Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus? Deutschland möchte bis 2038 komplett aus dem Kohleabbau aussteigen. Ein ehrgeiziges Ziel, für das noch viele Hürden überwunden werden müssen.
Politisch wurden dafür bereits wichtige Weichen gestellt: Um ihre Ziele im Energiebereich zu erreichen, gründete die Bundesregierung 2018 die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, kurz „Kohlekommission“: Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften und betroffenen Ländern und Regionen erarbeiteten einen Plan für die Gestaltung des Kohleausstiegs und des damit verbundenen Strukturwandels in Deutschland. Diesem Plan zufolge soll Deutschland bis spätestens 2038 komplett aus der Kohlestromgewinnung aussteigen. 12,5 Gigawatt aus Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken – rund 28 Prozent der heutigen Kohlestromproduktion – sollen schon bis 2022 abgeschaltet werden; die jährlichen CO2-Emissionen im Stromsektor würden so bis 2030 halbiert werden.
Im September 2019 brachte die Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg, um die Ziele der Kommission umzusetzen – und zeigt sich ehrgeizig: Die Bundesregierung verfolge das Ziel einer Treibhausneutralität bis zum Jahr 2050, heißt es in der Vorlage. Bahnfahren soll billiger werden, Fliegen teurer, Ölheizungen aus den Häusern verschwinden. Der größte Einzelposten im Klimaschutzprogramm 2030 jedoch ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung – und der zweitgrößte der Ausbau erneuerbarer Energien auf 65 Prozent bis 2030.
Trotz der klaren Ziele aber gestaltet sich die Energiewende nicht einfach. Das Thema Kohleausstieg ist gesellschaftlich höchst brisant: Während Braunkohlegegner*innen auf schnelle Taten drängen, ist der Widerstand in anderen Teilen der Gesellschaft groß. Die Spannungen entluden sich unter anderem 2018 im Hambacher Forst, einem an die Braunkohlegrube im nordrhein-westfälischen Etzweiler grenzenden Waldstück, das für den Tagebau abgebaggert werden sollte. Hunderte Umweltschützer*innen und Aktivist*innen besetzten den von der Rodung bedrohten Forst über Wochen hinweg, Zehntausende Demonstrant*innen aus der ganzen Republik reisten zu ihrer Unterstützung an. Gleichzeitig kämpfen Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innen aus der Braunkohleindustrie für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Und auch in anderen Regionen trifft die Energiewende auf Widerstand, etwa in jenen Gegenden, in denen neue Windparks errichtet werden sollen. Anwohner*innen legen Beschwerden wegen Lärmbelästigung, Natur- oder Denkmalschutz ein, um die Installation der riesigen Rotoren in ihrer Nähe zu vermeiden. Die Genehmigungsverfahren stagnieren, und mit ihnen der dringend benötigte Ausbau der Windenergie.
Steinkohleausstieg als Vorbild
In den hitzigen Diskussionen gerät mitunter aus dem Blickfeld, was bereits erreicht wurde. Sieht man sich 2019 den Strommix in Deutschland an, hat Kohle längst ihre Vormachtstellung verloren: Im ersten Halbjahr 2019 produzierten Photovoltaik und Windenergie als größte Stromquellen gemeinsam mehr Strom als Kohle, so die Analyse des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE. Zusammen mit Wasser und Biomasse machten erneuerbare Energiequellen knapp die Hälfte der öffentlichen Nettostromerzeugung aus. Außerdem wurde mit dem Steinkohleausstieg ein Bereich der Energiewende bereits abgeschlossen: Mit der Schließung der letzten deutschen Zeche in Bottrop ging im Dezember 2018 das ehemals größte Steinkohlerevier Deutschlands vom Netz. Zu seinen Blütezeiten fanden hier mehr als eine halbe Million Menschen Arbeit, die über 110 Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr förderten. Später war die Steinkohlenförderung international nicht mehr wettbewerbsfähig. Mehr als eine Milliarde Euro Kohlesubventionen pro Jahr fielen zuletzt an, um die Preisdifferenz zum Weltmarkt auszugleichen. 2007 beschloss der Bundestag deshalb einen Fahrplan für den Ausstieg aus der defizitären Steinkohle. Im selben Jahr wurde die RAG-Stiftung gegründet, die sich um den geregelten Ausstieg aus der Förderung und danach um die Ewigkeitslasten kümmerte. Der Steinkohleausstieg gilt als Vorbild, weil er sozial verträglich abgewickelt wurde, wirtschaftlich abgesichert ist und auch die Umweltschäden berücksichtigt.
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