Kultur für alle, das ist der Wunsch von Ahmad Hassan aus Kairo. Deshalb hat er in einem Vorort ein Kulturzentrum eröffnet. Theater, Film und Fotokunst begeistern die Bewohner.
Ein klappriger Transporter ist das einzige öffentliche Verkehrsmittel, das von Kairos U-Bahnstation Shobra el-Kheima zur Haltestelle in Ezbet Uthman, im Gouvernement Qalyubiya, fährt. Und hier, in der kleinen, dicht bewohnten Gasse Haret el-Shawa, liegt Ahmad Hassans El-Takeiba Center for Artistic and Cultural Development.Im Erdgeschoss eines Wohnhauses in den Räumen des Kulturzentrums sitzt Ahmad Hassan an seinem Schreibtisch und plant eifrig Theateraufführungen, Fotoausstellungen und Filmveranstaltungen, die hier in der kleinen Seitenstraße stattfinden sollen. Alles begann im Jahr 2007, als Hassan noch am Einlass eines Kulturzentrums am Tahrir-Platz in der Innenstadt Kairos arbeitete. Eines Abends während einer Poesie-Veranstaltung bemerkte er, dass ein Mann Mitte 60, der im Zentrum saubermachte, die Dichter auf der Bühne beobachtete. Hassan hatte das Gefühl, dass auch der Mann gerne ein Gedicht vorgetragen hätte. Er traute sich aber nicht, den Wunsch zu äußern, da sich doch sicher niemand für ihn interessieren würde. Das brachte Hassan auf die Idee, einen Kulturtag unter dem Motto „Yallah, Shear“ (Lasst uns dichten!) zu organisieren und auf diese Weise Menschen wie dem Putzmann die Möglichkeit zu geben, Gedichte vorzutragen. Er mietete ein Theater und sprach eine offene Einladung an Amateurdichter aus.
Kultur für alle
Nach dem erfolgreichen Kulturtrag trafen Hassan und seine Freunde sich in einem Café in der Kairoer Innenstadt, um ein Kulturzentrum zu planen, in dem sie „Kunst für alle“ anbieten wollten. Der Name des Cafés, El-Takeiba, wurde dann auch zum Namensgeber für das spätere El-Takeiba Art Center in Ezbet Uthman.
Im Jahr 2011 gründete Hassan das Zentrum in der kleinen Seitengasse Haret el-Shawa in der bescheidenen Wohngegend Shobra el-Kheima, in der er auch selbst wohnte. „Die Gegend war kulturell nicht so, wie ich es mir wünschte. Wenn ich einen Kinofilm sehen wollte, musste ich in die Innenstadt Kairos fahren“, erzählt Hassan. „Deshalb entschloss ich mich dazu, das Kulturleben in meinem Viertel einfach selbst zu organisieren.“ Sein Ziel war es, Kulturangebote auch Menschen mit geringer Bildung zugänglich zu machen und für eine gerechtere Verteilung von Kulturangeboten zu sorgen.
Das Kulturzentrum in diese Nebenstraße Haret el-Shawa zu verlegen, war eine große Herausforderung für Hassan. Denn manche Bewohner des Viertels halten Kunst und Kultur für unnötigen Luxus. Auch kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Hassan und einigen fanatisch-religiösen Gruppen, die in Dörfern und Slums oft großen Einfluss haben.
Bücher tauschen statt kaufen
Ein Kulturprojekt, das das El-Takeiba Center für die Menschen von Ezbet Uthman organisiert hat, heißt „Rahhala“ (dt. Globetrotter). Hassan erläutert: „Hintergrund des Ganzen ist, dass einfache Menschen in ihrer Freizeit nicht zur Unterhaltung ausgehen, meistens aus Kostengründen. Deshalb kennen sie historische Orte, Museen und Theater häufig nicht. Wir nehmen die Menschen des Viertels bei Rahhala mit auf Ausflüge zu Orten, die nicht teuer sind und über die sie vorher nichts wussten.“ Eine andere Initiative ist der Büchertausch: Für die Bewohner von Shobra el-Khaima sind Bücher oft zu teuer. Deshalb hat Hassan eine Büchertausch-Initiative organisiert. Im Kulturzentrum gibt es eine umfangreiche Bibliothek: soviel Angebot, wie man es in einer kleinen Nebenstraße nicht erwarten würde. Hier kann jede und jeder kostenlos Bücher tauschen. Das Projekt war bereits in mehreren anderen Vierteln zu Gast, und auch dort konnten die Bewohner untereinander kostenlos Bücher tauschen. Diese Idee, so Hassan, sei sogar in anderen arabischen Ländern wie Tunesien umgesetzt worden.
Gegen Gewalt gegen Frauen
„Dell ragel wala dell heitah“ (dt. der Schatten eines Mannes ist besser als der Schatten einer Mauer) ist ein weiteres Kulturprojekt des Zentrums. Der Name des Projekts leitet sich von einem ägyptischen Sprichwort ab, das im ländlichen Ägypten heute noch benutzt wird. Es besagt, dass jede Frau unbedingt einen Mann in ihrem Leben braucht, auch wenn er nicht wirklich Verantwortung übernimmt.Ziel des Projekts ist es, ein Bewusstsein für die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen zu schaffen, wie sie gerade in ärmeren Gemeinden weit verbreitet sind. Das Projekt ist Teil des Programms „Haqqi“ (dt. mein Recht) des British Council in Kairo.
Wer aus der Tür des El-Takeiba Center tritt, sieht Bilder an den Wänden der kleinen Gasse – Bilder von Theater- und Ballettstücken, die Hassan aus der Innenstadt Kairos hier nach Ezbet Uthman gebracht hat. So half er den Bewohnern des Viertels, ihr Recht auf Kultur wahrzunehmen. Eine große Leistung angesichts der Tatsache, dass Hassan bis 2007 als einfacher Angestellter in einem Kulturzentrum gearbeitet hat. Vor allem auch, wenn man bedenkt, dass die Gassen von Ezbet Uthman selbst für den klapprigen Transporter – also den öffentlichen Nahverkehr – zu eng werden und die Besucher das El-Takeiba Center nur zu Fuß erreichen können. Trotz dieser Widerstände ist es Hassan gelungen, in Ezbet Uthman ein breites Kulturangebot für die Bewohner des vernachlässigten Viertels zu schaffen.