Paul Celan
Gedicht "Fadensonnen"

Paul Celan - Fadensonnen © Foto: Goethe-Institut Barcelona

Information

Skulptur für Josep Moragues 

Leicht zu erreichen ist dieses Monument nicht: umgeben von gleich vier mehrspurigen Straßen, auf denen von früh bis spät der Verkehr tost, sind zunächst zwei Fußgängerampeln zu überqueren, um auf die Verkehrsinsel zu gelangen, auf der die Skulptur des katalanischen Künstlers Francesc Abad steht.
Es mag so gar nicht zusammenpassen, was man hier sieht: Auf der rechten Seite eine hohe Fahnenstange mit der katalanischen Flagge. Eine am unteren Ende des Mastes angebrachte Tafel erinnert an General Josep Moragues, der im Erbfolgekrieg erfolglos an der Seite der Habsburger kämpfte und nach der Niederlage 1714 von den Truppen des Bourbonenkönigs Philipp V. geköpft wurde.

Auf der linken Seite stehen sechs große Quader aus strahlend weißem Marmor. Von der Seite betrachtet wirkt diese Anordnung wie ein sanfter Grabhügel oder eine Brücke, in deren Mitte ein Lorbeerbaum wächst. Und auf diesen Quadern steht zur Verwunderung der Vorbeigehenden ein Gedicht von Paul Celan, auf der einen Seite in der deutschen Originalversion, auf der anderen Seite in Katalanisch eingraviert. Die deutschen Buchstaben sind allerdings von Sonne und Wind so unkenntlich gemacht, dass das Lesen eher einem Entziffern ähnelt, was ja wiederum den Gedichten von Celan nicht unangemessen erscheint:


FADENSONNEN
ÜBER DER GRAUSCHWARZEN ÖDNIS.
EIN BAUM- 
HOHER GEDANKE
GREIFT SICH DEN LICHTTON: ES SIND
NOCH LIEDER ZU SINGEN JENSEITS
DER MENSCHEN

SOLS DE FIL
DAMUNT L'ERM GRIS NEGRÓS  
ARBRANT-
SE AMUNT, UN PENSAMENT 
POLSA EL SO DE LA LLUM: ENCARA
QUEDEN CANTS PER A SER CANTATS MÉS ENLLÀ 
DELS HOMES
  
Unwillkürlich schauen wir hoch in die um die frühsommerliche Jahreszeit leuchtend blühenden Kronen der Essigbäume, die das Denkmal umgeben und in denen einzelne Lichtreflexe flimmern. Und vielleicht ahnen wir, was Paul Celan meint mit den Liedern, die jenseits der Menschen noch zu singen sind.

Die gestaltung der skulptur

Der Künstler Frances Abad erklärt die Gestaltung seiner Skulptur folgendermaßen:
Das Zerbrechliche und das Harte, der Natur und des Marmors, wird in dieser Skulptur vom poetischen Wort Paul Celans begleitet, um die zeitgenössische Dimension des Unrechts aufzuzeigen, das von der Macht der Sieger aller Epochen ausgeübt wird.
Es soll also allen Opfern von Gewalt und Unterdrückung gedacht werden und dass wahre Dichtung jeden Bürgerkrieg und jede Spaltung überhaupt überlebt, können wir an den Gedichten Paul Celans erfahren.
 

Der Dichter

Paul Celan wurde am 23. November 1920 im rumänischen Czernowitz geboren. Die Stadt galt als Zentrum deutsch-jüdischer Kreativität. Auf der Straße hörte man Deutsch, Jiddisch, Rumänisch, Ukrainisch, Russisch, ein Schmelztiegel verschiedener Sprachen und Kulturen.

Celan, damals noch Paul Antschel, wächst als Einzelkind in einer Deutsch sprechenden, orthodox-jüdischen Familie auf. Nach dem Abitur beginnt er im französischen Tours das Studium der Medizin.
Wegen des beginnenden Krieges kehrt er nach Czernowitz zurück und studiert dort Romanistik. 1940 besetzen sowjetische Truppen die Stadt. Ein Jahr später trifft die SS-Einsatztruppe D in Czernowitz ein. Die inzwischen mit Deutschland verbündeten rumänischen Einheiten besetzen die Stadt. Im Oktober 1941 beginnt die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Die Eltern werden in ein Vernichtungslager deportiert, wo der Vater an Typhus stirbt und die Mutter ermordet wird. Celan wird in ein Arbeitslager geschickt und entkommt dadurch seiner Ermordung. Zeitlebens wird es ihn quälen, dass er durch Zufall dem Holocaust entkommen ist, diese „drastischen Schuld des Verschonten“  – wie sie der Philosoph Adorno einmal benannte- führt ihn in tiefe Depressionen. Celan – nach dem Krieg in Paris ansässig – versucht das Unfassbare, dem wir mit Begriffen wie Vernichtung, Zerstörung, Tod beizukommen versuchen, in Worten festzuhalten.
Sein bekanntestes Gedicht Todesfuge, offenbart das Grauen eines Vernichtungslagers.  Wie in einer musikalischen Fuge werden verschiedene Motive gegeneinander positioniert, um sich später immer enger miteinander zu  verknüpfen. Die Bilder, in denen Celan hier spricht: „schwarze Milch der Frühe, wir trinken sie abends …“ und  „wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng …“  haben sich vielen deutschen Schülern und Schülerinnen in die Seele gegraben.

Celan, der sich nach dem Krieg zunächst als Fabrikarbeiter und Übersetzer in Paris  über Wasser zu halten versucht, erfährt als Poet immer mehr Anerkennung und veröffentlicht im Laufe der Jahre mehrere Gedichtbände. Aber sein psychischer Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend, was zu mehreren Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken führt.
Am 1. Mai 1970 wird sein Leichnam in der Seine gefunden, 10 Km flussabwärts von Paris. Wann und wo genau er sich in den Tod gestürzt hat, darüber können wir nur vermuten. Einen Abschiedsbrief gibt es nicht.
 

Übrigens

Auf der Plaça Sant Miquel in der Nähe des Rathauses von Barcelona hat der Künstler Antoni Llena ein Denkmal für die katalanische Tradition der Menschentürme (Castells) und die Kletterer (Castellers) geschaffen.
Menschentürme
Unter diesem Denkmal befindet sich eine Plakette mit einem weiteren Zitat von Paul Celan. Der Satz „Ich bin du, wenn ich ich bin“ stammt aus Celans Gedicht „Lob der Ferne“.
Paul Celan - Lob der Ferne
 
Quellen:
Deutschlandfunk
Monuments Commemoratius de Catalunya
© Text: Ulrike Fiedler

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