Die politischen Umbrüche im Sudan seit 2019 - im Zusammenhang mit dem Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Omar al-Baschir - schufen die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung und zur Darstellung von Kunst im öffentlichen Raum im Sudan. Zum ersten Mal durften die sudanesischen Kulturakteur*innen und Künstler*innen ihre Sehnsucht nach einem neuen demokratischen Sudan durch Graffiti, Musik und Poesie zum Ausdruck bringen. Das Goethe-Institut in Khartum wollte diese Kulturschaffenden unterstützen und initiierte das vom Auswärtigen Amt geförderte Projekt NEW SPACES - TRANSFORMING SUDAN, um neue Räume für Kunst, Kultur und einen gesellschaftlichen Dialog in diesem Land zu schaffen.
Das Projekt umfasst drei Säulen: Einen Hub, der Künstler*innen verschiedener Genres zusammenbringt; Produktionsfonds, die Kulturschaffende bei der Umsetzung ihrer Projekte unterstützen und einen Kulturanhänger „Jeenak“, der Kunstwerke und Kultur an öffentliche Orte in verschiedenen Teilen des Sudan bringt.
NEW SPACES „Hub“
2019 richtete das Goethe-Institut einen physischen Hub ein, als Ort zum Netzwerken, Arbeiten und zum Ideenaustausch. Neben einer ausgeprägten und hochwertigen technischen Ausstattung zur Umsetzung von technischen Projekten und Gemeinschaftsproduktionen wurden im Rahmen des Hubs auch Workshops und Trainingskurse für junge Kulturschaffende und Mitglieder des Hubs organisiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich am Dialog über die zukünftige Ausrichtung und Pluralität des Sudans zu beteiligen.
Das Projekt umfasste mehrere Bereiche: „Art-Tech Hub“, „Women’s Hub“ und „Musik Hub“. Anfang 2020 wurden Workshops und Trainings aufgrund der Corona-Pandemie-Beschränkungen online veranstaltet, wobei seit September 2020 teilweise wieder in Präsenz durchgeführt. Zu den wichtigsten Veranstaltungen gehörten Workshops zu Fotografie, Film und digitalem Geschichtenerzählen, Workshops zu Informationstechnologie und Grafikdesign, Einige Projekte richteten sich an Kinder, z.B. „Female Children Paint Tomorrow“ oder an Frauen wie „You are not alone“ und „Revolution Roses“. Außerdem fanden Kurse im Bereich Musik statt, wie: „Live-Sound-Training“, „Performance/Stage-Management-Training“ und „Online-Marketing-Training“ für die Musikindustrie.
NEW SPACES „Produktionsfonds“
In den Jahren 2019 und 2020 bot das Goethe-Institut in Khartum Kulturschaffenden im Sudan die Möglichkeit, ihre Projekte zur fördern. In den beiden Jahren bewarben sich rund 270 Künstler*innen für einen Förderfond. Insgesamt wurden 34 Projekte in die Vorauswahl des Goethe-Instituts nach den Kriterien „Vollständigkeit der Bewerbung“ und „Realisierbarkeit im Projekt Zeitraum“ aufgenommen. Die ausgewählten Künstler*innen wurden eingeladen, ihre Projektideen der Jury vorzustellen. Die Jury entschied sich für Projekte mit verschiedenen Themen zwischen Kunst, Kultur, Musik, Mode und Theater. Im Jahr 2019 wurden fünf Projekte gefördert, nämlich „Ombudsmann“, „Cartoons Memory – Das Zeitalter der Kaizan“, „Drum Circle“, „Fashion Brand NINNIS“ und „Geschichten – Rätsel der Stadt“. Für das Jahr 2020 wurden sechs Projekte ausgewählt: „Fatima al-samha“, „Hakamat“, „Musikalbum von Salute Yal Bannot“, „Architecture photography Blog“, „Cucurucu“ und „The unexplored“.
Außerdem wurden verschiedene Workshops für die Teilnehmenden organisiert, darunter ein eintägiger Pitching-Workshop, dessen Ziel es war, die Präsentationsfähigkeiten der Teilnehmenden zu verbessern und damit ihre Chancen auf eine Finanzierung durch den Produktionsfonds zu erhöhen. Darüber hinaus fanden Workshops für die Projekte im Jahr 2020 statt, wie z. B. ein Projektmanagement-Workshop, sowie das Mentorship Programm, bei dem die Gewinner des Produktionsfonds zu einem Sondierungsgespräch mit dem bekannten sudanesischen und internationalen Künstler Khalid Albaih eingeladen wurden.
NEW SPACES „Jeenak“
Da die sudanesische Kulturszene auf die Hauptstadt Khartum fokussiert ist, wollte das Goethe-Institut mit dem Projekt „Jeenak“ (deutsch: „Wir kommen zu dir“) Kunst und Kultur auch in ländlichere Gebiete und weitere urbane Zentren bringen. 2019 wurde ein Anhänger gekauft und so modifiziert, dass er für jede Veranstaltung geeignet ist. Der Anhänger, der Platz bietet für Theaterstücke, Filme, Konzerte und Diskussionen, wurde vom Goethe-Institut und sudanischen Künstler*innen entwickelt und reist bis heute durch den Sudan, um Kultur in allen möglichen Teilen des Landes zu verbreiten.
2020 wurde „Jeenak“ aufgrund der Corona-Pandemie-Einschränkungen in ein Online-Format „Jeenak fi baitak“ (deutsch: „Wir kommen zu dir nach Hause“) umgewandelt. Im Rahmen des Projekts wurden Kurzfilme gezeigt, die sich mit aktuellen Themen im Sudan befassten, z. B. mit der Rolle der Frauen und dem kulturellen Erbe. Ein Interview mit dem Autor eines Gedichts, das während der Demonstrationen gesungen wurde, sorgte für große und breite Interaktion in den sozialen Medien. „Das ist echte Vielfalt, die wir in Bezug auf kulturelle, sprachliche und ökologische Vielfalt suchen“, sagte ein Zuschauer über das Projekt „Jeenak“, „Ich bin sicher, dass dieses Land seine Stärke aus der enormen Diversität bezieht [..]“, fügte er zu.