Beatriz Sarlo
„Ein freundschaftlicher Ort. Wie ein Zuhause“
Großartige Tagungen über Adorno und Walter Benjamin; ein Seminar von Osvaldo Guariglia über die Phänomenologie des Geistes; Konzerte zeitgenössischer Musik; szenische Lesungen, die argentinische sowie deutsche Regisseure und Schauspieler zusammenbringen; ein Video von Kraftwerk vor langer Zeit; Gerardo Gandini, wie er im Konzertsaal des Goethe-Instituts am Klavier sitzt; der Dreh eines Filmes, an dem ich mitwirkte; die Bibliothek und Mediathek; meine Deutschlehrer. Noch vieles mehr könnte ich aufzählen, denn das Institut begleitet mich, so wie ich es seit Jahrzehnten begleite.
Jedoch wurde ich gebeten von einer besonderen Erinnerung zu berichten. Diese trug sich 1978 zu: Militärdiktatur in einem Land bestürzt und überschattet von Blut und Angst. Zu dieser Zeit veröffentlichte ich eine unbedeutende Zeitschrift, gelesen von wenigen, vielleicht hundert, zweihundert Personen, völlig unsichtbar. Wir wollten, dass man weiterhin denken könnte und dass Argentinien (oder besser gesagt, eine Gruppe Intellektueller) nicht komplett den Kontakt mit dem verlöre, was in der Welt passierte. Im Juni jenes Jahres organisierte das Goethe-Institut eine Vorführung von sieben Fassbinder-Filmen, darunter zwei Erstaufführungen. Jeden Nachmittag wartete eine lange stille Schlange, die von den Glastüren bis zur Straße reichte, auf die Vorführung dieser Filme. Es war wie ein geheimer Freiheitsakt, diese Filme des aufwühlendsten der deutschen Regisseure zu sehen. Ich schrieb einen Artikel über Fassbinder in meiner Zeitschrift. Seitdem empfand ich das Goethe-Institut als einen freundschaftlichen Ort. Als ein Zuhause.
Fast zehn Jahre später war in Argentinien die Demokratie zurückgekehrt, aber in Chile gab es noch Pinochet. Ich erinnere mich an eine ähnlich angespannte und emotionale Nacht im Institut in Santiago. Es war eine Performance, aufgeführt im Untergrund und ohne Zweifel noch immer gefährlich. Das Publikum kam einzeln, einer nach dem anderen und verteilte sich in Stille unauffällig im Zuschauerraum. Zwanzig Dichterinnen lasen ihre Texte auf der Bühne, kaum sichtbar in einem gedämpften Licht. Alles bebte vor Spannung. Ich fühlte mich an die Zeit damals 1978 erinnert.