Kultur als Rettung
Die libysche Kulturszene wurde durch den Krieg seit 2011 stark geschwächt. Bei der Kulturakademie Libyen 2017 haben lokale Akteure Grundlagen des Kulturmanagements gelernt, damit ihre Projekte nicht nur inhaltlich, sondern auch wirtschaftlich auf einer soliden Basis stehen.
Die Kultur habe ihn quasi gerettet, erzählt Mohamed Essul. Gerettet davor, wie viele andere seiner Generation in Gewalt abzugleiten und bei einer der unzähligen Milizen sein Geld zu verdienen. Stattdessen organisiert der 29-jährige seit 2011 Kulturveranstaltungen in seiner Heimatstadt Tripolis. Sein Traum ist es jetzt, das Haus seines Großvaters zu renovieren und darin eine Künstlerresidenz zu schaffen. In dem tunesischen Fundraising-Experten Shiran Ben Abderrazak, selbst Alumnus der Kulturakademie Tunesien 2015, hat er dabei das ideale Gegenüber gefunden. Denn Ben Aberrazak hatte sich 2015 mit einem ähnlichen Projekt für das Programm beworben - und hat es seitdem mit Dar Eyquem erfolgreich umgesetzt.
Dialog ist möglich
Synergien schaffen und Netzwerke stärken, das ist mehr als nur ein positiver Nebeneffekt der Kulturakademie Libyen. Denn die zwölf Teilnehmenden, die aus verschiedenen politisch gespaltenen Regionen des Landes kommen, hätten sich ohne das Training wohl kaum getroffen. „Der Workshop hat mich in der Überzeugung bestätigt, dass Dialog trotz aller Differenzen möglich ist“, so Mohamed Essul. Während der zweiwöchigen Basisschulung in Tunis und einem einwöchigen Besuch von Kulturprojekten in Berlin haben sich Freundschaften und ein solides Netzwerk gebildet. Denn obwohl die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Bereichen wie Stadtplanung, Theater, Kulturarbeit für Jugendliche oder Literatur kommen, konnten sie viele Gemeinsamkeiten feststellen.„Die Herausforderungen sind für alle ähnlich“, so der Fotograf Majdi Elnakua. Am schwierigsten ist der Umgang mit der instabilen Sicherheitslage, der sich negativ auf die Projekte auswirkt, sind sich die Teilnehmer einig. „Wir können keine ausländischen Expertinnen und Experten mehr einladen, das hat unsere Arbeit sehr beinträchtig“, erzählt die Architektin Razan Alsennussi. Reem Alfurjani, die mit ihrer NGO Seen die Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt von Tripolis für die Bewahrung des Kulturerbes sensibilisiert, spürt eine leichte Besserung. „In den letzten Monaten gab es immer mehr Ausstellungen und Veranstaltungen, die Leute trauen sich wieder aus dem Haus und auch in die Altstadt“, berichtet sie. Sie hofft, dass der Aufschwung anhält.
Wissen weitergeben für mehr Nachhaltigkeit
In Benghazi, im Westen des Landes, ist die Situation noch schwieriger. Hosam Elthinni, Manager des Kulturzentrums Tanarout, arbeitet dort seit Jahren daran, Kindern und Jugendlichen einen geschützten Raum zu bieten, wo sie zum Beispiel Musikinstrumente oder Kalligraphie lernen können. „Das Programm hat mich unglaublich weitergebracht. Ich hatte ja selbst kaum Erfahrung“, so der 19-jährige Faraj Essileni, Koordinator und Verwaltungsleiter bei Tanarout. „Dieses Wissen möchte ich gerne an andere junge Leute weitergeben, wenn hoffentlich in Benghazi bald mehr Strukturen im Kulturbereich entstehen.“Neben Modulen zu Projekt- und Zeitmanagement und Digitaler Kommunikation waren Präsentationstechniken und Fundraising ein wichtiges Element der Basisschulung der Kulturakademie. Denn nur wenn die Teilnehmenden ihre Projekte gut vorstellen und eine solide finanzielle Basis schaffen, werden diese auch langfristig überleben und erfolgreich sein. Bei Besuchen von Kulturprojekten in Tunis und vor allem bei dem einwöchigen Programm in Berlin hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer außerdem die Möglichkeit, sich mit internationalen Kulturschaffenden auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.