„Mensch oder Monster, oder ist er beides?“ fragte das Cover des Marvel-Comics „The Incredible Hulk #1“ im Jahr 1962, und skizzierte damit perfekt die schizophrene Seele des zukünftigen Marvel-Hauptdarstellers. Für Superhelden-Comicfans ist „Der unglaubliche Hulk“ schon seit fast 60 Jahren eine Ikone, und selbst Uneingeweihte kennen spätestens seit dem phänomenalen Erfolg der „Marvel‘s The Avengers“-Filme den brachialen grünen Klotz. Grün? Ohne einen Druckfehler wäre der unglaubliche Hulk nur grau (und möglicherweise lange nicht so populär).
Die Titelseite der US-Ausgabe Hulk Nr. 372 illustriert das Straucheln der verschiedenen Persönlichkeiten des Hulk
Der Druckteufel änderte aber nicht nur die Farbe des Hulk, sondern auch die Handlung des Comics – eine Änderung, die dann in zukünftigen Inkarnationen des Hulk zum Tragen kommen sollte. Der Erklärungsbedarf, den der Farbwechsel einforderte, öffnete die Tür zu einer Wesenseigenschaft des Hulk: Die verschiedenen Manifestationen des Hulk drücken aus, welcher Aspekt von Banners Psyche die komplexen Verwandlungen des schüchternen Wissenschaftlers zu den verschiedenen Persönlichkeiten des Hulk bestimmt, und selbst die Eigenschaften seiner unkaputtbaren Haut wurden in späteren Erzählungen zum Gegenstand. Der graue Hulk blieb lange ein unterschwelliges Motiv in der Marvel-Fangemeinde und 1986 manifestierte sich das Alter Ego Bruce Banners unerwartet in einem durchtriebenen, grauen Hulk, der sich „Joe Fixit“ nannte und als Rausschmeißer in Las Vegas arbeitete. Das war eine von mehreren grauen Hulk-Persönlichkeiten und nur Psychotherapie erlaubte es Banner und seinem Alter Ego, die durch ein Kindheitstrauma entstandene dissoziative Identitätsstörung in den Griff zu kriegen.
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Verborgen in der schizophrenen Ontologie des Hulk (und der Marvel-Comics als solche) finden aufmerksame Leser*innen also eine komplexe Auseinandersetzung mit sehr menschlichen Eigenschaften. Wo andere Marvel-Charaktere an Liebeskummer, Verlust, Alkoholismus, Trauma oder ihrer Identität straucheln, ist dieser unkontrollierbare Superheld zum Symbol innerer Rage, latenter Ängste, Stress und unverarbeiteter psychischer Belastung geworden. Und wenn der Hulk des MCU vor seiner spektakulärsten Verwandlung im Kampf um New York erklärt: „Das ist mein Geheimnis – ich bin immer wütend …“, wird deutlich, dass nur sein Intellekt und ein bisschen Liebe das Monster im Zaum halten. Das ist für alle Zuschauer*innen, die ihre eigene Wut und irrationale Emotionen irritieren, eine große Geste. Vielleicht sind wir ja alle „Mal grün, mal grau, mal blöd, mal schlau.“ Und in dieser selbstreflektiven Einsicht liegt unser Geheimnis.