Ausgesprochen ... integriert
Woher kommst Du – und wenn ja wie lange?

Woher kommst Du – und wenn ja wie lange?
Foto (Detail): © mauritius images, Gary Waters

Die Frage, woher man denn jetzt eigentlich ursprünglich stamme, begleitet viele ein Leben lang. Neugier auf die Herkunft des anderen ist menschlich, kann aber auch nerven, schreibt Sineb El Masrar in ihrer Kolumne.

Von Sineb El Masrar

Eine Frage, die in manchen Teilen unserer Einwanderungsgesellschaft für Herzrasen sorgt, ist die Frage nach der Herkunft. Meist verlaufen die Gespräche hierüber nach einem ähnlichen Schema ab. Erst wird gefragt, woher Mensch komme. Wenn die Antwort nicht irgendeinen Fleck außerhalb der deutschen Landesgrenzen benennt, folgt darauf die Frage mit dem Adjektiv „ursprünglich“. Und da aller guten Dinge drei sind, folgt meist noch eine Frage, die die Eltern miteinbezieht. Denn die werden mit großer Hoffnung das Rätsel lösen und werden sicherlich außerhalb Deutschlands geboren worden sein. Das stimmt oft, aber nicht immer. Denn viele junge Menschen, die heute als Jugendliche die Schulbank drücken oder zur Uni gehen oder einer Ausbildung nachgehen, haben bereits Eltern, die selbst in Deutschland geboren worden sind. Die letzte Frage müsste bei ihnen daher schon die Großeltern einbeziehen.

Protokollier mir deine Herkunft

Wie das Bohren nach dieser ethnischen beziehungsweise nationalen Herkunft aufgenommen wird, soll nicht Thema meiner heutigen Kolumne sein. Denn es lässt sich knapp zusammenfassen, dass es das Team „Genervt und empört“ und das Team „Kommunikativ und gechillt“ gibt. Die erste Gruppe empfindet es als Angriff auf ihre Identität und Infragestellung ihrer Daseinsberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland. Die anderen reagieren höchstens genervt, wenn sie grundsätzlich keinen guten Tag haben, und geben aber ansonsten sehr gerne und manchmal auch stolz ihre Familien- und Einwanderungsgeschichte zum Besten.

Heute soll es vielmehr um die Frage gehen, wie lange Mensch hierzulande eigentlich als Bürger*in mit Migrationshintergrund gilt. Wie wir wissen, gibt es zahlreiche Menschen in diesem Land, die beispielsweise seit mehreren Generationen eine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Nicht wenige kennen das Land ihrer migrantischen Vorfahren nicht einmal von Urlaubsreisen. Zum Beispiel, weil das entsprechende Elternteil, welches für den bürokratischen Zusatz „Migrationshintergrund“ gesorgt hat, entweder nie Teil des Familienlebens war, oder weil die familiären Zerwürfnisse so groß sind, dass Mensch um diesen Teil der Herkunft einen jahrelangen Bogen macht. Nicht selten herrscht aber auch Krieg oder politische Verfolgung, und eine Reise in das Land der Ahnen ist schlichtweg lebensgefährlich. Verständlicherweise hat nicht jede*r unter solchen Umständen die große Lust, ein halbes Herkunftsprotokoll abzulegen.

Kommt ins Gespräch miteinander

Die Neugier, mehr über die Herkunft des Gegenübers zu erfahren, wird immer bleiben. Als Menschen wollen wir wissen, wer uns gegenüber steht und woher das für ihn oder sie fremdländisch wirkende optische Merkmal oder auch Vor- und Nachname herkommen.

Nicht selten hofft der Fragende auf Gemeinsamkeiten. Jemand, der optisch wie ein autochthoner Deutscher aussieht – also so, wie sich die Welt und so manche Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund sich Deutsche vorstellen –, kann durchaus ähnliche Erlebnisse oder gar geografische Gemeinsamkeiten mit seinem Gegenüber teilen. Gleichzeitig: Dass jemand Schwarz ist bedeutet nicht, dass dieser Mensch nicht schon seit Generationen mit Deutschland verbandelt ist.

Jede*r hat seine Herkunftsgeschichte, und Geschichten sind nicht selten spannend. Warum im Alltag mancher als Mensch mit Migrationshintergrund wahrgenommen wird oder nicht, hat meist mit dem Wahrnehmenden zu tun, und das ebenfalls zu ergründen und diese Geschichte dahinter zu erfahren, böte doch genug Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Etwas, was wir heute mehr denn je tun sollten. In diesem Sinne: Redet miteinander!

 

„AUSGESPROCHEN …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im Wechsel Sineb El Masrar, Susi Bumms und Maximilian Buddenbohm. El Masrar schreibt über Einwanderung und die Multi‑Kulti‑Gesellschaft in Deutschland: Was fällt ihr auf, was ist fremd, wo ergeben sich interessante Einsichten?

  
 

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