Interview mit Annette Langen
“Ich war nie der 'rosa Prinzessinnen'-Typ”

Annette Langen
© NordSuedVerlag

Die Briefe vom “Hasen Felix” gehören zu den beliebtesten und erfolgreichsten Kinderbüchern überhaupt, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel. Im Interview erklärt Erfolgsautorin Annette Langen, wie viel von ihr selbst im nimmerreisemüden Plüschhasen steckt und warum sie das Vorlesen für eine der besten Investitionen in die Zukunft eines Kindes hält.
 

Frau Langen, wie kam es überhaupt zu dieser Figur des “Hasen Felix”: Warum ein Hase, und warum heißt er Felix?
 
Als Kind hatte ich selbst einen Plüschhasen: “Lausi”. Weil ich ihn überallhin mitgeschleppt habe, kam es auch schon mal vor, dass ich seine Ohren so arg strapaziert habe, dass meine Großmutter sie wieder festnähen musste. Da habe ich sie dann schon gefragt: Warum bekommt er keine Spritze gegen die Schmerzen, so wie jeder Mensch, wenn er operiert werden muss? So real war er für mich.
 
Und der Name Felix?
 
Felix bedeutet “der Glückliche”. Und Reisen zu können, ist ein Glück. Das habe ich schon als Kind  so empfunden, weil meine Eltern viel mit uns unterwegs waren, wir dabei auch die großen Städte besucht haben: erst Athen, danach London, Paris und Rom. In dieser Hinsicht steckt in der Figur des Felix auch etwas von mir, gerade die Lust auf die weite Welt. Als Kind bin ich oft in Bäumen herumgeklettert. Ich war nie der Typ der rosa Prinzessin.
  

“Wie Felix habe ich Lust auf die große, weite Welt”

Felix © Goethe-Institut Israel
Bei Ihren Lesungen stellen Sie sich Ihren jungen Zuhörern als “fast so etwas wie die Mutter” des Hasen Felix vor. Was zeichnet diese Figur, den Hasen Felix, für Sie aus, warum ist er derart beliebt?
 
Was Felix ausmacht, sind seine Toleranz, sein Mut, seine Unvoreingenommenheit – all das führt ja dazu, dass er immer wieder auf Reisen geht. Er will neue Länder, neue Kulturen kennenlernen, und auch anderen darüber erzählen, Horizonte erweitern. Junge Erwachsene, die mit den Büchern aufgewachsen sind, erzählen mir heute gelegentlich, dass sie selbst nach dem Schulabschluss bewusst ein Jahr ins Ausland gehen wollen, zum Beispiel für ein soziales Jahr. Gleichzeitig ist Felix ein sehr guter Freund, dem es sehr wichtig ist, dass seine menschliche Freundin Sophie jederzeit weiß und spürt, wie viel sie ihm bedeutet. Sie soll keine Zweifel haben, dass er zu ihr zurückkommt. Auch deshalb gibt es jedes Mal ein Happy End – unverzichtbar für ein Kinderbuch!
 
Warum haben Sie sich als Autorin eigentlich ausgerechnet auf das Genre “Kinderbücher” spezialisiert?
 
Ich komme aus einer Familie von Buchhändlern, war als Kind deshalb schon sehr früh umgeben von vielen, sehr verschiedenen Büchern. Fasziniert haben mich insbesondere aber die Bilderbücher. Das ist bis heute so geblieben, wohl vor allem wegen der Verbindung von Text und Illustration, dieser zwei Ebenen, die sich ergänzen müssen, damit ein Buch funktioniert, im besten Fall berührt.
 
Mittlerweile gibt es vom Hasen Felix zwei Kinofilme, eine Zeichentrick-Serie und ein Musical. Hinzu kommen diverse Lizenz-Artikel, ein ganzes Felix-Universum mit Rucksäcken, Koffern, Bettwäsche, Brillen, Schuhen und sogar Brotaufstrichen. Inwieweit sind Sie darin involviert?
 
Bei all den Projekten, bei denen Text involviert ist, sichere ich mir selbstverständlich ein Mitspracherecht zu. Das Musical habe ich geschrieben. Natürlich ist mir wichtig, dass ich Einfluss darauf habe, wie Felix sich weiterentwickelt.
 
Mittlerweile sind rund zehn Bücher erschienen. Sie haben immer noch Ideen?
 
Oh ja! Ein neues Manuskript liegt derzeit beim Verlag. In seinen letzten beiden Büchern hat Felix erst Deutschland besucht und ist dann durch die Schweiz gereist. Zu den schönen Seiten des Erfolgs dieser Bücher gehört ja, dass ich durch Einladungen zu Vorträgen und Lesungen viel herumkomme, auch in Deutschland. Dadurch habe ich gesehen, wie viele schöne Plätze, Landschaften und Sehenswürdigkeiten dieses Land doch hat. Den Verlag hatte ich deshalb sogar gebeten, mehr Seiten zu bekommen. Statt der üblichen 40 hatte ich schließlich auch 56 zur Verfügung, und trotzdem fiel es mir noch schwer, die Wahl zu treffen. Gern hätte ich Felix zum Beispiel auch zur Porta Nigra nach Trier reisen, mit der Schwebebahn durch Wuppertal fahren und die Maare, die Kraterseen der Eifel, erkunden lassen.
 

“Der Erfolg in Israel bedeutet mir viel”

 
Die “Felix”-Bücher wurden in rund 30 Sprachen übersetzt, auch ins Hebräische. In Israel landete das Buch “Briefe von Felix” sogar auf der Bestseller-Liste, als erstes deutsches Buch nach 1945 überhaupt. Inwiefern bekommen Sie von all diesem Erfolg etwas mit: Erhalten Sie selbst Briefe?
 
Dass Felix in Israel so erfolgreich ist, bedeutet mir viel, denn er leistet einen Beitrag zur Völkerverständigung. Und zur Frage der Briefe: Ja, die und E-Mails bekomme ich immer wieder. Und mir ist wichtig, jedem Kind auch individuell zu antworten. Manchmal ist das gar nicht so einfach: Einmal bat mich ein Mädchen um Rat, weil der Vater als Soldat in den Krieg ziehen müsse. Das Thema hat mich so beschäftigt, dass ich dazu schließlich einen ganzen Kinderroman geschrieben habe: “Der kleine Herr G.Ott”. Ein anderes Mädchen aus Amerika schrieb mir über Jahre immer wieder, bis sie zwölf Jahre alt war. Und die Verlegerin der Felix-Bücher in Polen hatte Kindergartenkinder für ein Projekt ermuntert, selbst Briefe an Felix zu schreiben, in denen sie über ihr Land berichten. Diese Briefe hat sie dann alle erst für mich ins Deutsche übersetzt und mir dann zugeschickt. Ich habe sie alle individuell beantwortet, das hat einen ganzen Tag gebraucht.
 
Handschriftlich?
 
Mit dem Computer. Meine Handschrift kann ich niemandem zumuten. Die ist schlimmer als die Krakelschrift von Felix. Und der muss mit einer Pfote den Stift halten, ich habe ja immerhin eine Hand mit fünf Fingern.
 
Sie engagieren sich als Lesebotschafterin. Warum halten Sie das Vorlesen von Büchern für so wichtig?
 
Eine Langzeitstudie der Universität Oxford, an der 17 000 Kinder teilgenommen haben, hat gezeigt, dass das Vorlesen langfristig einen besseren Schulabschluss ermöglicht. Ich finde, es ist einfach eine der besten Investitionen in die Zukunft eines Kindes.

Inwiefern?
 
Viele Fähigkeiten, die ein Kind in der Schule und später im Leben brauchen wird, also das Interesse am eigenen Lesen und Schreiben werden schon früh geweckt, hinzu kommt der Aufbau eines Wortschatzes und die Entwicklung von Fantasie. Lesen ist ja Kino im eigenen Kopf. Statistiken zeigen jedoch leider, dass in 70 Prozent der Familien in Deutschland nicht mehr regelmäßig vorgelesen wird. Viel Zeit hingegen geht dafür drauf, die Kinder mit dem Auto zu diversen anderen Aktivitäten nach der Schule zu fahren. Manche Eltern trauen sich auch nicht mehr, selbst vorzulesen, weil sie glauben, mit den professionellen Sprechern von Hörbüchern mithalten zu müssen. Was das Vorlesen aber so wichtig und so einzigartig macht, ist die Nähe, die dabei entsteht, das Gefühl von Geborgenheit, das man spürt, wenn man eng aneinandergekuschelt zusammen in die Welt eines Buches eintaucht. Wenn das Kind groß ist, wird es sich mit Sicherheit gerade an diese Momente erinnern.
 
 

Annette Langen, geboren 1967, gehört zu den erfolgreichsten Kinderbuchautoren Deutschlands. Als Verlagslektorin war sie viele Jahre für das Programm eines Kinderbuchverlages verantwortlich, schrieb schon in dieser Zeit erste Kinderbücher. Das erste erschien 1989, inzwischen sind es über 100 Titel. Seit 2000 ist sie ausschließlich Autorin. Ihre “Briefe von Felix” wurden in rund 30 Sprachen übersetzt und verfilmt. Ehrenamtlich engagiert sich Langen für die Leseförderung, seit 2011 ist sie Lese-Botschafterin für die Stiftung Lesen. Annette Langen ist Mutter von zwei Kindern und lebt im Bergischen Land.