Klimaschutzabkommen
Tun die Regierungen genug?
Die Ergebnisse der Klimaforschung sind eindeutig. Doch spiegelt sich dies auch im politischen Handeln von Regierungen und Institutionen auf der ganzen Welt wider? Ein Reality Check.
Von Matilde Alvim
Diese Frage ergibt sich aus den unstrittigen Belegen für die Umweltzerstörung, die durch die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen ausgelöst und durch die globale Ausbreitung eines sozioökonomischen Systems beschleunigt wird, das Geld vor Leben stellt. Wie im vorherigen Artikel erläutert, sind die Aussagen der Klimaforschung klar, und es gilt, keine Zeit zu verlieren. Was also tun Institutionen und Regierungen angesichts des drohenden Kollapses, um die Klimakrise aufzuhalten und ein neues Paradigma zu etablieren?
Wir können uns zunächst das Pariser Abkommen anschauen, das im Dezember 2020 sein 5-jähriges Bestehen feierte. Es wurde 2015 auf der UN-Klimakonferenz - COP21 - in Paris unterschrieben und zeichnete sich dadurch aus, dass sich die Staaten der Welt auf 2°C Erwärmung als Obergrenze einigten, wobei 1,5°C als ideal galten. Das Abkommen wurde als Rettungsanker in der Klimakrise angepriesen und dient als Referenz in zahlreichen Zielvorgaben, offiziellen Dokumente und in den Medien. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung riefen Bewegungen für Klimagerechtigkeit die Regierungen dazu auf, die Linie einer gesicherten Zukunft nicht zu überschreiten, indem sie überall in der Stadt riesige rote Linien errichteten. Laut BBC News verbreiteten sich die Proteste während der COP21 über den gesamten Globus, von den Marshall-Inseln über die Gletscher in Chile und Kolumbien bis zum Äquator in Kenia.
Die rote Linie wurde überschritten!
Was aber bleibt, ein halbes Jahrzehnt später? Wurde die Grenze überschritten? Die Antwort ist ja. Das wird schon durch die Analyse des Abkommens selbst deutlich. Die Organisation ATTAC France hat kurz nach der COP21 untersucht, welche Prämissen vereinbart wurden, und festgestellt, dass das Abkommen, selbst wenn alles buchstabengetreu eingehalten wird, eine Erwärmung von mindestens 3°C vorsieht. Darüberhinaus nehmen die weltweiten Emissionen jährlich zu. Sogar während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie wurde die Fantasie, dass die „Welt sich selbst heilen würde“, schnell von der Realität eingeholt. In einem Artikel in der Zeitschrift Nature Climate Change stellen Forscher fest, dass „die meisten der 2020 beobachteten Veränderungen wahrscheinlich vorübergehend sind, da sie keine strukturellen Veränderungen im Wirtschafts-, Transport- oder Energiesystem darstellen.“ Sie unterstreichen damit das Ausbleiben einer strukturierten Reaktion der Regierungen, die notwendig wäre, um den Kurs in der Klimakrise zu ändern.Fünf Jahre sind seit Paris vergangen und wir steuern weiter mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Klimachaos, wie bei der „Beerdigung“ des Pariser Abkommens durch die Bewegung Climáximo in Lissabon im Dezember 2020 deutlich wurde. Rubén D. Manzanedo, Forscher in Harvard, vergleicht die Pandemie- mit der Klimakrise und stellt fest, dass „frühzeitiges Handeln notwendig ist, um Worst-Case-Szenarien sowohl für die Klimakrise als auch für Pandemien zu vermeiden.“
Eine andere Brille aufsetzen
Kein Land der Welt tut genug – und die europäischen Länder vermitteln zwar das Bild einer Vorreiterrolle, sind aber gleichzeitig für Finanzierungen fossiler Projekte in aller Welt verantwortlich. So zeigen Recherchen des internationalen Kollektivs Gastivists, dass die klimatische und politische Katastrophe in Cabo Delgado (Mosambik), wo Gemeinschaften durch Ressourcenabbau und Gewalt bedroht sind, großteils von europäischen Unternehmen wie Total und ENI finanziert wird.Vielleicht schauen wir nicht durch die richtige Brille. Vielleicht sollten wir uns nicht fragen, ob das Pariser Abkommen gescheitert ist oder ob unsere Regierungen genug tun. Sind die Vereinbarungen und „Versprechen“, die innerhalb dieses Systems entstehen, überhaupt wirksam, um eine Krise zu bewältigen, die es selbst geschaffen hat?
Dies ist ein Realitätscheck und die Realität sollte unser Handeln bestimmen: Die Institutionen haben uns bei der Bewältigung der Klimakrise im Stich gelassen. Die Welt tut nicht genug. Wohin sollen wir uns also wenden? Wohin schauen wir, wenn wir gewinnen wollen?
Wir müssen die Brille wechseln! Climáximo hat das Pariser Abkommen in Lissabon symbolisch beerdigt, um das Abkommen von Glasgow ins Leben zu rufen, das die Zivilgesellschaft ins Zentrum des Handelns stellt. Und nächste Woche blicken wir bei Blog, Engage, Act! auf die Klimabewegung in Belgien und fragen erneut: Gewinnen wir?