Deutsche Serien in den USA
Luden: Könige der Reeperbahn

Standbild aus der Amazon-Originalserie "Luden-Könige der Reeperbahn" zeigt die Titelfigur Klaus Barkowsky dargestellt von Aaron Hilmer vor einem Eros Center
© Amazon Prime Video

Grob auf wahren Ereignissen basierend, entführt die Prime Video-Serie Luden die Zuschauer in das berüchtigte Rotlichtviertel St. Pauli in Hamburg während seiner zwielichtigen Hochzeiten – oder vielleicht sollte man sagen, seinem Tiefpunkt in den späten 1970er und 80er Jahren. Das waren die Boomjahre für Prostitution, Pornogeschäfte, Strip-Clubs und sogar Livesex-Shows. Touristen, Geschäftsleute und natürlich Matrosen im Heimaturlaub strömten ins Eros Center, ein sechsstöckiges Bordell, das als Zentrum der lokalen Sexindustrie diente. Unser Einstieg in diese Welt ist der junge Klaus Barkowsky (Aaron Hilmer), ein Barbesitzer, der selbst zum Zuhälter wird und die "Nutella-Gang" gründet, eine aufmüpfige Bande von Zuhältern, die sich dem herrschenden Kartell der Fleischhändler, bekannt als die GMBH, entgegenstellen. Selbstredend, dass ein Revierkampf entsteht.

Von Mark Tompkins

BAD BOY 2.0, DIE NÄCHSTE GENERATION

Selbst Zuschauer, die an Kabel- und Streaming-Serien gewöhnt sind, die uns gerne die wilden und verrückten Zeiten zeigen, die die Menschen hatten, als noch niemand auf ihre Handys schaute, könnten Luden als ziemlich heftig empfinden. Die Szene, die in den 1960er Jahren, als die Beatles ihre Lehrjahre im Star Club absolvierten, noch bunt und schrullig wirkte, ist zwei Jahrzehnte später nicht nur härter, sondern auch mit Drogen und Geld aufgeladen. Es ist eine gefallene Welt, schlüpfrig und sensationell, aber niemals anstößig.

Über sechs Episoden hinweg wird Klaus zu einem Mitspieler auf der langen Meile der Reeperbahn. Sein Hauptkonkurrent und Nemesis im Zuhältergeschäft ist der abgebrühte Schläger 'Beatle' Vogler (Karsten Mielke), auf den ersten Blick kein Superfly. Klaus hingegen taucht mit Disco-Flair und der Haltung einer Knalltüte auf, was ihm nur Lacher bringt. Aber Spott ist nur Treibstoff für das Ego eines geborenen Störers, und Klaus hat eine Vision, so absurd das in diesem Milieu klingen mag.

Klaus erzählt ständig, wie er eine Studio-54-Atmosphäre auf seine Etage im Eros Center schaffen will. Daher überrascht es vielleicht nicht, dass Prostituierte sich entscheiden, lieber für ihn zu arbeiten als für die bierseligen Rüpel, die sie seit Ewigkeiten verprügeln. Und Klaus' Aufstieg wird durch die Liebe und den Zuspruch von Jutta (Jeanette Hain), einer älteren Sexarbeiterin, zufällig Voglers einstige Gspusi, unterstützt, was Klaus' Usurpation einen quasi-ödipalen Schub verleiht.

VIELLEICHT MÖCHTEST DU ZWISCHEN DEN EPISODEN MAL DUSCHEN

Luden glänzt, wenn es darum geht, das Schmutzige und Schmuddelige eines altmodischen Rotlichtviertels zu beschwören. Klaus und seine Mitstreiter flanieren durch ein paar Blocks, die nie Tageslicht oder irgendein anderes Zeichen der Außenwelt sehen. Ihre neonbeleuchteten Missgeschicke werden in schäbigen Bars und Clubs ausgetragen, in denen die Decken von Zigarettenrauch vernebelt sind und überhaupt jede Oberfläche mit einer gruseligen Schmutzschicht überzogen ist. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wie der Gestank von Bier, Kotze, oder Schlimmerem, in der Luft hängt. Dazu ist alles auch noch im Augenkrebs Stil der 1970er Jahre dekoriert. Abgesehen von einer Aufnahme vom Hafen, die Klaus ignoriert, während er mit seinem Lamborghini vorbeifährt, zeigt die Serie kaum etwas von Hamburg, was weniger auf ein knappes Budget als auf die Tatsache hinweist, wie abgeschlossen Klaus' Umfeld ist. Die Reeperbahn ist sein Königreich, und der Zuhälter hat kein Interesse an der Außenwelt, die ihm nicht schmeichelt oder sich ihm unterwirft.

DIE SCHLECHTEN GUTEN ALTEN ZEITEN

Luden präsentiert seinen schäbigen Schauplatz erstaunlich wenig zögerlich in Bezug auf zeitgemäße Empfindlichkeiten. Während den weiblichen Charakteren ein gewisses Maß an Handlungsfreiheit eingeräumt wird, wird die sexuelle Ausbeutung, die das Fundament der Rotlichtwirtschaft bildet, als schlichte Tatsache des Lebens dargestellt. (Die erste Episode ist bei weitem die schmierigste, was die Art der Produzenten sein könnte, dem Publikum zu signalisieren, worauf es sich einlässt. Oder vielleicht auch nur ein Köder.) Der Dialog klingt nicht gerade wie der eines Autorenteams des 21. Jahrhunderts, das um politische Korrektheit besorgt ist.

Wir sehen, dass der junge Klaus in seinen Sexualpolitiken etwas weniger der Neandertaler ist als die gestandenen Zuhälter mit ihren Backenbärten, denen er das Wasser abgraben will, aber als Protagonist ist er kaum auf zeitgenössischen Standards poliert. Als wir sehen, wie er einer unglücklichen Freundin befiehlt, sich groteskerweise auf einer Ölplattform zu prostituieren, wo sie eine Art Opferlamm sein wird, können wir nicht übersehen, wie sehr der Charakter sich mit der Fantasie, allen eine gute Zeit zu bieten, selbst was vor macht. (Man kann darüber streiten, ob die Serie selbst sich ausreichend mit den miesen Aspekten seines Charakters auseinandersetzt.)

Die Skripte verweisen schließlich auf sexuellen Missbrauch in der Vergangenheit, der dazu beiträgt, dass zumindest einige der Mädchen in die Prostitution getrieben werden, und ein elliptischer Rückblick deutet darauf hin, dass Klaus als Jugendlicher selbst Missbrauch von einem Vormund erlitten hat. Im Gegensatz zu mehr als einer fiktiven Erzählung in der heutigen Zeit verweilt die Serie jedoch nicht auf vergangenen Traumata. Die raue Umgebung lässt das nicht zu, und die Charaktere lassen nicht zu, dass Traumata sie definieren. Jeder hier, der seine frühen 20er überlebt, ist ein abgehärteter Überlebender.

Provokanter ist die Idee, dass einige der Mädchen, die Klaus' Angestellte werden, vor Heimatstädten der erstickenden Langeweile und Konformität fliehen, und das Leben in St. Pauli ist eine Möglichkeit, böse zu sein oder sich zumindest einzureden, dass sie rebellieren. Aber das Auftauchen von AIDS Mitte der 80er Jahre beendet die Fantasie von Sex, Drogen und Rock 'n' Roll für alle. Als das Geschäft in seinem Bordell versiegt, wendet sich Klaus dem Kokainschmuggel zu, und an diesem Punkt wird die Geschichte von Luden weitaus vertrauter.

Luden ist sehenswert, aber es bleibt fraglich, ob die Filmemacher einen überzeugenden Grund gefunden haben, diese Geschichte im Jahr 2023 zu erzählen. Das lange Schwelgen in grenzenloser Kinkiness, Drogen und schrägen Musikstücken könnte vermuten lassen, dass nach dem Erfolg von We Children from Bahnhof Zoo auf Amazon Prime Video ein leitender Produzent das Telefon abgehoben hat und "Besorgt mir mehr Zeitgeschichte-Schmuddel, pronto!" verlangt hat. Der Autor kann sich sogar eine Zusammenstellung der Soundtracks beider Serien vorstellen, die Bundesrepublik: The Down and Dirty Years heißen sollte.

 

Sehen Sie "Luden: Könige der Reeperbahn "

Streaming weltweit auf Amazon Prime

„Luden: Könige der Reeperbahn“
Sechs Episoden, jeweils ca. 50 Minuten.
Mit: Aaron Hilmer, Jeanette Hain, Henning Flüsloh, Lena Urzendowsky, Noah Tinwa, Karsten Mielke, Lara Feith
Kreiert von Niklas Hoffmann, Peter Kocyla, Rafael Parente
Regie: Laura Lackmann, Stefan A. Lukacs
Produktionsfirma: Neuesuper
Content Advisory: Nacktheit, Gewalt, Drogenkonsum, Alkoholkonsum, Rauchen, vulgäre Sprache, sexuelle Inhalte

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