Queer as German Folk | Ausstellung
Guadalajara

Ex-Convento del Carmen Guadalajara © Ex-Convento del Carmen

4. Oktober bis 15. November 2019

Ex-Convento del Carmen

  • Das zentral gelegene Ex-Convento del Carmen ist der Schauplatz von „Queer as German Folk + La Okupa Cuir“ © Berennu Hernández

    Das zentral gelegene Ex-Convento del Carmen ist der Schauplatz von „Queer as German Folk + La Okupa Cuir“

  • Der Künstler Lukas Avendaño in der Eröffnungsperformance: Vom kokett lächelnden Mädchen ... © Berennu Hernández

    Der Künstler Lukas Avendaño in der Eröffnungsperformance: Vom kokett lächelnden Mädchen ...

  • ... zum anklagenden politischen Agitator © Berennu Hernández

    ... zum anklagenden politischen Agitator

  • Nach einer aufwühlenden Performance ein paar sanfte Einweihungsworte: Luis Josué Martínez, Kultusministerium Jalisco; Co-Kurator Mario „Wandu“ Macías; Ruth López Hernández und Claus Witte, Kulturprogramm; Andrés Treviño, Direktor für Geschlechterdiversität der Landesregierung Jalisco (von links nach rechts) © Berennu Hernández

    Nach einer aufwühlenden Performance ein paar sanfte Einweihungsworte: Luis Josué Martínez, Kultusministerium Jalisco; Co-Kurator Mario „Wandu“ Macías; Ruth López Hernández und Claus Witte, Kulturprogramm; Andrés Treviño, Direktor für Geschlechterdiversität der Landesregierung Jalisco (von links nach rechts)

  • Lukas Avedaño: „Ich bin keine Person, ich bin ein Schmetterling.“ © Berennu Hernández

    Lukas Avedaño: „Ich bin keine Person, ich bin ein Schmetterling.“

  • Die German Folk und die Latin Cuir sind in der Ausstellung nicht getrennt, sondern kontrastiv nebeneinander gestellt © Berennu Hernández

    Die German Folk und die Latin Cuir sind in der Ausstellung nicht getrennt, sondern kontrastiv nebeneinander gestellt

  • Das Ausstellungsplakat: „Ach, wenn wir alle Schnecken wären, dann wär der Sex nur halb so schwer.“ © Berennu Hernández

    Das Ausstellungsplakat: „Ach, wenn wir alle Schnecken wären, dann wär der Sex nur halb so schwer.“

  • Mit einem Auge „Queer as German Folk“, mit dem anderen „Latin Cuir“ © Berennu Hernández

    Mit einem Auge „Queer as German Folk“, mit dem anderen „Latin Cuir“

  • Bei „La Okupa Quir“ gilt es, genau hinzusehen © Berennu Hernández

    Bei „La Okupa Quir“ gilt es, genau hinzusehen



Dass eine Ausstellung zur Thematik der queeren Bewegung in Mexiko in einem ehemaligen Kloster wie dem Ex-Convento del Carmen in Guadalajara stattfindet, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Aufgrund der spezifischen historischen Situation Mexikos, einem Land, in dem die liberale Regierung unter Präsident Benito Juárez mit ihren Reformgesetzen Mitte des 19. Jahrhunderts kirchliches Eigentum enteignet und verstaatlicht hat, befinden sich viele Kultureinrichtungen in ehemaligen Klöstern, Kirchen und kirchlichen Einrichtungen.


Besonders an „Queer as German Folk“ in Guadalajara ist die Tatsache, dass hier nicht nur die eigentliche Ausstellung gezeigt wird. Dank der Arbeit der beiden Kuratoren Mario Wandu und Cuaco Navarro wurde das Projekt in einem der katholischsten und konservativsten Bundesländer Mexikos um den Zusatz „+ La Okupa Cuir“ erweitert. Diese Erweiterung der Ausstellung, die man als Ausstellung in der Ausstellung betrachten kann, versteht sich als parasitäre Unterwanderung des Originalkonzepts. Durch kontrastive Gegenüberstellung der Texte und Fotos von „Queer as German Folk“ mit Kunstwerken von LGBTIQ+-Künstler*innen aus Mexiko, Costa Rica, Kuba und Kolumbien soll durch bewusste Provokation ein Dialog entstehen, der herkömmliche, dominante Narrative in Frage stellt. Nicht-identitäre Positionen stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, die von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet wird.

Die Provokationen begannen mit einer Performance des Muxe-Künstlers Lukas Avendaño zur Eröffnung am 24. Oktober 2019. Bei den Muxe-Indigenen aus dem Istmo von Tehauntepec existieren keine eindeutig zugeordneten Geschlechteridentitäten (siehe auch den Artikel Queer: Nein. Queer-po muxe: Ja von Lukas Avendaño): Personen werden mit männlichen Geschlechtsorganen geboren und nehmen ganz selbstverständlich auch Rollen ein, die als traditionell weiblich angesehen werden. Die Muxe kennen ebenso keine Wörter für „er“ und „sie“, diese Kategorien existieren schlicht und ergreifend nicht. So oszilliert Avendaño in seiner Performance immer zwischen dem in konventionellen Kategorien „männlichen“ Verführer und der „weiblichen“ Verführten. Rollen werden gewechselt, Identitäten unterminiert. Wichtig ist bei dieser Performance die Anklage: Anklage gegen Moralvorstellungen, die Menschen einengen, gegen soziale Zwänge, die uns verpflichten, eine Identität anzunehmen, gegen gesellschaftliche Tabus, die zu Traumata und psychischen Schäden führen, gegen Menschen, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen unterdrücken, aber auch eine Anklage gegen ein Land, das von einem Drogenkrieg geprägt ist, vom Verschwinden von mehr als 46.000 Personen (eine davon ist der Bruder von Lukas), vom Wegschauen und von Straflosigkeit.

So enthält diese Performance, und mit ihr die gesamte „+ La Okupa Cuir“, ein utopisches ästhetisches Moment, die Hoffnung darauf, dass – wenn auch biologische Geschlechtsunterschiede bestehen mögen – die Identitäten im Miteinander der Menschen unwichtig werden und jede und jeder in Rollen schlüpfen können, die ihr oder ihm lieb sind.


Dieses Springen zwischen „Frau“ und „Mann“ wird auch in dem die Ausstellung bewerbenden Poster hervorgehoben. Zwei Schnecken, deren Hermaphroditismus (Zweigeschlechtlichkeit) die von den Ausstellungsmacher*innen intendierte Ablehnung eindeutiger Geschlechtsidentitäten unterstreichen soll, umschlingen sich im pinken Geschlechtsakt und symbolisieren die Idee einer absoluten Unwichtigkeit von Geschlechtsfestlegungen. Nicht „L“, nicht „G“, nicht „B“, nicht „T“, nicht „I“, nicht „Q“ will La Qkupa Cuir sein, sondern einfach „M“ wie Mensch.




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