Räume im Besitz der Bürger

Überlegungen
von Paula Aros Gho

Erschienen auf www.tdz.de/chile am 29.09.2023

VERDAR

„Verdar“ von Nicolás Lange unter der Regie von Paula Aros Gho | © FITAM

Seit zwanzig Jahren inszeniere ich Theaterstücke in einem Land, in dem vor fünfzig Jahren *__________________ *.

Auf der Linie oben können Sie alles eintragen, was Sie wollen oder wissen über den Militärputsch, der am 11. September 1973 exekutiert wurde.

Ich sage exekutiert, weil es genau so krass war:

wie das zu Boden fallen

eines Kopfes[1], nachdem er zerstört wurde.

Was auch immer Sie auf der Linie oben genannt haben, und wie auch immer Sie es sich im Geiste ausmalen. Es sind Straßen und Plätze und Wege, Häuser, Hotels, Schulen, Stadien, Wüsten und Meerestiefen, wo Menschen sich ohne Gewissheiten bewegten, ohne zu wissen, was sie sagen oder wo sie hinsehen sollten oder welcher Weg zu ihrer täglichen Arbeit sicher war.

Die Fragilität des öffentlichen Raums wurde sichtbar

und Begegnungen bekamen etwas Subversives.

Ich inszeniere Theater aus der Überzeugung einer gemeinsamen Zeitlichkeit heraus: das unbeschreibliche Zusammentreffen in einem bestimmten Raum für eine bestimmte Zeit von Menschen, die versuchen mehr oder weniger das Gleiche zu beobachten.

Ich versuche ständig, diese Gruppe von Menschen, die wir Publikum nennen, an die Bedeutung von Gemeinsamkeit zu erinnern. Ich erinnere sie ständig daran, dass sie da sind. Ich lasse sie einander ansehen, vielleicht, um sie davon zu überzeugen, dass sie immer mehr sind. Sie sind eine größere Zahl von Leuten, und würden wir sie auf den Theaterplakaten nennen, wären sie mehr als diejenigen, die das Stück „machen“.

Ich suche mir öffentliche Räume, Gemeinschaftsräume aus, um sie zu bevölkern. Damit Architekturen, Geografien und Theater sich in dieser vorübergehenden Zeit zu Räumen des bürgerlichen Eigentums erheben, wo sich erfundene Sprachen festsetzen und Worte, die uns in ihrer Poesie die Schönheit zurückbringen.

Wie es ist, Theater zu inszenieren in diesem Land, wo vor fünfzig Jahren _______________________?, werde ich gefragt. Und ich kann nur mit der Begegnung von Mitmenschlichkeit antworten, die denselben Himmel bewohnt, angesichts erfundener Sprachen und Worte.

                                                                                                     „Worte —ein bisschen Luft
                                                                                                   von Lippen bewegt— Worte
                                                                        um vielleicht das einzig Wahre zu verbergen:
                                                                              Dass wir atmen und aufhören zu atmen.“
 
                                                                                                                          Jorge Teillier



Übersetzung Charlotte Roos


_______________
[1] Hier ist einer der Köpfe (cabeza) der riesigen Steinfiguren, genannt Moai, auf der Insel Rapa Nui (Osterinsel) gemeint.

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