Vertrauen und Handel
Kingsley Omeihe im Gespräch

Es ist an der nigerianischen Jugend, eine vertrauensvolle Zukunft zu gestalten.
Es ist an der nigerianischen Jugend, eine vertrauensvolle Zukunft zu gestalten. | © mauritius images / Confidence Nzewi / Alamy / Alamy Stock Photos

Welche Rolle spielt Vertrauen in Handelsbeziehungen? Antworten darauf hat Kingsley Omeihe. Er ist Professor für Marketing und Kleinunternehmertum an der University of the West of Scotland und Präsident der Academy for African Studies. Sein Schwerpunkt sind Handelsbeziehungen in seiner Heimat Nigeria. Omeihes jüngstes Buch trägt den Titel „Trust and Market Institutions in Africa“.

Kingsley Omeihe, warum ist Vertrauen in Handelsbeziehungen so wichtig?

Wie wir alle wissen, ist Vertrauen in Beziehungen allgemein von entscheidender Bedeutung. Aber zu vertrauen birgt auch Risiken und potenzielle Zweifel. Selbst bei schriftlichen Verträgen gibt es keine absolute Garantie, dass Geschäftsleute sich nicht opportunistisch verhalten. Die Rolle des Vertrauens besteht darin, diese komplexen Beziehungen zu vereinfachen und Risiken zu mindern.

Vertrauen kann verschiedene Konnotationen haben. Was ist damit in Nigeria oder in afrikanischen Ländern konkret gemeint?

Die Igbo in Nigeria bezeichnen Vertrauen als „ntukwasi obi“. Damit kann ein starker Glauben an die Zuverlässigkeit oder in die Fähigkeiten einer Person gemeint sein, aber auch ein positives Wissen über die eigenen Erwartungen. In ähnlicher Weise beziehen sich zum Beispiel die ghanaischen Wörter für Vertrauen – „ahotosoo“, „gyedie“ oder „twere“ – auf Verlässlichkeit, Glauben und Zuverlässigkeit. Vertrauen basiert also auf einer Reihe von sozialen Beziehungen, die Informationen über die Glaubwürdigkeit einer Person liefern. Und in diesen Beziehungen kann es auch Sanktionen geben, wenn das Vertrauen gebrochen wird.

Das Misstrauen wirft einen langen Schatten.

Über Nigeria heißt es oft, dass die Politik korrupt sei und die staatlichen Institutionen nicht funktionieren. Wie ist da Vertrauen, wie ist da Handel möglich?

Die Entwicklung Nigerias und vieler afrikanischer Länder wurde durch schwache Institutionen wie Gerichte, Polizei und Wahlkommissionen behindert. Was den Handel betrifft, so sind viele Menschen im informellen Sektor aktiv. Bei meinen Untersuchungen habe ich festgestellt, dass sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer auf Institutionen wie Familie, Verwandtschaft, Religion und kulturelle Vereinigungen stützen, um die vorhandene Lücke zu füllen. Darüber hinaus gibt es einheimische Marktverbände, die sich entwickelt haben, um den spezifischen Bedürfnissen afrikanischer Geschäftsleute gerecht zu werden. Diese Verbände bieten fruchtbare Möglichkeiten zur Verbesserung von Marktvereinbarungen. Sie kontrollieren die Preise, den Markteintritt und den Zugang zu neuen Märkten. Sie setzen sich für das Gemeinwohl ihrer Mitglieder ein.

Wie erklären Sie sich das große Misstrauen gegenüber den Institutionen in Nigeria?

Misstrauen entsteht, wenn Vertrauen gebrochen oder verletzt wird. Dabei sind schwerwiegende Fälle von Misstrauen weitaus schädlicher als einzelne kleine Vertrauensbrüche. Denn wenn das Misstrauen erst einmal da ist, wirft es einen langen Schatten und das macht es schwierig, die Beziehungen zur Bevölkerung wiederherzustellen. Die jüngsten Wahlen in Nigeria zeigen das Ergebnis dieses Misstrauens. Vieles deutet darauf hin, dass die Menschen es vorziehen würden, Beziehungen zu wenig verlässlichen Führungspersonen abzubrechen und sich vertrauenswürdige zu suchen.

Die Gestaltung der Zukunft Nigerias

Sie sind nicht nur Hochschuldozent, sondern haben auch in der Modebranche gearbeitet und beraten Start-ups. Wie erleben Sie die junge Generation und wie sehen Sie selbst die Zukunft Nigerias?

Es gibt eine aufregende Dynamik in der jungen nigerianischen Start-up- und Kunstszene. Wir sind Zeugen der Entstehung eines neuen Nigerias, angetrieben von seiner bisher unternehmerischsten Generation. Diese jungen Menschen schlagen weltweit Wellen in Bereichen wie Wissenschaft, Unterhaltung, Sport, Wirtschaft und Technologie. Bei meinen Gesprächen habe ich festgestellt, dass viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer von dem Wunsch beseelt sind, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Dennoch sind sie nicht naiv gegenüber den Herausforderungen, mit denen Nigeria konfrontiert ist.

Teilen Sie den Optimismus der jungen Menschen?

Ich bin mir bewusst, dass Nigeria mit seiner jungen Bevölkerung, seinen enormen natürlichen Ressourcen und seiner strategischen Lage ein unbestreitbares Potenzial für eine rasche, transformative Entwicklung besitzt. Um das zu erreichen, müssen jedoch viele systemische Herausforderungen bewältigt werden. Noch wichtiger ist, dass die von egoistischen Politikern geschürten stammesbedingten, ethnischen und religiösen Spannungen überwunden werden. Die nigerianische Jugend muss bei der Gestaltung der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Und tatsächlich hat sie bereits damit begonnen.

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