zentrum sammelt, untersucht und fördert Kunst, die „direkt in die Belange der Erde eingreift.“ Solche Kunstwerke, führt er weiter aus, seien Teil eines natürlichen Fortschritts, weil die Künstler, die früher die natürliche Welt lediglich katalogisiert hätten, nun direkt mit ihr interagierten. „Daniel McCormick und Mary O’Brien stehen bei dieser Entwicklung an vorderster Front“, meint er abschließend. „Für uns ist das Kunst, die sich in der Welt bewegt.“

Damit die Umwelt profitiert

Die Idee, Kunstwerke zu schaffen, die die Regenerierung von Ökosystemen unterstützen, geht auf McCormick zurück. Er begann Anfang der 1990er Jahre, große, korbförmige Strukturen zu bauen. Durch seine Renaturierungs-Kunstprojekte im Erholungsgebiet rund um die Bucht von San Francisco erlangte er Bekanntheit und gab daraufhin Workshops bei verschiedenen Organisationen, wie dem Shoreline Unified School District in Nordkalifornien. „Ich wanderte mit den Jugendlichen da raus, und wir installierten [die Skulpturen] in den Wasserrinnen, die den Abfluss aus der Landwirtschaft in den Hauptfluss leiteten“, erzählt McCormick. „Damit konnten wir den Erosionsprozess verlangsamen und verhindern, dass Schlamm in die Laichgebiete der heimischen Silberlachse und Stahlkopfforellen eindringt.“ O’Brien schloss sich ihm mit der Zeit an.

Die beiden sind Lebensgefährten und Kollegen, und sie haben Projekte in ganz USA realisiert, obwohl sich der Großteil ihrer Arbeit auf Kalifornien beschränkt. Mit dem zunehmenden Klimawandel sehen sich die beiden neuen Herausforderungen gegenüber. So müssen die Künstler in Nevada, das an einer langwierigen Dürre leidet, die Weiden und Pappeln in immer tieferem Wasser pflanzen, damit die Stecklinge die Hitze und Trockenheit überleben. „Wir stellen wissenschaftliche Überlegungen zur Renaturierung an, aber wenn man vor Ort ist, sind manche Regeln überholt, weil sich das Klima verändert hat“, führt McCormick aus. „Wir stecken mitten in einer sieben- bis zehnjährigen Dürreperiode.“

Touristen können die Kunstwerke von McCormick und O’Brien auf der River Fork Ranch bei Genoa, Nevada, oder auf der McCarran Ranch bei Reno bewundern. Auf der Webseite des TNC Nevada finden sich Karten, die Besuchern den Weg zu den Skulpturen weisen. Man sollte jedoch nicht zu lang damit warten, denn wenn die Weidenstecklinge wurzeln und zu großen Bäumen heranwachsen, werden die Skulpturen irgendwann nicht mehr sichtbar sein. Die Künstler finden es nicht schlimm, dass ihre Installationen eines Tages kaum mehr wahrnehmbar sein werden. „Die Umwelt soll von ihnen profitieren“, erklärt McCormick. „Wenn sich der Renaturierungsprozess nach einer Weile etabliert hat, tritt der Künstler immer weiter in den Hintergrund.“

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